Start zum Jupiter: Die ESA-Sonde "JUICE"

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AUTOR/IN
Uwe Gradwohl

Gibt es weiteres Leben in unserem Sonnensystem? Die Europäische Raumfahrtagentur ESA geht dieser Frage mit einer neuen Mission nach.
Die Jupiter-Sonde "JUICE" soll heute, nach Jahren der Vorbereitung, mit einer Ariane 5-Rakete ins All starten - vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana aus. JUICE ist die Abkürzung für „Jupiter Icy Moons Explorer“. Klappt alles, wird das Gerät ab 2031 den Gasriesen Jupiter erforschen. Was die ESA dort und auf den drei großen Eismonden Ganymed, Kallisto und Europa herausfinden will, erklärt SWR-Raumfahrtexperte Uwe Gradwohl im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch.

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SWR: Jupiter ist der Gigant unter den Planeten in unserem Sonnensystem. Mindestens 92 Monde umkreisen ihn. Warum sind Jupiter und seine Monde für die Forschung so interessant?

Uwe Gradwohl: Ja, er ist wirklich der Gigant. Man muss sich das mal klarmachen: Die Erde würde 1300mal in Jupiter reinpassen. Mit seinen Monden und diesem Riesenplaneten in der Mitte ist dieses System eigentlich noch einmal ganz eigenes Sonnensystem innerhalb unseres Sonnensystems. Jetzt ist aber Jupiter keine Sonne, also seine Monde kreisen nicht um eine sie wärmende Sonne, sondern der Jupiter ist ein sehr kalter Gasplanet. Seine Monde, 92 nach neuerer Zählung sogar 95, das sind Krümel, die von Eis überzogen sind. Da könnte man sich denken, „ja, die sind doch einigermaßen langweilig“. Tatsächlich ist es aber so, dass Jupiter mit seiner Schwerkraft in der Lage ist, seine Monde von innen heraus zu wärmen. Also der knetet und walkt sie regelrecht durch, wie so einen platten Autoreifen. Wenn man mit dem weiterfährt, dann wird er auch warm. Und so werden auch die Jupitermonde warm im Innern. Nun hat man außenherum dicke Eisschichten, bei einigen dieser Monde mehrere zehn Kilometer dickes Eis, und darunter einen warmen Gesteinskern. Da liegt die Vermutung nahe, dass es dazwischen eben noch Wasser gibt, zum Teil mehrere zehn Kilometer tiefe Ozeane. Diese Vermutung hat man – und auch deutliche Hinweise darauf, weil die Monde auf eine bestimmte Art und Weise rotieren, die auch dafür spricht. Aber man will den Beweis haben, und dafür fliegt man jetzt eben mit dieser Sonde auch in dieses Jupitersystem und will da genau nachschauen.

SWR: Bevor wir uns die Eismonde Ganymed, Calisto und Europa, die die Sonde JUICE erforschen soll, genauer anschauen: Lassen Sie uns auf die Reise blicken. Acht Jahre wird JUICE unterwegs sein, das würde auch schneller gehen zum Jupiter. Man hat aber genau diese Route gewählt, die eben acht Jahre dauert. Warum?

Gradwohl: Man könnte deutlich schneller hinfliegen, aber man nimmt diese lange Zeit gerne in Kauf. In dem Fall ist es einfach so, dass man eine große Sonde baut, die auch viel wissenschaftliche Instrumente mitnehmen soll. Das heißt jedes Kilo und Transportgewicht, das man der Wissenschaft widmen kann, ist toll. Jedes Kilo, das man für Treibstoff verbraucht, ist nicht so toll. Das ist dann unnötiges Gewicht, man möchte möglichst wenig Treibstoff mitnehmen. Und diese Acht-Jahre-Flugbahn sorgt eben dafür, dass die Sonde wenig Treibstoff braucht, weil sie gelegentlich zwischendurch Schwung holt, indem sie nah an anderen Planeten oder Monden vorbeifliegt. In dem Fall fliegt sie noch mal nah an der Erde vorbei und holt am Mond noch einmal Schwung nach einiger Zeit - und dann auch noch an der Venus. Und so kann sie sich hinausschleudern bis zur Jupiterbahn. Das ist zwar energiesparend, dauert dann aber eben acht Jahre.

SWR: Ab dem Jahr 2031 soll die Sonde dann drei Jahre lang die Eismonde Ganymed, Calisto und Europa erforschen. Was ist geplant- eine Landung Wahrscheinlich nicht?

