Lehrgang zur Unterstützung der Postboten beim Umgang mit Hunden (Foto: IMAGO, IMAGO / Funke Foto Services)

Fast 1.800 Hundebisse bundesweit

Wenn Hunde Postboten beißen - immer wieder Fälle auch in RLP

Stand

Wenn der Postmann nicht mehr klingelt - kann es am Hund liegen. Auch in Rheinland-Pfalz gibt es immer mal wieder Vorfälle mit Hundebissen - bundesweit waren es 2023 1.747.

"Das hat er aber noch nie gemacht!" Diesen Satz kennt Natascha Ortseifen gut. Eineinhalb Jahre hat sie Post im Bereich Koblenz zugestellt und ist verschiedenen Hunden begegnet:

"Zehn Minuten später noch Herzrasen"

"Ich erinnere mich an eine Situation auf einem Aussiedlerhof. Ich musste für den Ablageort den Hof betreten. Es kam kein Hund. Und es war auch keiner zu Hause. Als ich das Paket ablegen wollte, wurde ich dann aber doch von einem Hund überrascht und verfolgt", erzählt die ehemalige Postbotin.

"Es war ein großer Schäferhund, ich hatte Glück, dass ich nicht gebissen wurde. Da habe ich zehn Minuten später auch noch ziemliches Herzrasen gehabt." Heute ist Ortseifen Sachbearbeiterin bei der Deutschen Post/DHL in Koblenz und unter anderem für den Arbeitsschutz zuständig.

Ihr ist aufgefallen, dass Hunde oft schon auf das Postauto reagieren - auf das Geräusch des Autos. "Ist es jetzt das Auto vom Besitzer oder ist es ein anderes Auto? Wir haben zum Beispiel Verbrenner in der Zustellung, aber auch unsere E-Fahrzeuge und die Hunde merken da den Unterschied, die hören die Bremsen und reagieren tatsächlich schon auf das Fahrzeug an sich", sagte sie.

"Horrorfaktor, wenn Briefkasten hinter dem Haus ist"

Eine Zustellerin aus Rheinland-Pfalz, die gerne anonym bleiben möchte, hatte Pech, und wurde sogar schon mehrfach von Hunden gebissen. Sie sagt, sie habe generell Angst vor Hunden. Einmal sei die Haustür offen gewesen und eine ältere Dame gerade im Garten. "Ich hab gesagt: Guten Morgen! Hier ist die Post! Ich lege sie gerade auf die Treppe. Und in dem Moment schießt da ein Hund raus! Ich hatte gar keine Chance, ich wusste nicht mal, dass es einen Hund gibt! Der hat mir direkt ins Bein gebissen", erzählt sie.

Es habe Jahrzehnte gebraucht, bis sie wieder vorbehaltlos auf einen Hund zugehen konnte, sagt sie: "Für mich ist schon der Horrorfaktor, wenn der Briefkasten oder die Haustür hinter dem Haus sind und ich nicht weiß, was erwartet mich, da klopft mir schon das Herz."

Ein weiteres Mal erwischte sie ein Hund von hinten - sie war gerade aus dem Postauto ausgestiegen, um ein Paket herauszuholen. Zwei Hunde hatten sich vom Besitzer losgerissen und einer davon biss sie direkt ins Bein.

Ihren Job mache sie weiter, wie gewohnt, sagt sie. Aber sie habe nach den Vorfällen noch mehr Angst. Zum Glück habe sie nette Kundinnen und Kunden, die das wüssten und auf sie aufpassten.

Manchmal wechseln Postboten wegen eines Hundes den Bezirk

Heinz-Jürgen Thomeczek, Pressesprecher bei der DHL-Group, sagt, manchmal wollten oder müssten Zusteller oder Zustellerinnen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, in einen anderen Bezirk, wo sie gar nicht in Kontakt mit Hunden kommen.

Das könne zum Beispiel dann der Fall sein, wenn jemand schwerer verletzt wurde. "Wenn Sie einen kleinen Finger verlieren, das haben wir alles erlebt, da haben Sie auch jegliches Vertrauen zu einem Hund verloren", so Thomeczek. Da helfe man den Zustellern und Zustellerinnen.

Hundebesitzer und -besitzerinnen, die problematische Hunde haben, werden von der Post kontaktiert. Sie werden zum Beispiel gebeten, ihren Briefkasten woanders aufzuhängen, damit die Mitarbeitenden nicht direkt auf das Grundstück müssen.

