Sieg unter „Einmal-Trainer" Völler – wie geht’s weiter mit der Nationalmannschaft?

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Andreas Böhnisch

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Der glücklose Bundestrainer Hansi Flick ist weg - und die Fußballnationalmannschaft gewinnt wieder. Gestern Abend in Dortmund fand das Länderspiel gegen Frankreich statt - und die DFB-Elf erkämpfte sich ein verdientes 2 zu 1 gegen den Vize-Weltmeister. Für dieses eine Spiel ist Ex-Trainer Rudi Völler zur Nationalelf zurückgekehrt – weitermachen will er nicht. Philipp Köster vom Fußballmagazin „11 Freunde“ erklärt im SWR-Aktuell-Gespräch mit Andreas Böhnisch, wie es weitergehen könnte mit der Nationalmannschaft.

SWR Aktuell: Trotz der Rudi-Völler-Euphorie wird er die Mannschaft nicht auf dem Weg in die Heim-EM betreuen. Das steht wohl fest…

Köster: Das hat er klar gesagt, und das muss man natürlich auch verstehen. Er war ja schon mal Nationaltrainer - 2002, wir erinnern uns, hat er die Mannschaft zur Vizeweltmeisterschaft geführt. Aber das war eine völlig andere Situation. Er hat gesagt, er erfüllt jetzt den Platz auf dem Trainerposten. Aber klar ist eben auch: Jetzt ist Schluss, und jetzt muss man einen neuen Trainer suchen.

SWR Aktuell: Lassen Sie uns auf das Länderspiel und den Sieg gegen Frankreich schauen. Rudi Völler brachte drei neue Spieler: Jonathan Tah auf der rechten Abwehrseite, Benjamin Henrichs verteidigte links - und Thomas Müller vom FC Bayern München erzielte als Stürmer in der vierten Minute das 1:0. Haben diese kleinen Veränderungen den Ausschlag gegeben?

Köster: Zunächst einmal war es natürlich eine Art Wiederauferstehung des Thomas Müller, dass er dieses Tor gemacht hat. Alle dachten ja, die deutsche Elf hätte das Toreschießen verlernt und sei insbesondere gegen so eine hochkarätige Mannschaft wie Frankreich eher machtlos. Insofern war diese Hereinnahme sehr, sehr wichtig. Aber vor allen Dingen ging es Völler und auch den beiden anderen, also Wolf und Wagner, schon darum, die Mannschaft stabiler zu machen, hinten kompakter. Gerade die Verteidigung war das ganz große Sorgenkind der deutschen Nationalelf, es gab dort immer wieder vermeidbare Tore. Wir erinnern uns an die Aussetzer von Nico Schlotterbeck im letzten Spiel. Also: Das war ganz wichtig, dass sie die Abwehr, die Defensive stabile gemacht haben.

SWR Aktuell: Die DFB-Elf hat dann gestern auch gezeigt, was in ihr steckt und wirklich guten Fußball gespielt. Woran muss der neue Trainer da anknüpfen?

Köster: Wichtig ist vor allem, dass die Stimmung in der Mannschaft wieder gut ist. Es war ja ein Unterschied wie Tag und Nacht, wenn man sich das Spiel gegen Japan noch angeschaut hat, wie grimmig da nach dem Ausgleichstor gejubelt wurde: Kein Lächeln, keine Freude im Spiel. Jetzt sah man, dass die Mannschaft sich gegenseitig beflügelt hat. Man merkte richtig: Es macht wieder Spaß, das Trikot zu tragen, in dieser Mannschaft zu spielen. Natürlich muss man auch klar sagen: Das ist nur eine Momentaufnahme. Man wollte sich quasi befreien vom Alpdruck der letzten Wochen. Aber klar ist eben auch, und das ist ganz, ganz wichtig: Diese Freude muss das Spiel der Nationalmannschaft wieder bestimmen.

SWR Aktuell: Dieser 2:1-Erfolg gegen Vize-Weltmeister Frankreich hat Selbstvertrauen gebracht. So sieht es auch Torwart Marc-André ter Stegen:

Ter Stegen: Ja, es war Balsam für die Seele, sowohl für die Fans als auch für uns. Wir haben echt reingehauen, ich glaube, die Leute haben es echt gesehen. Es waren kuriose, schwierige Tage. Umso schöner, dass wir das jetzt wenden konnten mit einem Sieg. Ich glaube, das gibt uns Vertrauen. Und das war das, was wir jetzt auf jeden Fall brauchten.

SWR Aktuell: Was ist denn jetzt wichtig, damit diese positive Stimmung auch bleibt?

Köster: Zum einen geht es natürlich um einen neuen Trainer. Es muss klar sein, mit welchem Trainer man in die Heim-Europameisterschaft im nächsten Jahr gehen will. Zum anderen ist es aber auch die Frage: Wie schafft man es eigentlich, wieder Freude, viel Freude und vor allen Dingen natürlich auch Zusammenhalt in dieser Mannschaft reinzubringen? Wir haben das in dieser schrecklichen WM-Doku gesehen. Wir haben das von den letzten Spielen unter Hansi Flick gesehen, dass da eigentlich unfassbar viel Ballast war für die Spieler. Es hat ja auch keine Spielfreude mehr gegeben in den Spielen. Man merkte, dass diese Mannschaft, so wie sie gerade da zusammenspielt, nicht zusammenpasst. All das muss der neue Trainer zusammenführen. Es sind viele Mosaiksteine. Moderner Profifußball ist sehr, sehr kompliziert. Da geht es nicht nur darum, dass man sagt: Wir starten jetzt einfach mal durch. Die Arbeit muss jetzt beginnen, und man hat nicht mehr viel Zeit.

SWR Aktuell: Die Trainerfrage, das ist natürlich der entscheidende Punkt für die Heim-EM, die dann im Juni kommenden Jahres beginnen wird, wird es Julian Nagelsmann machen?

Köster: Die Anzeichen verdichten sich. Es gibt allerdings auch noch ein paar Fragezeichen. Klar ist, der FC Bayern wird keine Steine in den Weg legen wird, also beispielsweise keine Ablöse verlangen. Der Verein wird relativ froh sein, dass Nagelsmann vom Gehaltszettel runterkommt, er wird ja noch vom FC Bayern bezahlt. Aber Julian Nagelsmann muss auch selbst erstmal wollen. Er hat ja eigentlich immer darauf geschielt, in der Premier League, also in der englischen ersten Liga, unterzukommen. Es gab wohl auch schon die einen oder anderen Gespräche. Ob er jetzt Lust hat, eine Art Feuerwehrmann zu sein, neun Monate die deutsche Nationalelf zu trainieren und dann hinterher möglicherweise Jürgen Klopp Platz zu machen, das muss man mal abwarten. Das Wichtigste wäre jetzt erstmal Kontakt aufzunehmen, zu sprechen -und vielleicht gibt es dann eine Lösung.

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