Rückt EVP im EU-Parlament zu weit nach rechts? Nein, sagt CDU-Abgeordnete Düpont

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Jonathan Hadem

Die Kandidatenliste der AfD für die Europawahl steht: Am Wochenende hat die Partei in Magdeburg die Listenplätze für die Europawahl komplettiert. Auf Platz 1 steht der sächsische AfD-Politiker Maximilian Krah. Er ist schon seit vier Jahren Europa-Abgeordneter und wird - wie die meisten der 35 AfD-Kandidaten - dem äußerst rechten Rand zugeordnet. Dieser rechte Rand hat auch am Wochenende wieder dominiert. EU-Parlaments-Vizepräsidentin Barley wirft konservativen Politikern eine fehlende deutliche Distanz gegen Rechts vor. Die SPD-Politikerin sagt, bei CDU und CSU gebe es einen strammen Rechtskurs. Der Chef der konservativen EVP-Fraktion Weber habe „ganz bewusst die Flanke nach rechts geöffnet“. Dem widerspricht die CDU-Europa-Abgeordnete Lena Düpont im SWR- Aktuell-Interview mit Jonathan Hadem.

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SWR Aktuell: Die AfD hat am Wochenende ihr Europawahlprogramm verabschiedet. Da steht der sogenannte „Dexit“ zwar nicht mehr drin, wohl aber, dass die EU gescheitert sei und neu gegründet werden solle - als „Bund europäischer Nationen“. Wie klingt das in ihren Ohren?

Lena Düpont: Es ist die konsequente Fortsetzung, was die AfD in den letzten vier Jahren getan hat. Sie hatten ja angesprochen, dass einer der Spitzenkandidaten schon seit vier Jahren im Europäischen Parlament mit dabei ist. Es ist die konsequente Fortsetzung dessen, was sie auch da schon vertreten haben, nämlich gegen Europa, gegen die Grundidee der Europäischen Union, gegen die gemeinsame Zusammenarbeit mit 26 anderen Mitgliedstaaten - und damit gegen die Grundüberzeugung, die auch wir als EVP innerhalb der Europäischen Union vertreten, nämlich gemeinsame Zusammenarbeit zur Bewältigung von Herausforderungen, Ringen um demokratische Kompromisse und Lösungen. Und da hat sich die AfD in den letzten vier Jahren schon sehr rausgehalten. Und das, was wir am Wochenende auf dem Parteitag gesehen haben, ist insofern nur die konsequente Fortsetzung dessen, nochmal deutlich radikalisierter an der einen oder anderen Stelle. Wenn man sich die Kandidaten anguckt, sind ja relativ wenige von denen, die bis jetzt mit dabei gewesen sind, auch weiterhin mit dabei. Dafür sind die Kandidaten, die neue auf die Liste dazugekommen sind, ganz klar in ihrer antieuropäischen Ausrichtung.

SWR Aktuell: Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Barley, hat kritisiert, dass den Konservativen in Europa, die Distanz gegen Rechts fehle. Deren Brandmauer gegenüber Rechtspopulisten und Faschisten gebe es nicht mehr, hat Barley gesagt.  Ihrem konservativen EVP-Vorsitzenden Weber hat sie vorgeworfen, er habe bewusst die Flanke nach rechts geöffnet und mache daraus kein Geheimnis. Wie schätzen Sie diese Vorwürfe ein?

