Donum Vitae - Beratungsstelle für Schwangerschaftsberatung zur aktuellen Diskussion.............................. (Foto: Pressestelle, IMAGO / Bernd Friedel)

Pflichtberatung vor Schwangerschaftsabbruch nötig?

Debatte um Paragraf 218: Was eine Neu-Ulmer Beratungsstelle befürchtet

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Katja Stolle-Kranz
Katja Stolle-Kranz (Foto: SWR, SWR - Alexander Kluge)
Bella Avergon

Sollte der Paragraf 218 reformiert werden, könnte auch die Pflichtberatung vor einer Abtreibung wegfallen. Der Verein DONUM VITAE in Neu-Ulm befürchtet, dass dann viele Frauen auf Hilfe verzichten.

Die Konfliktberatungsstelle DONUM VITAE im Kreis Neu-Ulm befürchtet bei einem Wegfall der Beratungspflicht vor Schwangerschaftsabbrüchen Nachteile für die Frauen und weniger Nachfrage nach der Hilfe. Eine Expertenkommission der Bundesregierung empfiehlt, Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase zu legalisieren. Aktuell ist ein Abbruch in den ersten zwölf Wochen straffrei, sofern eine Pflichtberatung erfolgt ist. Das ist im Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs festgehalten. Mit einer Legalisierung könnte auch die Pflichtberatung vor einem Abbruch wegfallen.

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Debatte Paragraf 218: Was eine Neu-Ulmer Beratungsstelle befürchtet

"Wenn die Beratungspflicht einfach wegfällt, das finde ich wirklich tragisch für die Frauen. Denn sie hilft ja bei einer ganz wichtigen Lebensentscheidung”, so Johanna Mludek, Sexologin und stellvertretende Leiterin von DONUM VITAE in Neu-Ulm. Häufig hätten die Betroffenen, die hier Hilfe suchen, ihre Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch zwar schon gefällt. “Aber wir unterstützen sie dabei, sich noch mal Gedanken zu machen, um nachher mit dieser Entscheidung, für die es ganz individuelle Gründe gibt, auch gut und in Frieden zu leben."  Dass das Angebot greife, belege auch eine Umfrage, die DONUM VITAE in Bayern zwischen Mai und Oktober 2023 durchführen ließ.   

Pflichtberatung hilft bei Lebensentscheidung 

Insgesamt haben 1.169 Frauen in den Beratungsstellen von DONUM VITAE in Bayern an der anonymen und freiwilligen Befragung teilgenommen. Das Ergebnis: 82 Prozent der Frauen gaben an, dass sie die Beratung entlastet habe. Noch mehr Frauen hätten sich in ihrer Entscheidung in keiner Hinsicht bedrängt gefühlt. “Das sind ja auch meist gestandene Frauen zwischen 25 und Mitte Dreißig, die oft schon Kinder haben und jetzt überlegen müssen, ob und wie sie eine Zukunft mit einem Kind gestalten möchten”, so Diplom-Sozialpädagogin Birgit Wölfert, die das Team in Neu-Ulm leitet. Auch Frauen über 40 seien unter den Ratsuchenden, die ihr Leben bereits anders eingerichtet haben.

Die meisten der über 300 Frauen, die sich pro Jahr beraten ließen, gingen mit einem Beratungsschein zum Schwangerschaftsabbruch, vermuten die Beraterinnen. Denn die endgültige Entscheidung läge allein bei den betroffenen Frauen. 

Donum Vitae - Beratungsstelle für Schwangerschaftsberatung in Neu-Ulm: Hier finden Frauen Beratungshilfe, die im Rahmen des Paragrafen 218 beim Wunsch eines Schwangerschaftsabbruchs nötig ist. (Foto: Pressestelle, DONUM VITAE Neu- Ulm e.V.)
DONUM VITAE in Neu-Ulm: Hier finden Frauen Beratungshilfe, die im Rahmen des Paragrafen 218 vor einem Schwangerschaftsabbruch nötig ist.

Viele würden auf freiwillige Beratung verzichten

Allerdings, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage des Vereins, mehr als ein Drittel der Befragten haben angegeben, ein rein freiwilliges Angebot zur Schwangerschaftskonfliktberatung nicht nutzen zu wollen. Nur 37 Prozent würden das Angebot auch bei Freiwilligkeit nutzen. Ein Teil der Befragten zeigte sich in dieser Frage unentschieden. 

Als einen "falschen Kompromiss", wie der bestehende Paragraf 218 von 1995 häufig bezeichnet wird, sieht ihn das Neu-Ulmer Beratungsteam von DONUM VITAE keinesfalls. Die Regelung mit der Beratungslösung funktioniere, so Wölpert und Mludek.

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Yvonne Fritz, Vorstand Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e.V.
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Prof. Dr. Christiane Woopen, Medizinethikerin, Universität Bonn

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Zum anderen soll der Paragraf 218 laut DONUM VITAE gar nicht die Selbstbestimmung der Frau einschränken. Ganz im Gegenteil: "Dieser Paragraf hat eine gewisse Schutzfunktion. Es sind in erster Linie Männer, die verurteilt werden. Männer, die in die Schwangerschaft gewaltsam eingreifen und diese beenden“, so Johanna Mludek. So seien seit 2010 unter diesem Paragrafen 148 Menschen verurteilt worden - darunter nur eine Frau.

Vielfältiges Angebot soll bleiben

Die Beratungsstelle in Neu-Ulm gibt es seit 2001. Sie ist zuständig für die Kreise Neu-Ulm und Günzburg. Dass ihnen die Arbeit einmal ausgehen könnte, glauben die Beraterinnen in Neu-Ulm nicht. Schließlich kümmere sich der Verein DONUM VITAE mit 70 Standorten in Bayern neben der Beratung vor Schwangerschaftsabbrüchen um vielfältige Themen, wie etwa Kinderwunsch, Trauer bei Fehlgeburten oder Partnerschaftsproblemen.  

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