Gespräch

„Ich bin keine Kassandra“ – Freiburger Historiker über Kriege und wie man sie beendet

Stand
INTERVIEW
Marie Gediehn

Als „Plädoyer für Unaufgeregtheit“ sieht Jörn Leonhard sein neues Buch. Der Professor für Neuere und Neueste Geschichte Westeuropas an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat zehn Thesen aufgestellt über Kriege und wie man sie beendet. Das zum Erscheinungsdatum des Buches schon wieder ein Krieg losgegangen sei, zeige einmal mehr die momentane Unübersichtlichkeit, so der Historiker in SWR2, und dazu gehöre die Rückkehr des Krieges.

Audio herunterladen (9,5 MB | MP3)

Für Deutsche besonders schwierig

Die derzeitige Situation sei für Deutsche vielleicht besonders schwierig nach den Erfahrungen des zwanzigsten Jahrhunderts, sagt Jörn Leonhard: „Ich glaube, da hat man als Historiker auch was zu sagen, und das wollte ich mit dem Buch tun.“ Er glaube, so Leonhard, das Grundproblem im Augenblick sei, dass sich eine große Gruppe von Experten, mit diesen Fragen beschäftige, die aber immer unter dem Druck stünden, zu sagen, was als Nächstes passiere.

Geschichte bietet Blaupausen

Dagegen argumentiert Leonhard: „Ich bin als Historiker keine Kassandra-Institution“. Er könne nicht sagen, „der Blick auf die Geschichte bietet uns die Blaupause, wie die Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten enden“. Aber sein Argument sei, „wenn wir uns mit diesen historischen Beispielen beschäftigen, dann können wir in der Gegenwart einfach mehr erkennen.“

Und das immunisiere, meint er, gegen viele der vorschnellen Vergleiche und Analogien, „mit denen wir im Augenblick auf allen Kanälen in allen Bereichen der Medien täglich bombardiert werden“.

Plädoyer für Unaufgeregtheit

Seine Zehn Thesen darüber, wie man Kriege beendet, versteht der Freiburger Historiker als Beitrag zur „nüchternen Analyse“ und als „vielleicht auch ein Plädoyer für etwas ,Unaufgeregtheit‘.

Leonhard ist überzeugt: „Man kann mit dem Blick in die Geschichte besser über die Glaubwürdigkeit und die Plausibilität nachdenken und vielleicht diesen Moment besser identifizieren, ab wann das Ende eines Krieges wahrscheinlicher ist".

„Fauler Frieden“ als Gefahr

Der Autor warnt davor, dass ein fauler Frieden einen Krieg verlängern oder zu neuer Instabilität führen könnte. Mehrfach geht es in seinem Buch um die 30er-Jahre und die Versuche, Hitler mit großen Konzessionen zu einer Friedenspolitik zu bewegen. Leonhard warnt: „Die Bereitschaft zu großen Konzessionen ist emotional nachvollziehbar, aber sie kann an entscheidenden Stellen den Krieg eben auch verlängern“.

Dann könne der Preis, langfristig gesehen, höher sein. Auch das sei etwas, das man in der Geschichte immer wieder gesehen habe.

Forum Krieg und Terror – wie geht es weiter in Gaza

Thomas Ihm diskutiert mit
Dr. Muriel Asseburg, Politologin, Stiftung Wissenschaft und Politik
Benjamin Hammer, Journalist, Deutschlandfunk
Dr. Matthias Schmale, UN-Seniormanager

SWR2 Forum SWR2

Forum Terror gegen Israel – Droht ein Flächenbrand im Nahen Osten?

Martin Durm diskutiert mit
Dr. Jochen Hippler, Nahost-Experte
Dr. Bente Scheller, Böll-Stiftung Berlin
Prof. Dr. Michael Wolffsohn, Historiker und Publizist

SWR2 Forum SWR2

Gespräch USA, Ägypten oder China? Die Rolle der Diplomatie im Nahost-Krieg

„Die arabischen Staaten haben natürlich unterschiedliche Prioritäten und unterschiedliche Positionen“, sagt Daniel Gerlach, Chefredakteur des Magazins Zenith Zeitschrift für den Orient bei SWR2.

SWR2 am Morgen SWR2

Medien Propagandaschlacht – Inszenierungen des Ukraine-Krieges

Die Suggestivkraft der Bilder gehört zu bewaffneten Auseinandersetzungen, bewusste Täuschung wird durch die sozialen Medien immer leichter. Neutrale Beschreibung von Krieg ist nie möglich.

SWR2 Wissen SWR2

Forum Die Sprache der Gewalt – Wer schreibt wie über Russlands Krieg?

Carsten Otte diskutiert mit
Yevgeniy Breyger, Schriftsteller und Übersetzer („Frieden ohne Krieg")
Katharina Raabe, Lektorin für osteuropäische Literaturen beim Suhrkamp Verlag
Boris Schumatsky, Schriftsteller („Der neue Untertan")

SWR2 Forum SWR2

Gespräch Katja Petrowskaja: „Jeder Krieg ist absurd, dieser ist nicht fassbar!“

Der Krieg in der Ukraine tobt in Katja Petrowskajas Geburtsland, der Ukraine. Aber auch wenn sie in Berlin ist, wo sie seit über 20 Jahren lebt, ist ihr dieser Krieg ganz nah: in unzähligen Bildern und Videos in den Nachrichten und in den sozialen Netzwerken.

SWR2 Zeitgenossen SWR2

Reportage Der Ukraine-Krieg und die Deutschen – Zwischen Schlachtfeld und Friedensdemos

Mehr diplomatische Bemühungen wünscht sich die Hälfte aller Deutschen, um den Ukraine-Krieg zu beenden. Die Ukrainer sehen das anders. Nur mehr Munition, bessere Waffen können Putin stoppen.

SWR2 Wissen SWR2

Krieg und Frieden Wie zeitgemäß ist Pazifismus?

Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gilt Pazifismus als unzeitgemäß. Was dabei oft übersehen wird: Den einen Begriff des "Pazifismus" gibt es nicht.

SWR2 Wissen SWR2

Feature | Serie Der Überfall – Ein Jahr lang Krieg gegen die Ukraine

Seit dem 24.2.2022 führt Russland Krieg gegen die Ukraine. In der Dokureihe „Der Überfall“ erzählen Ukrainer*innen von ihrer Flucht, ihrer Sorge um Angehörige und Freunde, vom Alltag, der sich radikal verändert hat. Von Christiane Seiler

SWR2 Leben SWR2

Stand
INTERVIEW
Marie Gediehn