Eine Mitarbeiterin der Pflege läuft über einen Gang auf der Corona-Intensivstation des Universitätsklinikums Essen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Fabian Strauch)

Belastung des Gesundheitssystems

Corona in Baden-Württemberg: Lage in Krankenhäusern und Kliniken hat sich etwas entspannt

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Frieder Kümmerer
Frieder Kümmerer (Foto: privat)

Noch vor wenigen Monaten kämpften die Krankenhäuser in Baden-Württemberg mit der Überlastung durch die Corona-Pandemie. Jetzt signalisieren die Kliniken vorsichtig: Die Lage entspannt sich.

Spricht man mit den Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Kliniken und Krankenhäuser in Baden-Württemberg, spürt man vor allem eines: Sie wirken entspannter. Kein Wort mehr von überfüllten Covid-Stationen. Aber alle bleiben vorsichtig, sprechen nicht von einer Ruhephase. Die Personalnot treibt nach wie vor alle Krankenhäuser um und sorgt vor allem in den Kinderkliniken für Probleme.

Weniger beatmete Corona-Infizierte auf Intensivstationen

Noch vor wenigen Monaten habe man die starke Belastung durch Corona überall im Krankenhaus bemerkt, erklärt Professor Jan Steffen Jürgensen, medizinischer Vorstand am Klinikum in Stuttgart. "Jetzt sind noch zwei Corona-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung und werden beatmet." Da habe man schon zehnmal so viele Patientinnen und Patienten gehabt. "Das spiegelt auch die Situation wieder, die wir in Deutschland gerade sehen." Ganz ähnlich ist die Aussage von Mathias Burkhardt, Pressesprecher bei den SLK-Kliniken Heilbronn. Im März habe man noch 80 Corona-Patientinnen und Patienten gehabt. "Aktuell werden elf Corona-Patienten stationär behandelt, einer davon intensivmedizinisch."

Jan Steffen Jürgensen, medizinischer Leiter des Klinikums Stuttgart hält nichts von einer Impfpflicht für Krankenhauspersonal. (Foto: SWR, Werner Trefz)
Jan Steffen Jürgensen, medizinischer Vorstand und Vorstandsvorsitzender des Klinikums Stuttgart, stellt fest, dass die Situation sich etwas entspannt hat. (Archivbild)

Dem stimmt auch Frauke Sievers-Kretz, Pressesprecherin bei den Gesundheitszentren Rhein-Neckar (GRN), zu. In den Kliniken der GRN in Weinheim, Sinsheim, Schwetzingen und Eberbach (alle Rhein-Neckar-Kreis) habe sich die Situation auf den Intensivstationen deutlich entspannt. "Wir haben aktuell nur noch zwei Corona-Patienten auf der Intensivstation in Weinheim. Ansonsten niemanden mehr", so Sievers-Kretz gegenüber dem SWR.

Über die veränderte Situation auf Corona-Stationen in Baden-Württemberg berichtete der SWR im Februar 2022:

Covid-Vorkehrungsmaßnahmen bleiben bestehen

Dennoch sei man in den Einrichtungen der GRN noch nicht im Normalbetrieb. "Es ist trotzdem so, das Vorkehrungsmaßnahmen weiterhin bestehen." Man müsse bei neuen Patientinnen und Patienten davon ausgehen, dass sie Corona haben könnten. Schon bei einem Verdachtsfall werden zusätzliche Maßnahmen getroffen, wie Isolation, die Pflicht zum Tragen von Maske und Schutzkleidung für das Personal während der Behandlung. Damit bleibt ein organisatorischer Zusatzaufwand, so Sievers-Kretz. Das belaste natürlich auch nach wie vor das Personal. "Tatsächlich ist es so, dass viele Patienten eigentlich mit einer anderen Krankheit zu uns kommen. Und in unseren Kontrollmechanismen, zum Beispiel durch das Testen, stellt sich heraus, dass der Patient oder die Patientin coronapositiv ist." Diese Patienten blieben dann aber nicht wegen Corona, sondern wegen ihrer ursprünglichen Behandlung im Krankenhaus. Ähnlich sei es im Klinikum Stuttgart. Im Moment habe man dort dreißig Covid-Infizierte zur Behandlung, davon sei bei über 25 Patienten die Corona-Infektionen erst bei der Aufnahme festgestellt worden.

Jetzige Hauptaufgabe: Nachholen von verschobenen Eingriffen

Im Klinikum Stuttgart ist man jetzt vor allem mit der Aufarbeitung von verschobenen Eingriffen beschäftigt, erklärt Jürgensen. Denn durch die Belastung in den Hochzeiten der Pandemie habe man nicht lebensnotwendige Eingriffe zum Teil verschoben. Die arbeite man jetzt ab.

"Wir haben eine Bugwelle an aufgeschobenen Behandlungen und Wartelisten in vielen Bereichen. Die Kapazitäten, die wir anbieten können, werden auch voll genutzt."

