Judenfeindlichkeit in Deutschland

Zentralratspräsident Schuster: Kein Generalverdacht gegen Palästinenser

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Alfred Schmit

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat sich trotz israelfeindlicher Demonstrationen dagegen ausgesprochen, Palästinenser unter einen Generalverdacht zu stellen. Schuster forderte die Bundesländer auf, mehr in Bildung gegen Antisemitismus zu investieren. Kein Kind würde geboren mit einer antisemitischen Haltung. Angesichts der angespannten Sicherheitslage auch in Deutschland wegen der Entwicklung in Nahost, merkte Schuster an, die deutschen Behörden täten das Nötige.

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Als Beispiel dafür, wie mit mehr Bildung mehr gegen Antisemitismus getan werden kann, nennt Josef Schuster gerne einen neu eingerichteten Studiengang der Uni Würzburg: Dieser Zusatzstudiengang "Antisemitismus-kritische Bildung" für Lehrerinnen und Lehrer sollte nach Ansicht Schusters auch an anderen Universitäten eingerichtet werden. In den 16 Kultusministerien der Länder sollte in dieser Hinsicht mehr getan werden, sagt Schuster: "Auf die Frage, was sich gegen Antisemitismus tun lässt, habe ich immer drei Antworten: Bildung, Bildung, Bildung".

Niemals Generalverdacht gegen Palästinenser

Auf die Frage, wie Palästinenser ihre Sorge vor israelischen Luftangriffen zum Ausdruck bringen können, antwortet Schuster sehr klar: Es müsse gesichert sein, "dass es bei solchen Demonstrationen nicht zu antisemitischen, judenfeindlichen Äußerungen kommt, oder auch Äußerungen, die das Existenzrecht Israels infrage stellen. Das ist leider bei fast allen dieser Demonstrationen so nicht der Fall". Schuster legt Wert auf die Feststellung, dass er zwar für solche Fälle gefordert habe, dass dann Sicherheitsbehörden einschreiten sollten – doch er habe in keiner Veröffentlichung jemals zu Gewalttaten gegen Palästinenser aufgerufen und auch nicht zu Gewalttaten gegen Demonstranten. Es könne niemals so etwas wie einen Generalverdacht gegen Palästinenser geben, so Schuster.

Deutsche Justiz: "…früher auf dem rechten Auge blind, heute nur noch Sehschwäche"

Die Zahl antisemitischer Übergriffe und Straftaten in Deutschland ist nach dem Ergebnis einiger Studien im Lauf der jüngsten Zeit gestiegen. Auf die Frage, ob deutsche Behörden solche Taten auch ausreichend verfolgen und sanktionieren, äußert Schuster eine persönliche Langzeitbeobachtung: "Früher habe ich immer gesagt, die Justiz ist auf dem rechten Auge blind – das würde ich nicht sagen. Aber eine Sehschwäche auf dem rechten Auge, die ist noch da, finde ich." Ob dies ein Trend ist, den er begrüßt? Ja, sagt Schuster, manche Bundesländer hätten nun Antisemitismus-Beauftragte bei der Justiz. Denen sei es offenbar gelungen, auch bei Kollegen "den Blick zu schärfen und diese Sehschwäche zu verbessern", so Schuster.

SWR-Korrespondent Alfred Schmit sitzt neben Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschaland im ARD-Hauptstadtstudio. (Foto: SWR)
SWR-Korrespondent Alfred Schmit und Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschaland.

Betätigungsverbot für Hamas-Vereine in Deutschland: "Besser spät als nie"

In seiner Regierungserklärung vom 12. Oktober hat Bundeskanzler Olaf Scholz ein Betätigungsverbot für Hamas-Vereine in Deutschland angekündigt. Auch für verschiedene andere palästinensische Organisationen. Schuster begrüßt diese Ankündigung: "Es hat sehr lange gedauert, aber besser spät als nie." Es sei schließlich keine neue Erkenntnis, "dass Hamas eine Terror-Organisation ist". Es gehe jetzt darum, entsprechende Organisationen tatsächlich zu verbieten, aber auch darauf zu achten, welche weiteren möglicherweise noch nicht im Blick der Behörden sind.

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Alfred Schmit