Sicherheit geht vor: Rucksäcke hängen in einer Kita an einer Garderobe (Foto: dpa Bildfunk, dpa-Zentralbild | Christian Bark)

Unfalltod eines Kindes im Rhein-Pfalz-Kreis

Wie Sicherheit und Aufsichtspflicht in Kitas in RLP geregelt sind

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Fabian Müller
Bild von Fabian Müller (Foto: Nina Heinl)

Wie wird die Aufsichtspflicht in Kindertageseinrichtungen geregelt? Wer haftet bei Unfällen? Und welche Fälle gab es in der Vergangenheit? Antworten auf diese Fragen gibt unser FAQ.

In einer Kita in Limburgerhof (Rhein-Pfalz-Kreis) kam vergangene Woche ein vierjähriges Mädchen bei einem tragischen Unfall ums Leben. Laut Obduktionsergebnis hatte sich das Kind beim Spielen im Außenbereich der Kita selbst stranguliert.

Die Ermittlungen der Polizei dauern laut Staatsanwaltschaft Frankenthal an. Es geht unter anderem um die Frage, ob die Aufsichtspflicht verletzt wurde. Hintergrund: Die Hersteller des Spielgeräts, mit dem sich das Kind erwürgte, warnen ausdrücklich vor einer Strangulationsgefahr und empfehlen, das Spielzeug nur unter Aufsicht Erwachsener zu benutzen. Aber wie sehen eigentlich die gesetzlichen Regelungen bei Aufsichtspflicht und Sicherheit in rheinland-pfälzischen Kitas aus?

Wie ist die Aufsichtspflicht in einer Kita geregelt?

Die Aufgaben einer Kita regeln das Landesgesetz über die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (KiTaG) sowie das Achte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII). Den Begriff der Aufsichtspflicht sucht man darin aber vergeblich. Er ist vielmehr ein sogenannter "unbestimmter Rechtsbegriff", der für jede Situation neu mit Inhalt befüllt werden muss.

Nach Paragraph 1631 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) liegt die Aufsichtspflicht bei den "Personensorgeberechtigten", in der Regel also bei den Eltern. Wenn diese ihr Kind in der Kita anmelden, geht die Aufsichtspflicht durch den Betreuungs- oder Aufnahmevertrag auf den Kita-Träger über. Dieser überträgt sie mittels eines Arbeitsvertrags auf Leitung und Mitarbeitende der Kita.

Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen die Entwicklung des Kindes zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern.

Der Kita-Träger ist verpflichtet, jederzeit für ausreichend Aufsichtspersonal zu sorgen und dieses sorgfältig nach bestimmten Kriterien auszuwählen. Was "ausreichend" bedeutet, regelt das Gesetz allerdings nicht. Der Entscheidung darüber, wie viele und welche Personen die Aufsichtspflicht führen, muss immer eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung durch Kita-Leitung und -Träger vorausgehen. Eine 24/7-Überwachung der Kinder sei nicht möglich und pädagogisch auch nicht wünschenswert, sagt eine Kita-Fachkraft im Gespräch mit dem SWR.

Die Aufsichtspflicht der Kita beginnt mit der Übernahme der Kinder zu Beginn der Öffnungszeiten und endet mit der Übergabe an die abholberechtigten Personen beim Verlassen der Einrichtung. Für Hin- und Heimweg hat die Kita keine Aufsichtspflicht.

Dürfen Kinder beim Spielen in der Kita allein gelassen werden?

Hier gilt ein "Ja, aber": Laut eines gemeinsamen Informationsblatts des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums, des Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung sowie der Unfallkasse Rheinland-Pfalz können sich Kinder grundsätzlich allein in Innenräumen oder auf dem Außengelände aufhalten.