"Also, das sind so Möglichkeiten, die wir haben oder zum Beispiel ein Postfach anbieten, dass dann der- oder diejenige seine Sendung im Postfach abholt", so Thomeczek. Falls alles nicht helfe, gebe es auch noch die Möglichkeit, den rechtlichen Schritt zu gehen und den Kunden oder die Kundin von der Zustellung auszunehmen. Aber das komme wirklich selten vor.

Wie hilfreich sind Leckerlis?

Sollte man als Postbote oder Postbotin Pfefferspray oder Leckerli dabei haben? Natascha Ortseifen sagt: "Beides nicht, ich weiß von ein paar Kollegen die Leckerlis dabei haben, aber wir raten natürlich immer davon ab.

Die Hunde sind natürlich sehr zahm, wenn man ein Leckerli hat. Sie erwarten das dann aber auch. Und die Vertreter oder Vertreterinnen, die dann vielleicht kein Leckerli dabei haben und auch Angst vor Hunden, denen wird tatsächlich dann auch aggressiver begegnet, wenn sie ohne Leckerli kommen", so Ortseifen.

"Ein Hund, der wirklich aggressiv ist oder Angst hat, kann physikalisch keine Leckerlis aufnehmen"

Raphael Klatt, Hundetrainer aus Speyer, ist nicht generell gegen Leckerli. Er sagt, ein Hund, der ein Leckerli nehme, habe allerdings auch keinen großen Stress. Mit Leckerli überzeuge man vielleicht einen leicht unsicheren Hund, der so ein bisschen Stress habe - etwa fünf bis zehn Prozent Stress.

Bei Hunden mit viel Stress helfe auch kein Leckerli. Dann setze die Verdauung aus. "Ein Hund, der wirklich aggressiv ist oder Angst hat, kann physikalisch keine Leckerlis aufnehmen", so Klatt. Das sei genauso wie bei uns Menschen - dann habe der Hund auch keinen Hunger oder Appetit.

Pfefferspray nur als Mutmacher

Klatt rät allerdings als Trick zum Pfefferspray: "Das hat man dabei, aber benutzt es nicht. Wenn Sie wissen, Sie haben was, dann haben Sie nicht so viel Angst. Der Hund riecht dann, dass Sie keine Angst haben und reagiert anders - sozusagen Pfefferspray nur als Mutmacher in der Tasche."

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Umgang mit Hunden: Seminare für Postboten und Postbotinnen

Die Deutsche Post/DHL bietet für Mitarbeitende auch Seminare für den Umgang mit Hunden an. Natascha Ortseifen hat auch schon bei so einem Workshop mitgemacht.

"Wir haben die Möglichkeit, bei uns in Kooperation mit einem Hundetrainer so ein Training zu veranstalten. Das ist sowohl für neue Mitarbeiter als auch für unsichere und solche, die schon gebissen wurden. Wir können dann den Hundetrainer zu uns einladen."

Hundetraining für Postzusteller (Foto: IMAGO, IMAGO / Funke Foto Services)
Ein Seminar, bei dem ein Trainingshund das Paket angreift.

Das Seminar gehe so ungefähr zwei Stunden, mit Praxis und Theorie, sagt sie. Der Trainer bringe seinen Schäferhund mit. "Und er hat so eine Vorrichtung, so einen Schutz für den Arm aus Leder, wo der Hund dann tatsächlich auch an den Arm springt, damit man die geballte Kraft vom Hund mitbekommt."

Die Postgewerkschaft DPVKOM hält diese Workshops für unverzichtbar. Sprecher Maik Brandenburger sagt: "Die Post sollte feste Schulungstermine für ihre Zustellerinnen und Zusteller anbieten, bei denen das richtige Verhalten gegenüber Hunden trainiert wird." Die Fachgewerkschaft helfe ihren Mitgliedern, wenn es zum Beispiel um die Durchsetzung von Schmerzensgeld aufgrund eines Hundebisses gehe.

Grundsätzliche Verantwortung liegt bei Hundehaltern

1.747 Vorfälle mit Hundebissen bei Postmitarbeitenden bundesweit im vergangenen Jahr - auf die einzelnen Bundesländer gerechnet, scheint das nicht so viel. "Aber jeder Hundebiss ist einer zu viel", so Sprecher Thomeczek. Die Verantwortung liege grundsätzlich bei den Haltern und Halterinnen der Tiere. Landesweite Zahlen legt die DHL-Group nicht vor.

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SWR