Experte der Uni Landau im Interview

Trockenheit in der Pfalz: "Beim Klimawandel ist es 5 vor 12"

Stand

Wegen extremer Trockenheit hat die italienische Po-Ebene den Notstand ausgerufen: Der Fluss ist ein Rinnsal, Ernten sind gefährdet, die Einwohner sollen Wasser sparen. Drohen solche Zustände auch bei uns? Wir haben den Experten Hans Jürgen Hahn von der Uni Landau gefragt.

PD Dr. Hans Jürgen Hahn, Universität Koblenz-Landau (Foto: Privat)
Dr. Hans Jürgen Hahn von der Uni Koblenz-Landau

SWR Aktuell: Wegen extremer Trockenheit hat die italienische Po-Ebene den Notstand ausgerufen: Der Fluss ist ein Rinnsal, Ernten sind gefährdet, die Einwohner sollen Wasser sparen. In Frankreich hat ein erstes Dorf den Dorfbewohnern verboten, Wasser aus dem Hahn zu nehmen. Drohen ähnliche Zustände auch bei uns?

Dr. Hans Jürgen Hahn: Das kann ich mir in so einem Umfang nicht vorstellen. Aber wir haben in Brandenburg teilweise schon das Verbot, Wasser aus Gewässern zu entnehmen. Also wir sehen schon, dass sich die Situation örtlich und regional zuspitzt. Wenn ich jetzt hier auf die Pfalz gucke, dann haben wir in diesem Jahr sehr stark wechselnde Niederschläge in einem Monat deutlich über dem langjährigen Durchschnitt, im anderen deutlich darunter. Aber insgesamt wird es trockener. Das sagen alle Prognosen.

SWR Aktuell: Das Helmholtz-Zentrum hat einen sogenannten Dürremonitor veröffentlicht: Auf dem sieht man, wie die Trockenheit in den vergangenen Jahren in Deutschland zugenommen hat. Regnet es denn grundsätzlich zu wenig oder kann der Boden das Wasser nur schlecht speichern?

Hahn: Es ist beides. In vielen Regionen sind die Niederschläge in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Außerdem fallen die Niederschläge - gerade im Sommer - sehr viel stärker gepulst. Wir sehen es auch dieses Jahr wieder in der Pfalz. Der Juni ist um 50 Prozent nasser als im langjährigen Durchschnitt, wobei der größte Teil des Wassers am Ende des Monats an zwei oder drei Tagen ist. Und davor war es drei Wochen lang trocken.

SWR Aktuell: Und was heißt das? Ist der Boden so ausgetrocknet, dass selbst große Mengen Regen nichts mehr bringen?

Hahn: Das ist genau die Krux. Die Wassermenge allein macht es nicht. Aber die Frage ist, in welcher Weise der Regen fällt! Und wenn Starkregen auf trockene Böden fällt, dann versickert das Wasser sehr viel weniger - die Böden sind einfach so verkrustet, dass sie nichts aufnehmen können. Der Regen fließt dann ab. Das ist genau die Situation, in der dann Hochwasser entsteht. Alles, was als Hochwasser abfließt, ist fort, und geht der Grundwasser-Neubildung verloren. Dazu kommt durch die zunehmende Wärme eine Verlängerung der Vegetationszeit und durch die höhere Temperatur steigt die Verdunstung. In der Summe landen wir dann bei einer deutlich niedrigeren Grundwasser-Neubildungsrate in Rheinland-Pfalz von 25 Prozent seit Beginn des Jahrtausends gegenüber den Zeiträumen davor. In der Oberrheinebene - vor allem in der nördlichen Oberrheinebene Richtung Mainz – sprechen wir da von bis zu 50 teilweise  80 Prozent weniger Grundwasserneubildung als vor dem Jahr 2003.

Kartoffelpflanzen stehen auf einem ausgetrockneten Feld (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

SWR Aktuell: Die Gemeinde Grünstadt hat die Bürger zum Wassersparen aufgefordert. Ist sowas aus Ihrer Sicht eine übertriebene Maßnahme oder sollten das viel mehr Kommunen diesem Beispiel folgen?

Hahn: Wasser wird ein zunehmend knapperes Gut werden und wir müssen damit entsprechend verantwortungsvoll umgehen. Das bedeutet in allererster Linie Wasser sparen, vor allem auch im privaten Bereich. Wir müssen uns klarmachen und bei jeder Tätigkeit überlegen, wie weit kann ich damit Wasser sparen - ob das jetzt im täglichen Leben ist oder auch bei der Planung von Neubaugebieten. Auch da muss dieser Wasserspar-Aspekt eine große Rolle spielen. Genauso wichtig sind Überlegungen und Konzepte, um Wasser in der Fläche zurückzuhalten. Alles, was als Hochwasser abfließt, ist weg. Wenn es mir gelingt, Wasser länger in der Fläche zu halten, dann habe ich auch eine deutlich bessere Chance, dass ein größerer Anteil des Regens auch ins Grundwasser versickert und dieses anreichert!