Voraussetzung dafür ist, dass der Raum oder das Außengelände sicher gestaltet ist und den Kindern die Regeln für den Aufenthalt allein bekannt sind. Das trifft vor allem auf Kinder mit mehrjähriger Kita-Erfahrung zu. Kita-Mitarbeitende müssen dafür immer die Situation im Einzelfall abwägen und einschätzen. Ähnliches gilt auch, wenn die Kinder schlafen: In welchem zeitlichen Abstand nach ihnen zu schauen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht sind unter anderem abhängig von Faktoren wie dem Alter der zu betreuenden Kinder, ihrer Person und ihrem Gruppenverhalten, der Gruppengröße, der Art der Beschäftigung und den räumlichen Gegebenheiten.

Wie wird die Sicherheit von Kita-Materialien geprüft?

Über Kataloge bestimmter Hersteller können Kitas Möbel und Spielgeräte für die Einrichtung bestellen. Die darin aufgeführten Produkte entsprechen hohen Sicherheitsstandards und wurden in der Regel bereits geprüft sowie entsprechend zertifiziert.

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Nach den Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung liegt es in der Verantwortung der Kita (sowie bei öffentlichen Spielplätzen des jeweiligen Betreibers), die Gerätschaften regelmäßig zu überprüfen, zu warten und in Stand zu halten. Einfache Funktions- und Sicherheitskontrollen sollten regelmäßig stattfinden und können durch die Kita-Mitarbeitenden durchgeführt werden. Einmal im Jahr sieht das Regelwerk eine Hauptuntersuchung vor, für die zertifizierte Sachkundige herangezogen werden müssen. Diese Inspektion muss auch dokumentiert werden.

Wie steht es um den Versicherungsschutz für Kinder und Beschäftigte?

Beschäftigte in kommunalen Kindertageseinrichtungen - Kitas, Krippen und Horte mit einer Betriebserlaubnis nach SGB VIII sowie anerkannte Tagesmütter und -väter - sind ebenso wie die betreuten Kinder über die Unfallkasse Rheinland-Pfalz gesetzlich versichert. Das gilt auch für Kinder in Kitas in kirchlicher Trägerschaft. Das Personal in solchen Kitas ist über die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege versichert.

Finanziert wird die Unfallkasse RLP über Mitgliedsbeiträge, beispielsweise vom Land, den Kommunen und den Sparkassen. Dafür übernimmt sie bei Unfällen die Haftpflicht, darunter auch Leistungen im Todesfall.

Gibt es Fälle, in denen Kita-Mitarbeitende angeklagt wurden?

2017 hatte ein Dreijähriger unbemerkt seine Kita in Bad Breisig (Kreis Ahrweiler) verlassen und war in einem Gartenteich auf dem Nachbargrundstück ertrunken. Er war über einen Personalflur ausgebüxt, der als Fluchtweg unverschlossen bleiben musste. Die Leiterin der Kita wurde 2019 vom Amtsgericht Sinzig der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen für schuldig befunden, weil sie an übergeordneter Stelle auf eine Änderung der Fluchtwegsituation habe drängen müssen. Sie wurde zu drei Monaten Haft verurteilt, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung.

Noch weiter zurück liegt ein tödlicher Unglücksfall in Sponheim (Kreis Bad Kreuznach). 2010 war dort eine Sechsjährige bei einem Kindergartenausflug von einem Baumstamm zerquetscht worden, weitere Kinder wurden verletzt. Zwei Erzieherinnen wurden wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.

In Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) war 2021 ein Zweijähriger in einem Etagenbett einer Kita erstickt. Den Ermittlungen zufolge hatte er eine schwere Bodenplatte des darüberliegenden Bettes hochgedrückt und seinen Kopf durch die Lücke gesteckt. Zwei selbstständige Tagesmütter, die zum Zeitpunkt des Unglücks im Dienst waren, wurden 2023 vor Gericht freigesprochen. Die Erzieherinnen seien nicht verpflichtet gewesen, ständig über den Schlaf des Zweijährigen zu wachen.

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