Experte des Landeskriminalamtes im Gespräch

Warum in Rheinland-Pfalz so viele Geldautomaten gesprengt werden

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Lara Bousch
Lara Bousch ist Reporterin im SWR Studio Trier (Foto: SWR)

Bastian Kipping ist Kriminaloberkommissar des Landeskriminalamtes in Rheinland-Pfalz. Er weiß, woher die Täter kommen, die dieses Jahr 54 Geldautomaten in die Luft gejagt haben.

SWR Aktuell: Herr Kipping, wieso wurden in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz überhaupt so viele Geldautomaten gesprengt?

Bastian Kipping: Das liegt daran, dass es für Täter so lange lukrativ ist, bis die Banken ihre Schutzmaßnahmen umgestellt haben. Andere Länder wie Frankreich und die Niederlande haben entsprechend umgerüstet, sodass die Geldscheine dort bei einem Raub durch Farbe unbrauchbar gemacht werden. Wir stellen fest, dass es dadurch eine Verlagerung von Beutezügen nach Deutschland gab. Außerdem gibt es in Deutschland viel mehr Geldautomaten als in den Niederlanden oder in Frankreich.

SWR Aktuell: Gibt es in Deutschland keine Sicherungssysteme, die mit Farbe arbeiten?

Bastian Kipping: Es gibt natürlich auch in Deutschland Anbieter für Einfärbesysteme, aber auch komplizierte bürokratische Hürden, und die Färbesysteme sind meistens nicht auf Angriffe mit festem Sprengstoff, sondern auf Angriffe mit Gas ausgelegt. Außerdem ist es sehr kostspielig alle Geldautomaten umzurüsten.

SWR Aktuell: Was empfehlen sie den Banken, um sich vor solchen Sprengungen zu schützen?

Bastian Kipping: Es gibt ganz viele verschiedene Möglichkeiten. Das hängt auch immer davon ab, wo der Automat steht. Es gibt Nebel-Systeme, man kann die Wände härten und einbruchsichere Rolltore anbringen. Das macht es den Tätern schwerer und sie geben ihren Versuch vielleicht auf.

Fast die Hälfte aller Geldautomatensprengungen scheitern übrigens. Meistens weil es schwer ist, die Sprengkraft zu dosieren oder weil die Täter durch Sicherheitsmaßnahmen abgeschreckt werden und es dann lieber woanders versuchen. Technische Nachrüstung ist also sehr wichtig, und natürlich auch die Bestückunghöhe. Wir schlagen den Banken also vor, weniger Geld in die Automaten zu tun.

Vor einigen Jahren hatten die Banken ihre Schutzmaßnahmen gegen Gasangriffe schon sehr gut umgesetzt. Nur sind die Täter jetzt auf Angriffe mit Festsprengstoff umgestiegen, und dementsprechend müssen die Banken schon wieder umrüsten.

Der Modus Operandi der Kriminellen

SWR Aktuell: Gibt es Hinweise darauf, wer diese Geldautomaten sprengt? Wer sind die Täter?

Bastian Kipping: Zu den aktuellen Ermittlungen darf ich nichts sagen. Aber wir wissen, dass das hochprofessionelle Banden sind, hauptsächlich aus den Niederlanden, oft marokkanischer Abstammung. Und wir können feststellen, dass es Nachahmungstäter aus Polen gibt.

SWR Aktuell: Gibt es eine wiederkehrende Vorgehensweise? Zum Beispiel was die Orte oder die Uhrzeit der Taten betrifft?

Bastian Kipping: Die Tatzeit liegt meistens zwischen zwei und fünf Uhr in der Nacht. Und es sind oft Tatorte, die verkehrsgünstig liegen, also oft an Autobahnen.

SWR Aktuell: Wie viel Geld wurde im Jahr 2022 durch diese Automatensprengungen gestohlen?

Bastian Kipping: Wir in Rheinland-Pfalz haben uns dafür entschieden, nicht mitzuteilen, wie viel Beute in bestimmten Fällen gemacht wurde, weil wir einfach keinen Tatanreiz schaffen wollen. Man kann aber sagen, dass es insgesamt jetzt für dieses Jahr einen Gesamtsachschaden mit der Summe von fünf Millionen Euro gab. Dazu muss man sagen, dass die Schäden an den Gebäuden immer deutlich höher sind als die erbeutete Geldsumme.

SWR Aktuell: Was macht die Sprengungen von Geldautomaten so gefährlich?

Bastian Kipping: Das Fluchtverhalten der Täter ist natürlich gefährlich. Sie haben hochmotorisierte Fahrzeuge, fahren damit über 200 km/h. Da ist es auch für die Polizei schwierig, diese dann zu stoppen, weil man keine Menschenleben gefährden will. Und das nutzen die Täter aus. Und bei der Sprengung selbst ist klar, dass davon eine immense Gefahr ausgeht. Auch z.B. für Passanten.

Die Ermittler sind den Tätern auf der Spur

SWR Aktuell: Wie viele von den Tätern, die dieses Jahr aktiv waren, konnten bereits gefasst werden?

Bastian Kipping: Wir konnten 54 Taten feststellen. Es gab zwölf Festnahmen dieses Jahr und diese zwölf Tatverdächtigen sitzen in U-Haft. Wir arbeiten eng mit den anderen Bundesländern und dem Bundeskriminalamt zusammen und auch mit ausländischen Behörden. Die Tatverdächtigen haben oft ihren Aufenthaltsort in den Niederlanden.

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SWR Aktuell: Wie kommen sie den Tätern auf die Spur?

Bastian Kipping: Der Tatort bei einer Geldautomatensprengungen ist sehr spurenarm, weil durch die Sprengungen natürlich viele Spuren vernichtet werden. Aber wir können immer mal wieder Täterfahrzeuge sicherstellen. Dort finden wir dann auch Täterkleidung, Benzinkanister und die Fahrzeuge kommen oft auch von Autovermietungen. Dort haben wir dann Ermittlungsansätze. Oder ein Täter-Mobiltelefon wird sichergestellt.

SWR Aktuell: Es gab am Donnerstag eine Großkontrolle in der Region Trier - eben wegen der jüngsten Sprengungen. Was erwartet man sich davon?

Bastian Kipping: Die Täter aus den Niederlanden zum Beispiel baldowern die Tatorte vorher aus. Das erfolgt dann auch tagsüber. Deswegen ist es sinnvoll tagsüber zu kontrollieren. Die Polizei schöpft alles aus, was sie machen kann. Wir versuchen durch Kontrollen das Phänomen einzugrenzen, durch Ermittlungen, Spurensuche, Spurenauswertung und durch die Täterfestnahme selbst.

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