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SWR Aktuell: Den Stadtwerken in Grünstadt sind auch die privaten Pools ein Dorn im Auge. Ist das denn nicht auch eine große Wasserverschwendung in diesen Zeiten?

Hahn: Oh, das ist schon eine schöne Sache, wenn man so einen hat! Aber ja, das ist tatsächlich natürlich eine ganz erhebliche Wasserverschwendung. Man sieht es auch: Der Wasserverbrauch war die letzten 20 Jahre rückläufig und jetzt steigt er wieder um fünf bis zehn Prozent an. Und das ist mit einiger Wahrscheinlichkeit auch auf die Pools zurückzuführen.

"Pools - das ist tatsächlich natürlich eine ganz erhebliche Wasserverschwendung."

SWR Aktuell: Was gibt es für Maßnahmen, um das Regenwasser zurückzuhalten?

Hahn: Es gibt eine ganze Reihe von Konzepten, die teilweise auch schon umgesetzt werden, allerdings seltener bei uns. Eines davon ist eine Restrukturierung der Landschaft, also wieder Hecken zu schaffen, die Weinberg-Zeilen quer zum Hang anzulegen. Das ist nichts anderes als eine große Flurbereinigung.

SWR Aktuell: Was sind die Vorteile?

Hahn: Das bietet den Flurbereinigungsbehörden tatsächlich auch die Möglichkeit, das, was über 100 Jahre im Sinne des Landschaftswasserhaushaltes unglücklich gelaufen ist, wieder rückgängig zu machen. Auf der anderen Seite ist es natürlich ein Kostenfaktor. Aber letztendlich hilft es, das Wasser in der Fläche zu halten. Das Ganze sollte man gerade in steileren Lagen machen - natürlich auch ergänzt durch technische Maßnahmen wie Rückhaltebecken, die das Wasser tatsächlich stauen So kann man dieses Wasser auch für die Beregnung dann nutzen. Das ist ja jetzt ein Thema – ganz stark auch im Weinbau.

SWR Aktuell: Sie sind Experte für das ARD-Projekt #unserWasser und begleiten es wissenschaftlich. Viele Bürger melden bei der Crowd Science Aktion ausgetrocknete Bachläufe oder Flussbette – auch in der Pfalz. Ist die auch ein Hotspot für Trockenheit?

Hahn: Eine der trockensten Regionen in Deutschland ist die nördliche Oberrheinebene - von Grünstadt hoch bis nach Mainz. Ähnlich sieht es in Brandenburg, im nordöstlichen Thüringen und in Teilen Sachsen-Anhalts aus. Da gibt es viele Meldungen genau in diesen Bereichen. Klar ist, dass die kleinen Gewässer die Frühwarnsysteme in der Landschaft sind. Die reagieren zuallererst auf die Trockenheit. Und es sind die Gewässer, die von der amtlichen Wasserwirtschaft in der Regel nicht erfasst werden.

Unis Kaiserslautern und Landau (Foto: SWR, Collage: SWR)
Die Universitäten in Kaiserslautern und Landau werden zusammengelegt.

SWR Aktuell: Aber nicht nur Flüsse und Bäche trocknen aus - sondern auch der Pfälzerwald. Wie kann man den Wald schützen?

Hahn: Das ist eine Frage, mit der sich vor allem die Forstwirtschaft herumschlägt. Es ist klar, dass auch im Wald weniger Wasser vorhanden sein wird und dass die Trockenheiten länger andauern werden. Die Frage ist jetzt, ob unsere einheimischen Baumarten tatsächlich überall damit zurechtkommen. Möglicherweise ist es nur eine Generationsfrage, ob sich die nächste Generation der Bäume an trockenere Verhältnisse anpasst oder ob man tatsächlich andere Sorten nehmen muss? Wahrscheinlich ist beides der Fall.  

SWR Aktuell: Stichwort: Wassersicherheit und wie stets darum in Deutschland? Wir kennen schlimme Dürren und Trockenheit eher aus Afrika. Kann man das noch stoppen?

Hahn: Es ist fünf vor zwölf, was den Klimawandel weltweit anbelangt! Das setzt den Rahmen. Wir sehen es in Südspanien und jetzt auch in Italien, dass sich die Trockenheit zunehmend auch nach Norden fortsetzt. Allerdings gibt es gerade im Mittelgebirgsraum auch Bereiche, da wird es möglicherweise sogar nasser. In den Gebieten allerdings, für die eine zunehmende Trockenheit vorhergesagt ist, müssen wir uns tatsächlich Konzepte überlegen, wie wir damit umgehen. Wir müssen zunächst einmal den Wasserverbrauch erfassen und klären, wie viel Wasser verfügbar ist. Und auf dieser Grundlage muss man schauen, wer wie viel Wasser kriegt. Das ist eine heikle Frage, aber man wird da wohl in vielen Gegenden nicht drumherum kommen.

Das Interview führte Panja Schollbach

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