Die handgeschriebenen Seiten in Ordnern, das fertige Buch und das Familien-Fotoalbum: Die Lebensgeschichte von Helmut Weiss. (Foto: SWR, Frank Wiesner)

Das Buch zum Familienalbum: Erinnerungen eines Heidenheimers

1.200 Seiten handschriftlich: 95-Jähriger schreibt seine Lebensgeschichte auf

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AUTOR/IN
Frank Wiesner
Frank Wiesner (Foto: SWR, SWR -  Oliver Schmid)

Alte Menschen haben viel zu erzählen, doch oft sterben ihre Geschichten und Erinnerungen mit ihnen. Der Heidenheimer Helmut Weiss hat einen Weg gefunden, genau das zu verhindern.

Noch in der Corona-Pandemie fängt Helmut Weiss aus Heidenheim mit dem Schreiben an - und hört erst nach 1.200 Seiten wieder auf. Alles von Hand geschrieben. Mittlerweile ist ein Buch daraus entstanden: "Mein langes Leben im Fluss der Zeit".

Helmut Weiss ist 95 Jahre alt. In seinem Alter können manche Menschen nicht einmal mehr lesen. Helmut Weiss kann sogar noch sehr gut schreiben - und wie: Vor etwa fünf Jahren kam die Idee zum Buch auf. Das Manuskript entstand in den Lockdowns der Corona-Pandemie.

Dann habe ich am Abend ganz einfach oftmals drei Stunden durchweg geschrieben. Und das ist gut gelaufen. Und immer tiefer kam ich hinein. Und dann hat es angefangen, Spaß zu machen zu schreiben.

Interessant dabei: In seinem Manuskript, dass mehrere Aktenordner füllt, findet man nicht ein durchgestrichenes Wort. Helmut Weiss hat alles chronologisch aufgeschrieben, fein säuberlich. "Das liegt an meiner Ordnungsliebe. Ich kann das nicht leiden, durchgestrichene Sachen", erzählt er. Wer so strukturiert schreiben kann, der hat einen ganz klaren Verstand und die Erinnerungen ganz klar vor Augen.

Eine der 1.200 handgeschriebenen Seiten als Beispiel dafür, wie Helmut Weiss sauber gearbeitet hat: Er hat nichts durchgestrichen. (Foto: SWR, Frank Wiesner)
1.200 Seiten handgeschrieben und nicht einmal durchgestrichen: Der 95-jährige Helmut Weiss aus Heidenheim hat seine Lebengeschichte aufgeschrieben - und zwar fein säuberlich, ohne Durchstreichen.

Vom Riesengebirge nach Heidenheim: Ein Leben mit vielen Stationen

Helmut Weiss erzählt seine Geschichte ganz lebendig. Es ist die Geschichte eines vertriebenen Sudetendeutschen, wie es sie in ähnlicher Form tausendfach gab. Also ein Leben mit vielen Stationen: Geboren 1929 im Riesengebirge, Soldat am Ende des zweiten Weltkriegs, als Vertriebener nach Heidenheim gekommen, Familie gegründet mit seiner Klementine und 45 Jahre bei Siemens gearbeitet. Ein bewegtes Leben, viel zu erzählen – viel zu schreiben.

Autorin Renate Hartwig unterstützte Helmut Weiss bei seinem Buch

476 Seiten gedruckter Text – keine Bilder. Helmut Weiss war von Beruf Werkzeugmachermeister. Den Anstoß für sein Buch gab die Autorin Renate Hartwig. Sie hat auf ihr Buch "Erbschleicher und sonstige Verwandte" viele Reaktionen von älteren Menschen bekommen. Deren Geschichten wollte sie erzählen und mit den Geschichten junger Menschen in einem Buch mit dem Arbeitstitel "Begegnungen" zusammenbringen.

Dafür suchte sie Protagonisten und stieß auf Helmut Weiss. Eigentlich sollte Weiss nur Stichworte beitragen, doch damit kam er nicht klar und fing an zu schreiben. Als er ihr dann die 1.200 Seiten vorlegte, half sie ihm, daraus sein Buch zu machen. An den "Begegnungen" arbeitet Renate Hartwig noch immer. Corona und Helmut Weiss kamen dazwischen.

Helmut Weiss, 95 Jahre alt, steht an seinem Esstisch und blättert im Fotoalbum der Familie. (Foto: SWR, Frank Wiesner)
Hat jetzt das Buch zum Familienalbum erstellt: Helmut Weiss hat seine Lebensgeschichte aufgeschrieben - auf 1.200 Seiten.

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