Ihre Geschichten bringen die Konflikte und Widersprüche der DDR auf den Punkt
„Brigitte Reimann hat die Geschichten dieses Landes auf besondere Weise erzählt“, sagt Carsten Gansel, Biograf der DDR-Schriftstellerin anlässlich ihres des 90. Geburtstags am 21. Juli 2023. Gansel betont, dass Reimanns Geschichten die Konflikte und Widersprüche der DDR eindringlich auf den Punkt brachten.
Ihr Roman "Franziska Linkerhand" erfreute sich sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik großer Beliebtheit. Trotz ihres frühen Todes 1973 geriet Reimann zunächst in Vergessenheit, doch ihre Texte gewinnen heute durch ihre Vielschichtigkeit und Aktualität internationale Anerkennung.
Reimann thematisierte die Konkurrenz zwischen BRD und DDR
Ein zentraler Aspekt von Brigitte Reimanns Schreiben sei ihre intensive Identifikation mit dem Sozialismus und der DDR gewesen, so Gansel. Als Teil des Bitterfelder Wegs arbeitete sie eng mit Arbeitern zusammen und thematisierte die Konkurrenz zwischen BRD und DDR in ihren Erzählungen. In ihren Texten vereint sie die Ideale ihrer Zeit mit einer klaren kritischen Haltung.
Ihre Romane fanden große Resonanz bei Lesern in der DDR
Gansel betont, dass Reimanns Werke auch heute neu und anders gelesen werden könnten, da sie sowohl die damaligen Ideale widerspiegelten als auch Konfliktfelder offen benennen würden.
Reimann sei überzeugt gewesen, dass ihre Kunst eine Rolle in der sozialistischen Gesellschaft spielen könne, so Gansel, und ihre Romane hätten große Resonanz bei den Lesern in der DDR gefunden.
Carolin Würfel – Drei Frauen träumten vom Sozialismus. Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf
Reimann löste mit ihren Büchern Diskussionen über den Sozialismus aus
Trotz der teilweise strengen Zensur wurden ihre Werke rezipiert und lösten Diskussionen über den Sozialismus aus. „Ihre Literatur lässt sich nicht einfach in Kategorien presse“, findet Gansel.
Reimann habe Geschichten erzählt, die sich mit Gleichberechtigung, Emanzipation und Zivilcourage befassten und bis heute international Beachtung fänden. Die Bedeutung ihrer Erzählungen gehe über persönliche Aspekte hinaus und verdiene eine differenzierte Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte, ist Gansel überzeugt.
Mehr Literatur aus dem Osten Deutschlands
Lesetipp von Frank Hertweck Christa Wolf – Sommerstück
Ein echte Hitzesommererzählung: Christa Wolfs „Sommerstück“, geschrieben in den 1970er Jahren, erschienen im Jahr der Wende 1989.
Schriftsteller, Autorinnen, Maler, Lebenskünstler ziehen sich aufs Land zurück. Die Hoffnung auf politische Veränderung sind zerstoben.
Jetzt kreist man um sich: trifft sich, geht spazieren, diskutiert, feiert Feste. Aber die Spannungen bleiben nicht aus...
Ein Meisterwerk, das nicht verbirgt, dass auch die Autorin nicht mit sich im Reinen ist.
Suhrkamp Verlag, 233 Seiten, 11 Euro | ISBN 978-3-518-45941-6
Buchkritik Helga Schubert – Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe
Seit vielen Jahren pflegt die Autorin und Bachmann-Preisträgerin Helga Schubert ihren kranken, dementen Mann. In ihrem neuen Buch erzählt sie von den vielen schweren Momenten im Pflegealltag, von Verzweiflung und Einsamkeit. Aber es geht auch um die Liebe und die schönen Augenblicke, die die letzte gemeinsame Zeit lebenswert machen. Ehrlich und wunderschön. | Rezension von Theresa Hübner |
dtv, 272 Seiten, 24 Euro | ISBN 978-3-423-28319-9