Gradwohl: Nein, die Landung nicht. Das wäre natürlich irgendwie super, wenn man da landen könnte. Aber am Ende landet man dann doch auf einer dicken Eisschicht und müsste die erst einmal durchschmelzen, um an so einen spannenden Ozean darunter zu kommen. Deshalb wird man das nicht tun. Man kreist viele Jahre inzwischen den Monden des Jupiter, vor allem drei Monden. Das sind der ganz große Ganymed, größer als Merkur, dann Calisto und Europa. Europa ist besonders spannend, weil es dort auch Stellen gibt, wo möglicherweise durch Geysire dieses Wasser, das man im Untergrund vermutet, auch ins Weltall hinaustritt. Und es gibt eine Vorbild Mission für diesen Flug an Europa vorbei. Es gibt nämlich einen Saturnmond. Da ist die legendäre Cassini-Sonde durch das Eisspray von Saturnmond Geysiren geflogen und hat geschaut: Was ist da drin? Das haben sogar Heidelberger Forscher gemacht. Die haben diese die Chemie in diesem Eisspray dann analysiert und haben gesehen, dass da sehr lange Moleküle drin sind, die kommen wahrscheinlich vom Ozeanboden neben heißen Quellen wie auf der Erde. Da gibt es auch diese „Black Smoker“ im tiefen Ozean. Da könnten eben auch diese Moleküle auf dem Saturnmond entstanden sein. So will man jetzt auch um den Jupitermond Europa vorbeifliegen und schauen: Was ist da diesem Eisspray drin? Und dann gibt es noch ein deutsches Instrument, einen Laser-Höhenmesser, der am Mond Ganymed nachschauen soll, ob es dort wirklich Ebbe und Flut gibt, ob sich dort die Eisschicht regelmäßig hebt und senkt. Wenn die sich um die berechneten sieben Meter hebt und senkt, dann ist da tatsächlich ein Ozean darunter. Wenn sie sich nur um zehn Zentimeter hebt und senkt, dann nicht. An dem Messergebnis kann man sehr klar entscheiden: Gibt es diesen Ozean unter dem Eis von Ganymed, oder gibt es ihn eben nicht.

SWR: Das sind alles ganz spannende wissenschaftliche Experimente. Und man will natürlich eines mit dieser ESA-Mission mit der Raumsonde Juice herausfinden: Ob es auf den Jupitermonden Ganymed, Calisto und Europa irgendeine Form von Leben geben könnte. Wie soll die Sonde das herausfinden?

Gradwohl: Ja, das ist eben jenes Experiment, wo man dann durch diesen Eisnebel durchfliegt, der aus den Untergrund-Geysiren kommt. Das ist eine der Möglichkeiten. Ansonsten hat man nicht viele. Man müsste, wenn man einen starken Verdacht hat, dass es da in diesen mehreren Hundert Meter dicken Eisschichten in den Meeren etwas geben könnte, dass Leben ist oder Leben ähnelt, dann müsste man tatsächlich hinfliegen, dort landen und sich mit einem sogenannten Cryobot durch die Eisschichten durchschmelzen. Dafür gibt es auch schon Ideen. Aber so eine Mission wäre noch einmal sehr viel aufwendiger. Und es ist im Moment noch nicht absehbar, wann so eine Mission wirklich fliegen könnte.

SWR: Die ESA-Mission mit der Raumsonde JUICE dauert dort beim Planeten Jupiter drei Jahre. Was passiert danach mit der Sonde?

Gradwohl: Die Sonde wird tatsächlich am Schluss ein Jahr um den Mond Ganymed kreisen. Das wird im Jahr 2034 beginnen, dieser Einschuss ins Ganymed-System. Dort kreist sie dann ein Jahr lang, und im Jahr 2035 lässt man sie dann abstürzen auf das Eis von Ganymed. Man geht davon aus, dass man damit jetzt nicht den Mond irgendwie ungehörig verschmutzt. Wenn man noch Mikroben von der Erde mitbringen sollte, dann würde das alles auf der Eisschicht auf dem Ganymed zerschellen. In der tiefen Kälte des Ganymed-Eises wird dann wahrscheinlich auch nichts weiter passieren, dem Mond nichts Schlimmes passieren. Geplant ist, am Schluss einfach die Sonde zerschellen zu lassen - auf dem Eis von Ganymed.

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Uwe Gradwohl