Eine Mitarbeiterin führt an einer Teststation einen Corona-Schnelltest an einer Frau durch.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat (Symbolbild))

Unmut bei Apothekern - Forderung nach Planungssicherheit

Wie geht es weiter mit den Corona-Testzentren in Baden-Württemberg?

Stand

Ab Ende Juni soll es keine kostenlosen Bürgertests mehr geben. Doch die Apotheker in Baden-Württemberg schlagen Alarm. Denn im Herbst könnten Tests wieder wichtig werden.

Nach derzeitigem Stand läuft Ende Juni das Angebot der sogenannten Bürgertests aus. Die aktuelle Testverordnung ist befristet. Bisher können sich Bürgerinnen und Bürger mindestens einmal wöchentlich auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen lassen. Einige der größeren Teststationen in Baden-Württemberg, beispielsweise auf dem Cannstatter Wasen, sind bereits in den letzten Wochen abgebaut worden. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg forderte erst vor wenigen Tagen eine Fortführung der kostenlosen Bürgertests über den 30. Juni hinaus.

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Apotheker kritisiert: "Politik weiß nicht, was sie machen soll"

Dieser Forderung schließt sich auch Björn Schittenhelm, Apotheker aus Holzgerlingen (Kreis Böblingen), an. Seit über einem Jahr betreibt er mit seiner Apotheke eine Teststation und sieht, wie sich die Probleme wiederholen. "Wir haben wieder ein klassisches Déjà-vu. Die Politik weiß nicht, ob hü, ob hott." Allen sei klar, dass im Herbst wieder die Infektionen hochgehen würden - aber niemand wisse genau, in welchem Ausmaß.

Schittenhelm glaubt, dass spätestens dann die Teststationen wieder gebraucht werden. "Die Politik wünscht sich eigentlich, dass wir die Infrastruktur aufrechterhalten, tut aber nichts, in dem sie sich windet, das Thema jetzt richtig anzupacken."

Björn Schittenhelm, Apotheker in Holzgerlingen (Kreis Böblingen) (Foto: privat)
Björn Schittenhelm, Apotheker in Holzgerlingen (Kreis Böblingen), fordert die Politik auf, endlich ein Konzept zu entwickeln. (Archivbild)

Mehr Planungssicherheit für Testzentren gefordert

Auch in Heilbronn beobachtet man die Diskussion um Bürgertests. Der Heilbronner Apotheker Dieter Harfensteller fordert Planungssicherheit - vor allem mit Blick auf den Herbst. Es gebe immer wieder neue Varianten und Infektionsschübe, sagt er dem SWR. Das letzte Mal habe er das Testzentrum komplett ausgeräumt und den Mietvertrag gekündigt. Drei Wochen später habe er wieder alles eingeräumt. Er fordert von der Politik einen Plan, wie es im Herbst weitergehen soll.

"Deswegen kann man da dann nicht kurzfristig reagieren, wenn jetzt alles abgebaut und eingestellt wird. Dann wird es schwierig, diese Infrastruktur wieder aufzubauen."

Ende der Bürgertests könnte Testinfrastruktur im Herbst verzögern

Ähnliche Befürchtungen äußert auch der Testanbieter Aspilos, der mehrere Teststationen in Heidelberg betreibt. "Wenn wir jetzt alle Stationen schließen, müssen wir die über 240 Mitarbeiter entlassen", so Geschäftsführer Lovis Stricker. Sollte Deutschland im Laufe des Jahres von einer weiteren Corona-Welle getroffen werden, dauere es mindestens zwei bis vier Wochen, bis Aspilos seine Stationen wieder öffnen könne. Dies sei mit viel organisatorischem und logistischem Aufwand verbunden, teilt Stricker weiter mit. "Genau diese Zeitspanne ist aber kritisch für das Infektionsgeschehen."

Bei einer nicht-repräsentativen Straßenumfrage hat der SWR in Heilbronn Passanten gefragt, was sie von einem Ende der Bürgertests halten:

Wird die Testverordnung verlängert?

Wie will die Politik weiter vorgehen? Auf Anfrage erklärt das Sozialministerium dem SWR: "Die Bürgertests sind ein Angebot des Bundes und werden auf Grundlage der sogenannten Bundestestverordnung des Bundesgesundheitsministeriums angeboten." Beim Bundesgesundheitsministerium wiederum teilt man lediglich mit: "Die Entscheidung über eine weitere Verlängerung der Testverordnung und des Anspruchs auf Bürgertestungen befindet sich innerhalb der Bundesregierung in der Abstimmung."

