Interview mit Markus Linden zu "Alternativer Buchmesse"

Experte: „Verblüfft, wie offen man sich mit rechtsextremistischen Strukturen zeigt“

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INTERVIEW
Sascha Becker

Warum man die "Rechtsalternative Buchmesse", die am Samstag in Mainz im "Zentrum Rheinhessen" stattfand, mehr als kritisch sehen sollte: Markus Linden, Politikwissenschaftler an der Uni Trier, ordnet die Veranstaltung, den Veranstaltungsort und seine Besucher im Interview mit SWR Aktuell ein.

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Das "Zentrum Rheinhessen" ist ein Vernetzungsort und kein demokratischer Ort für offenen Meinungsaustausch, erklärt Politikwissenschaftler und Rechtsextremismus-Experte Markus Linden im Interview. Das zeige sich an den Gästen, den Veranstaltungen und ihrer Bewerbung in rechten Netzwerken, so der Wissenschaftler der Uni Trier anlässlich der "Alternativen Buchmesse" in Mainz.

SWR Aktuell: Herr Linden, auf der einen Seite hat der Verfassungsschutz das "Zentrum Rheinhessen" im Auge, auf der anderen Seite sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete Münzenmaier, das ist ein demokratischer Ort, offener Meinungsaustausch werde gepflegt. Wie beurteilen Sie das "Zentrum"?

Markus Linden: Da ist Münzenmaier nicht sehr glaubwürdig, denn dieser Ort ist explizit angekündigt auf rechten Netzwerken als Vernetzungsort innerhalb der "Neuen Rechten" mit dem Rechtsextremismus bis hin zu Strukturen der Identitären Bewegung. Man muss sich nur die Gästeliste anschauen in der Vergangenheit. Wenn dort Reinhild Boßdorf auftritt, das ist eine Akteurin der Identitären Bewegung, dann ist das ein rechtsextremes Zentrum.

Das sind offen neofaschistische Strukturen.

SWR Aktuell: Und was die Verlage und Autoren auf dieser Buchmesse am Samstag in Mainz angeht, wie sind die einzuordnen?

Linden: Es hat mich schon verblüfft, wie offen man sich mit rechtsextremistischen Strukturen zeigt. Michael Schäfer hat da gesprochen, das ist ein ehemaliger Kader der NPD. Ilja Rifkin, das ist ein Vertreter des Putinismus, also des neuen russischen Totalitarismus in Deutschland, ganz offen auch mit Vertretern des Instituts für Staatspolitik oder mit Benedikt Kaiser, einem sogenannten Rechtsintellektuellen, der ebenfalls aus dem Neonazi-Milieu stammt.

Das ist offener Rechtsextremismus, der überhaupt nicht per Camouflage verdeckt wird. Das sind offen neofaschistische Strukturen.

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SWR Aktuell: Was heißt denn das alles für die politische Großwetterlage gerade? Die AfD eilt von Umfragehoch zu Umfragehoch. Ist das dann noch Protest, oder ist es - wenn man das sieht, was Sie gerade analysiert haben - ist es ein handfester Rechtsruck in Deutschland?

Linden: Nun, es ist Protest, aber bei einem Teil der Wählerschaft auch Überzeugung, und diese Überzeugung darf auf jeden Fall nicht dadurch genährt werden, dass etablierte Akteure die Narrative der Rechten übernehmen, das heißt in die Sprache des Rechtsextremismus verfallen. Die Gefahr konnte man schon sehen bei einigen Äußerungen etwa von Herrn Aiwanger oder von Herrn Merz.

Ich glaube aber, dass im Endeffekt die moderaten Kräfte hier dann die Oberhand behalten werden. Das sieht man zum Beispiel am Wahlsieg von Boris Rhein in Hessen. Das war der wahre Wahlsieger und der tritt sehr moderat auf.

SWR Aktuell: Also kein Rechtsruck?

Linden: Es gibt einen Rechtsruck, in der Bevölkerung möglicherweise auch. Aber es wird entscheidend sein, ob die Kräfte im Konservatismus dem entgegenstehen und der Versuchung widerstehen, mit Rechtsextremisten in irgendeiner Form zu paktieren. Und da sehe ich doch, dass die Linie von Herrn Wüst sich in der Union durchsetzen wird.

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