Düpont: Sie werden sich nicht wundern, dass ich den Vorwürfen ganz klar widerspreche. Denn die Brandmauer auch auf europäischer Ebene Richtung ID-Fraktion, AfD-Fraktion sozusagen im europäischen Kontext, steht ganz klar. Es sind grundlegende Werte, die uns von der AfD und ID unterscheiden: Nicht nur in der Frage der Europapolitik, sondern auch in der Frage der Ausrichtung auf transatlantische Bündnisse, auf Nato, auf Verteidigungsbündnisse und die Grundidee der Zusammenarbeit im Europäischen Parlament. Ja, wir reden an vielen Stellen auch intensiv innerhalb der demokratischen Mitte des Parlaments. Aber wir sind nicht diejenigen, die aus dem Diskurs ausgestiegen sind, sondern wir haben für unsere Positionen gekämpft, auch an unterschiedlichen Stellen, in vielen Gesetzgebungsvorhaben. Und insofern macht es sich Katarina Barley, so leid es mir tut, mit ihrer Einschätzung auch ein kleines bisschen einfach. Und ehrlicherweise sehen wir das ja auch an vielen Stellen auch auf Bundesebene, dass die SPD, dass die Grünen sich so aus der Auseinandersetzung aus der demokratischen Auseinandersetzung mit der AfD rausziehen und die Verantwortung abschieben wollen. Das ist einfach falsch.

SWR Aktuell: Lassen Sie uns auf die Arbeit im EU-Parlament gucken. Die AfD ist im EU-Parlament Teil der rechtspopulistischen Fraktion „Identität und Demokratie“, kurz ID. Wie erleben Sie diese Fraktion denn im Arbeitsalltag? Wird da konstruktiv gearbeitet?

Düpont: Ich glaube, die Frage beantwortet sich schon fast mit meiner ersten Antwort: Natürlich nicht. Vielleicht als Grundbemerkung vorweg: Wir sehen die ID-Fraktion, die AfD-Abgeordneten. Wir sind vom Verhandlungssystem der Europäischen Union, des Europäischen Parlamentes her, immer alle an einem Tisch, weil wir keine feststehenden Mehrheiten haben, weil wir keine Regierungs- oder Oppositionsmehrheit sozusagen haben, sondern die sitzen grundsätzlich alle an einem Tisch. Alle gewählten Fraktionen sind beauftragt, Verhandler in die Runden zu entsenden. In der Regel ist es so, dass dann, wenn eine Kamera läuft, wenn nach außen hin Positionen vertreten werden können, die ID- und AfD-Angehörigen noch da sind. Wenn es aber dann darum geht, tatsächlich Lösung voranzubringen, tatsächlich zu verhandeln, um Positionen zu ringen und am Ende auch abzustimmen, da sind sie in der Regel nicht präsent. Und insofern sollte jedem klar sein: Eine Stimme für die AfD bei der Europawahl ist nicht eine Stimme für Problemlösungen, sondern dafür, dass sie im Grunde genommen den Gestaltungsanspruch aufgegeben haben.

SWR Aktuell: In Deutschland steigen die Umfragewerte der AfD gerade. Es ist auch gut möglich, dass die rechte ID-Fraktion nach der nächsten Europawahl noch stärker wird. Wird dann das Europaparlament insgesamt auch weiter nach rechts rücken?

Düpont: Es ist vornehmlich erst einmal dann abzusehen, wenn das Ergebnis da ist. Bis dahin ist es Aufgabe jeder demokratischen Partei und Fraktion, dafür zu sorgen, dass die inhaltliche Auseinandersetzung deutlich macht, wer Probleme lösen möchte, wer Herausforderungen angehen möchte - und wer tatsächlich nur populistisch dagegen ist und keine Lösung für die Herausforderungen der Zeit hat. Und dann müssen wir natürlich nach der Wahl gucken, wie wir mit den Mehrheitsverhältnissen des Parlamentes umgehen. Bisher hat sich die große, sozusagen „superrechte“ Fraktion nicht bilden können. Das ist, vielleicht ein bisschen zynischerweise, der „Vorteil“ von Nationalisten. Sie sind alle aufgeregt ausgerichtet auf ihre jeweilige Nation und damit per se schwieriger in der Lage, gemeinsam europäisch zusammenzuarbeiten. Aber das sollte uns nicht beruhigen. Das sollte uns nicht in unserem Einsatz für unsere Demokratie, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zurückstehen lassen.

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Jonathan Hadem