Ein Teilnehmer beim Test der aktuellen Versions des Wahl-O-Mats der Bundeszentrale für politische Bildung trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "Willst du mit mir wählen gehen?

Kommunalwahl und Europawahl am 9. Juni 

Wie ticken Erstwählerinnen und Erstwähler in RLP?  

Stand

Am 9. Juni heißt es für viele junge Leute: zum ersten Mal wählen. Bei der Europawahl geht das ab 16 Jahren, bei der Kommunalwahl in RLP bleibt es beim Wahlalter von 18. Wie ticken junge Erstwähler und Erstwählerinnen?  

Das erste Mal an der Wahlurne: Für viele Menschen war das ein prägendes Ereignis. So auch für Dr. Folkert Schmidt, Lehrer an der Berufsbildenden Schule 3 (BBS 3) in Mainz: "Ich fand das schon sehr aufregend, da erstmals meine Stimme abgeben zu dürfen."

Und auch Claudia Ritzi, Professorin für Politikwissenschaften an der Uni Trier, erinnert sich an ihr erstes Kreuzchen, dass sie bei einer Wahl setzen durfte. "Was ich gewählt habe, weiß ich und das war auch gar nicht so untypisch." Ob sie heute auch wieder so wählen würde? "Da würde ich jetzt nicht meine Hand für ins Feuer legen", sagt sie.  

RLP

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"Das erste Mal hat schon eine Bedeutung"

Aus Befragungen wisse man, dass junge Erwachsene Wert auf ihr Recht legen, wählen zu dürfen, erklärt Ritzi. "Wir sehen auch, dass die Wahlbeteiligung höher ist, als typischerweise in den 20ern. Also das erste Mal hat schon eine Bedeutung."  

Folkert Schmidt unterrichtet an der BBS 3 in Mainz junge Erstwähler und Erstwählerinnen in Sozialkunde und Betriebswirtschaftslehre. "Ich habe schon den Eindruck, dass sie eine gewisse Verantwortung spüren", berichtet er aus seinem Schulalltag. Die jungen Leute bemerkten teilweise, dass sie mit ihrer Entscheidung beeinflussen könnten, dass ein Thema in ihrem Sinne unterstützt werde.  

Generell zu sagen, dass die alle keinen Bock auf Politik haben, das ist nicht richtig.

Erstwähler: Politikverdrossen oder doch interessiert? 

Von einer allgemeinen Politikverdrossenheit unter jungen Erwachsenen und Jugendlichen könne man somit nicht sprechen, erklärt Politikwissenschaftlerin Ritzi. Mit Blick auf die Parteien gebe es eine gewisse Skepsis - das sei aber kein Verhalten, das nur junge Wählerinnen und Wähler aufzeigten. "Aber generell zu sagen, dass die alle keinen Bock auf Politik haben, das ist nicht richtig", sagt Ritzi. 

Politikverdrossenheit kann auch Schmidt bei seinen Schülerinnen und Schülern nicht erkennen. Er habe eher den Eindruck, dass sie "noch unorientiert" seien.

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Junge Leute orientieren sich mehr an Themen als an Parteien 

"Sie wissen, was sie interessiert, können das aber keiner Partei zuordnen", so Schmidt. Seine Berufsschülerinnen und -schüler beschäftigten sich etwa mit Arbeitszeitmodellen und Arbeitszeitregulierung, berichtet der Lehrer. "Sie merken am eigenen Leib, dass sie aufgrund des hohen Fachkräftemangels, den sie auch teilweise in ihren Unternehmen spüren, stark gefordert werden."

Gleichzeitig verstünden die Schülerinnen und Schüler sehr wohl, was bei der Kommunalwahl gewählt werde - teilweise auch durch den beruflichen Hintergrund, da einige eine Ausbildung in einer Verwaltung absolvierten und somit Kommunalpolitik im Arbeitsalltag erleben könnten.     

Schmidt stellt zudem fest, dass die Themen, für die sich die jungen Leute interessieren, oft wechseln. "Das ändert sich natürlich je nach Nachrichtenlage stark." Auch Wissenschaftlerin Ritzi bestätigt: "Junge Erwachsene haben oft ein themenspezifisches Interesse."

So können Politiker junge Wähler für sich gewinnen

Die Politikwissenschaftlerin rät den Kandidierenden und den Parteien bei der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz deshalb: "Dass sie klarmachen, für welche Themen sie stehen." Und, dass kommunale Politik den Alltag der jungen Leute unmittelbar berühre. Etwa bei der Frage: "Wie geht es weiter mit städtischen Schwimmbädern?" Kommunalpolitiker hätten den Vorteil, dass ihre Arbeit greifbar sei. Beispielsweise auch, wenn über Freizeitangebote und deren Finanzierung entschieden werde.

Bislang gelinge es Kommunalpolitikerinnen und -politikern "zu selten oder häufig nicht", klar zu machen, für welche Themen sie stehen, so Ritzi. Der Grund sei, dass sie keine Verbindung zu den jungen Leuten hätten.

Als Beispiel nennt die Politikwissenschaftlerin die Erfolge der Piratenpartei vor einigen Jahren. "Die hatten ja eine dezidiert junge Wählerschaft, weil so viele junge Erwachsene den Eindruck hatten, diese netzpolitischen Themen, die werden von den anderen Parteien nicht hinreichend bearbeitet, die sind aber wichtig für uns."

Erstwähler beziehen Infos zunehmend über soziale Netzwerke

Während für ältere Erwachsene das Fernsehen weiterhin eine wichtige Quelle ist, um sich politisch zu informieren, holen sich junge Leute ihre Infos zunehmend aus sozialen Netzwerken. "Bei den Jüngeren gilt eben, dass soziale Medien auch als politische Informationsquelle wichtig sind", sagt Ritzi.

Lehrer Schmidt sieht hier allerdings ein Problem. Er hat bei seinen Schülerinnen und Schülern den Eindruck: "Sie bekommen relativ wenig mit von dem, was in der Welt passiert." Denn: "Über die sozialen Kanäle werden in der Regel Meinungen transportiert und keine Fakten, keine Nachrichten." Schmidt berichtet, dass er sich deshalb freue, wenn der ein oder andere davon erzähle, bei Instagram die Kanäle der Tagesschau zu nutzen.

Politik muss junge Leute bei Social Media abholen

Für Politikwissenschaftlerin Ritzi ist klar, dass die Parteien und Kandidierenden in Rheinland-Pfalz auf den Social Media Kanälen präsenter sein müssen, um Erstwähler zu erreichen. Das sei auch an den Erfolgen der AfD abzulesen, "die sehr früh diese Lücke erkannt hat". Bei der letzten Bundestagswahl habe sich die FDP "das sehr gut abgeguckt" und sei völlig unerwartet auf einmal die stärkste Kraft unter den Erstwählern gewesen. "So gesehen, ist Olaf Scholz auf TikTok schon gut aufgehoben", meint die Wissenschaftlerin. Der Bundeskanzler hat dort seit einigen Wochen einen eigenen Account.

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