Aktuell laufe man trotz entspannterer Situation in der Pandemie fast auf Volllast, so wie vor Corona auch schon. "Daher kann man von durchatmen noch nicht sprechen", erklärt Jürgensen. "Aber es geht zurück zu den Kernaufgaben und es wird nicht mehr von Covid dominiert. Und es werden nicht mehr andere Krankheitsbilder verdrängt."

Corona-Intensivpatienten sind unverändert lange in Behandlung

Eines, darin sind sich die Einrichtungen in Stuttgart, Heilbronn und dem Rhein-Neckar-Kreis einig, habe sich nicht verändert: "Die Patienten, die ursächlich wegen einer Sars-CoV-2-Infektion intensivmedizinisch behandelt werden müssen, liegen verhältnismäßig immer noch lange auf der Intensivstation", erklärt Burkhardt in Heilbronn. "Dort erleben wir schwerste Formen des Lungenversagens", sagt auch Jürgensen in Stuttgart. Durch eine relativ hohe Impfquote sei es weniger wahrscheinlich, solch schwere Verläufe zu entwickeln. Aber wenn man als Patient oder Patientin auf die Intensivstation kommt, "dann sind die Verläufe weiterhin atypisch lang. Durchschnittlich etwa zwei Wochen und damit etwa doppelt so lang wie bei allen anderen Krankheitsbildern." Im Rhein-Neckar-Kreis nimmt man immerhin einen leichten Rückgang der Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation bei Coronafällen wahr. Ein durchschnittlicher Aufenthalt von neun Tagen sei dort zuletzt zu beobachten gewesen.

Ein bleibendes Problem: die Personalnot an Kliniken

Wie alle Organisationen hatten auch die Kliniken in den vergangenen Monaten damit zu kämpfen, dass viele ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich selbst mit Corona infiziert hatten und daher ausgefallen sind. Zusätzlich die Belastung durch Covid-Infizierte auf den Stationen. Das alles habe nachgelassen, so Jürgensen in Stuttgart. "In der Pflege sind wir gewachsen. Wir haben in der Pandemie neues Personal dazugewonnen. Mehr als ausgeschieden sind." Aber man brauche immer noch mehr Personal. Eigentlich könnte das Klinikum noch mehr Patientinnen und Patienten aufnehmen und behandeln. Daher habe man jetzt die Ausbildungsplätze aufgestockt.

Vor allem in der Kinderklinik würde sich die Personalnot bemerkbar machen, so Jürgensen weiter. "Das Verschieben von notwendigen Behandlungen ist immer ärgerlich für die Kinder und deren Familien." Dennoch kann es wegen der hohen Belastung dort zu längeren Wartezeiten kommen. Aktuell sei man zum Teil nur wegen der Bereitschaft zu Überstunden durch das Personal noch handlungsfähig. In Ulm erklärte das Uniklinikum, dass in der Kinderklinik 20 Prozent der Stellen nicht besetzt seien. Das führe dazu, dass nicht alle Intensivbetten belegt werden könnten. Planbare Operationen mussten in Einzelfällen deswegen bereits verschoben werden. Vor Kurzem hatten Ärzteverbände bundesweit von einer dramatischen Situation an den Kinderkliniken gesprochen.

Ulm

Personalmangel führt zu Engpässen Kinderklinik Ulm: Jede fünfte Stelle in der Intensivmedizin unbesetzt

An der Kinderklinik Ulm sind aktuell 20 Prozent der Stellen in der Kinderpflege nicht besetzt. Vor kurzem hatten Ärzteverbände bundesweit wegen der Personalnot an Kinderkliniken Alarm geschlagen.

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Auch die Kliniken der GRN im Rhein-Neckar-Kreis und die SLK-Kliniken in Heilbronn erklären, dass sie die Ausbildungsplätze aufgestockt und das Ausbildungsprogramm erweitert haben. "Ja, uns fehlt Personal. Das ist ein bundesweites Problem", sagt Sievers-Kretz von den GRN. "Uns fehlen Pflegekräfte, uns fehlen Assistenzärzte. Da sind wir über jede Bewerbung dankbar." Das sei aber auch eine Problematik, die schon vor der Corona-Pandemie bestanden habe. Auch in Heilbronn wirbt man um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: "Um hoch qualifizierte Mitarbeitende einerseits zu gewinnen und andererseits zu halten, sind attraktive und vielseitige Konzepte geschaffen worden."

Eine Gefahr durch die Coronavirus-Variante BA.5?

Eine Sorge bleibt bei manchen: Die Variante BA.5 breitet sich weiter aus, bisher ist sie aber in Deutschland noch nicht die dominierende Corona-Variante. "Wir sind gewappnet", sagt Sievers-Kretz. "Die Möglichkeiten, Covid-Patienten zu versorgen, sind nach wie vor da." Befürchtungen habe man in Bezug auf die Variante aber vorerst nicht. "Wir befinden uns in Habachtstellung - die Pandemie ist noch nicht vorbei", sagt auch Burkhardt in Heilbronn. Jürgensen in Stuttgart erklärt: "Ich bin optimistisch. Die Grundimmunität und der Basisschutz ist gegen beide Varianten da." Er denke nicht, dass die neue Variante BA.5 nochmal eine grundlegende Veränderung in der Pandemie mit sich bringe.

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