Die Testverordnung werde wohl verlängert, glaubt der Apotheker Schittenhelm aus Holzgerlingen. Denn man brauche die Testverordnung auch für alle anderen Corona-Tests - nicht nur für die kostenfreien Bürgertests. Aber genau über die Bürgertests müssten jetzt Entscheidungen getroffen werden.

"Ich habe das Gefühl, dass sich die Politik nicht so richtig an den Speck traut."

Eine Chance, die Testverordnung weiterzuentwickeln

Für Schittenhelm ist klar: Bevor man die Testverordnung über den Sommer verlängert, wäre jetzt die Gelegenheit, diese weiterzuentwickeln und mit dem Wirrwarr der vielen Teststationen aufzuräumen. Die vielen kleinen Teststationen an jeder Straßenecke würde man nicht mehr brauchen. Das habe Geld gekostet, und vor allem seien auch einige Betrüger dabei gewesen. "Die haben das Ganze in Verruf gebracht."

Daher sei jetzt die Chance, einen Schlussstrich zu ziehen und eine vernünftige Testinfrastruktur auf langfristige Sicht zu etablieren. "Schon jetzt bietet jede dritte Apotheke in Baden-Württemberg Corona-Tests an." Diese Infrastruktur gelte es zu erhalten, so Schittenhelm.

Anstatt die kostenlosen Testangebote komplett zu beenden, fordert auch der Geschäftsführer des Testanbieters Aspilos: "Der Sommer sollte lieber genutzt werden die 'schwarzen Schafe' auszusortieren und die bestehende Testinfrastruktur auch qualitativ für den Herbst vorzubereiten."

Über den Millionenbetrug von Testzentren in Baden-Württemberg hat der SWR berichtet:

Forderung von Apotheker: "Gebt die Tests in die Hände der Profis"

"Wenn wir eine hohe Infektionslast im Herbst bekommen, dann brauchen wir Testmöglichkeiten außerhalb der Arztpraxen." Daher die Devise von Apotheker Schittenhelm: "Nicht die Bürgertests komplett abschaffen, aber die Hürde ein bisschen höher setzen. Bei einem Test geht es darum, dass dort professionell gearbeitet wird." Das würde bedeuten, dass Personal mit medizinischem Fachwissen wieder die Tests durchführen solle. Und dass die Teststationen auch wissen, wie sie mit neuen Virusvarianten umgehen, wie sie die Testvorgänge entsprechend angehen. Apotheken seien dafür genau die richtigen Einrichtungen.

Zumindest dem scheint auch das Sozialministerium in Baden-Württemberg zuzustimmen: "Wir haben uns bereits mehrfach dafür ausgesprochen, die Testung zumindest wieder stärker in professionelle Hände zu übergeben und wegzukommen von Laien-Testungen durch privatwirtschaftlich fachfremde Anbieter. Das würde dem Bund viel Geld sparen und den Missbrauch reduzieren." Das Sozialministerium hatte selbst zwischen Februar und März über 200 Teststationen in Baden-Württemberg kontrolliert, zu denen Beschwerden vorlagen. Bei mehr als jeder zweiten Teststation seien gravierende Mängel festgestellt worden.

Zuletzt immer weniger Nachfrage nach Corona-Tests

Die Nachfrage nach Schnelltests hat in den vergangenen Wochen deutlich nachgelassen, bestätigen Apotheker. Es "dümpelt", sagt zum Beispiel Dieter Harfensteller in Heilbronn. "Rentabilität ist eigentlich nicht mehr gegeben, aber wir ziehen das durch letztendlich, um unsere Infrastruktur aufrechtzuerhalten und nicht wieder bei null anfangen zu müssen."

Dem stimmt auch sein Kollege Björn Schittenhelm in Holzgerlingen zu. Selbst wenn die Zeit seines Testzentrums Ende Juni enden sollte: "Wir behalten die Räumlichkeiten und bauen nur provisorisch ab. Wir werden das irgendwie für drei, vier Monate überbrücken." Er fühle sich der Gesellschaft gegenüber dazu verpflichtet, damit sein Testzentrum schnell wieder aufmachen könne. Zwar sei die Nachfrage gesunken, aber "immer noch kommen täglich Menschen zum Testen vorbei. Und in den letzten Tagen haben wir wieder vermehrt Menschen positiv getestet."

Welche Entscheidungen zu den Bürgertests seitens der Politik für den Sommer getroffen werden, bleibt derweil abzuwarten.

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SWR