Neues Buch der Bestseller-Autorin

Scharfe Analyse von Osteuropa–Expertin Adler: „Was wird aus Russland? Über eine Nation zwischen Krieg und Selbstzerstörung“

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Interview
Doris Maull

In ihrem neuen Buch „Was wird aus Russland? Über eine Nation zwischen Krieg und Selbstzerstörung“ spricht die Osteuropa–Expertin Sabine Adler von einer „sedierten“ russischen Gesellschaft, die ihrer Meinungsfreiheit beraubt, gelernt habe, sich zu arrangieren und nicht aufzubegehren.

Putin herrscht bald länger als Stalin

Nach ihrem Bestseller „Die Ukraine und wir“ steht auch in diesem Buch der Osteuropa–Expertin des Deutschlandfunks Aufklärung im Zentrum: Adler zeigt, wie die russische Gesellschaft zu dem wurde, was sie heute ist: eine ihrer Meinungsfreiheit beraubte Nation, über deren Wirtschaftskraft die Führungsclique nach Belieben verfügt.

Diese hat ein System errichtet, in dem politische, militärische und wirtschaftliche Eliten untrennbar verzahnt sind und dadurch uneingeschränkte Macht auf das Leben der Menschen ausüben. Mit Putin an der Spitze, der bald länger herrscht als Stalin.

Nawalnys Tod bringt Putin nicht in Bedrängnis

Russlandkenner sind sich weitgehend einig: Der Tod seines wohl wichtigsten Kritikers Alexej Nawalny bringt Putin absehbar nicht in Bedrängnis. Sabine Adler, konstatiert zwar, dass es in Russland „immer noch Widerstand gibt“.

Aber es seien eben nicht Tausende oder Zehntausende, sondern „bestenfalls Dutzende“, die in den jeweiligen Städten auf die Straßen gingen, so Adler im Interview mit SWR2.

„Homo Sowjeticus“ – Arrangieren statt Aufbegehren

Viele Menschen in Russland bezeichneten sich „heute noch als Homo Sowjeticus“, also als Sowjetmenschen aus der kommunistischen Zeit. Das bedeute weniger eine kommunistische Grundüberzeugung als vielmehr, „sich zu arrangieren, nicht aufzubegehren, so zu tun, als würden sie die Obrigkeit unterstützen, selbst wenn sie anderer Meinung sind.“

Damit aber wirke die Zustimmung für Putin und seine Politik „viel, viel größer, als sie tatsächlich ist“, so Adler weiter.

Russland ist dank Putin ein Mafia-Staat

Eine Opposition in Russland selbst gibt es offenbar nicht – und der Opposition im Ausland macht Adler einen zentralen Vorwurf: „Sie sprechen tatsächlich nicht mit einer Stimme.“

Zeichen für eine Besserung der Lage sieht Adler nicht: „Die Bürger, die wirklich maßgeblich das Schicksal bestimmen, sitzen in den Schaltstellen der Macht.“ Sie seien damit Vertreter des Mafiastaates, zu dem Putin Russland gemacht hat. „Diesen Mafia-Staat aufzuknacken ist eine Aufgabe wahrscheinlich für Generation“, so Adlers wenig optimistische Fazit.

Konsequenz: Ukraine weiter konsequent unterstützen

Vor diesem Hintergrund müsse der Westen „unbedingt einen Sieg Russlands in der Ukraine verhindern“. Andernfalls würde sich der repressive russische Mafia-Staat auf das ukrainische Territorium ausweiten.

Russland werde angesichts des Erfolgs seiner aggressiven Politik weiter aufrüsten; einen nächsten Angriff auf einen weiteren Nachbarstaat hält Adler in diesem Fall für möglich. Die Konsequenz aus ihrer Sicht: „Das heißt eigentlich für den Westen, Russland auf lange Sicht unbedingt zu entmilitarisieren.“

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