Einerseits ist da Frank Darstein, 65, Hotelier aus Altrip im Rhein-Pfalz-Kreis. Sein Leben lang hat er gearbeitet, sich hochgearbeitet. Für den Selbständigen waren Sechs-Tage-Wochen und 60 Wochenstunden völlig normal. Einen Wandel in der Arbeitswelt lehnt er ab.
Work-Life-Balance hält Darstein für "nichts anderes als Egoismus". Dieser gefährde den Wohlstand. Junge Menschen müssten "mehr arbeiten". Weiter sagt er:
Andererseits ist da Tidi von Tiedemann, Mittfünfziger, Geschäftsführer von Kontrastfilm aus Mainz. Er ist offen: für Teilzeit, flexible Arbeitszeiten und auch die Vier-Tage-Woche.
Er achtet auf die Work-Life-Balance, bei sich selbst, aber vor allem bei seinen Leuten. Seine Überzeugung: Zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind produktiver. Er sagt:
Viele Vorurteile über die Generation Z
Worüber beide sprechen, ist etwas, worüber zurzeit sehr viele reden: Die sogenannte Generation Z. Kein Bock auf Arbeit, verwöhnt, faul und zu fordernd: Um die zwischen 1995 und 2010 Geborenen ranken sich viele Vorurteile.
Nicht arbeiten wollen? Das kommt für Lea Poos, 23, und Julian Daske, 26, überhaupt nicht infrage. Beide wollen arbeiten. Beide betonen: Sie arbeiten gerne. Beide gehören zur Generation Z. Lea Poos arbeitet als Werksstudentin für Tidi von Tiedemanns Filmproduktionsfirma, Julian Daske als dualer Tourismusmanagement-Student für Frank Darsteins Hotel.
Daske gibt sich mit dem Ist-Zustand zufrieden: 40-Stunden-Woche und auch mal mehr seien für ihn völlig in Ordnung. Mehr Freizeit? Brauche er nicht. "Ich wüsste gar nicht, was ich damit anfangen soll." Auch Arbeitszeitmodellen wie der Vier-Tage-Woche steht er kritisch gegenüber. Wie solle das in Branchen wie dem Handwerk funktionieren? "Wer baut am fünften Tag die Mauer weiter?", hinterfragt der 26-Jährige. Seine Meinung:
Lea Poos ist da anders eingestellt. Sie verkörpert vor allem ein Vorurteil über die GenZ: fordernd zu sein in Bezug auf Arbeitszeiten. Ein 9-to-5-Job, 40 Stunden pro Woche plus Überstunden, das wäre nichts für sie. Sie schätzt die Flexibilität und den Ausgleich: genügend Zeit für Sport, Familie und Freunde außerhalb des Jobs. Arbeiten will sie aber auch, nur eben anders. "Ich genieße meine Arbeit mehr, wenn ich auch genug Zeit habe für die anderen Dinge", sagt die 23-Jährige. Im Zweifel würde sie eine gesunde Work-Life-Balance sogar einer besseren Vergütung vorziehen.
Sie stamme aus einer Arbeiterfamilie. Ihre Eltern seien aber froh, dass sie es nun besser habe. "Wir haben natürlich der Generation vor uns viel zu verdanken, dass sie immer bereit waren, hart zu arbeiten. Das heißt aber nicht, dass wir jetzt weniger bereit dazu sind", sagt Poos. Und ebenso wenig, dass man keine Verbesserungen fordern dürfe. Ihre Ansicht:
Sie weiß, dass Forderungen nach Flexibilität und kürzeren Arbeitszeiten "Luxus" seien - einen, den ihre Elterngeneration nicht hatte. Aus Gründen, vor allem größerer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, habe sich diese "nicht getraut", ähnliche Forderungen zu stellen.
Sie weiß auch, wie die meisten der Jungen, die gerade auf den Arbeitsmarkt drängen: Die gute Lage hier verbessert ihre Verhandlungsposition. Denn die ist günstig für die GenZ, vor allem bedingt durch den demografischen Wandel und das Ausscheiden zahlreicher Babyboomer aus dem Berufsleben in den kommenden Jahren.
IHK: 500.000 fehlende Fachkräfte in RLP bis 2035
Bis 2035 werden allein Rheinland-Pfalz 500.000 Fachkräfte fehlen, prognostiziert die IHK-Rheinhessen-Geschäftsführerin Lisa Haus. Unternehmen im Land beschäftigten sich deshalb zunehmend mit NewWork, also neuen Arbeitsmodellen - um sich attraktiv für neue Mitarbeiter zu machen. Nach Ansicht von Lisa Haus könne die GenZ mit ihren Einstellungen zu Nachhaltigkeit, Innovation, aber auch dem Hinterfragen der Sinnhaftigkeit von Arbeit eine Chance sein - auch für den Wohlstand: "Die Generation bietet heutzutage sehr, sehr viele Vorteile für sich wandelnde Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse."
Hotelier Darstein: "Arbeit mittlerweile ein Schimpfwort"
Viele der Aspekte von NewWork seien bei ihm nicht praktikabel, sagt Hotelier Darstein. Vier-Tage-Woche oder Home Office? Diese Benefits gibt es bei ihm nicht. "Weil, wenn der Gast zur Tür reinkommt, möchte er bedient werden und das geht nicht über einen Laptop." Forderungen nach mehr Work-Life-Balance und mehr Freizeit sieht Darstein nicht als Teil der Lösung, sondern des Problems. Ihm fehle dann Arbeitskraft.
Er sieht eine grundsätzliche Schieflage: "Arbeit ist ja mittlerweile ein Schimpfwort." Vor allem nachts, an Wochenenden oder Feiertagen zu arbeiten, ist seiner Ansicht nach zunehmend verpönt. Darstein hinterfragt:
Nur zu sagen "ich mache das nicht", bringe niemanden weiter. "Wenn wir das alle machen, dann sitzen wir tatsächlich im Kalten und im Dunkeln."
Filmproduzent von Tiedemann sieht Chancen von Work-Life-Balance
Filmproduzent von Tiedemann betrachtet die Dinge aus einer anderen Perspektive: Gerade in Flexibilität und Work-Life-Balance sieht er Chancen, auch um dem Problem Personalmangel entgegenzuwirken.
Seine Philosophie fahre er schon länger, sagt er - und damit offenbar ziemlich gut. Regelmäßig bekomme er deutlich mehr Bewerbungen, als er Stellen zu vergeben habe. Dass Forderungen nach anderen Arbeitsbedingungen den Wohlstand gefährden? Nein, sagt von Tiedemann. Er ist vom Gegenteil überzeugt: