Wildtiermonitoring bringt neue Einsichten ins Tierleben

Der Herr der Kameras: Tag- und Nachtleben im Nationalpark

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Von Autor/in Ulrike Mix

Es ist eine Welt, die man sonst nicht zu Gesicht bekommt: Die Tierwelt des Nationalparks Schwarzwald. Doch einer sieht alles: Der Herr der Kameras, Raffael Kratzer.

Zwei Auerhähne sind voreinander in Stellung gegangen und schlagen mit weit ausgebreiteten Flügeln aufeinander ein. Es geht vor und zurück. Der Stoß - also der pfauenartige, schwarze Schwanz der Auerhähne - ist mal steil aufgerichtet, mal fällt er nach unten. Eine besondere Szene, quasi ein Sonntagstreffer, den eine Wildtierkamera im Nationalpark Schwarzwald aufgezeichnet hat. Entstanden ist der Film im Rahmen eines Schutzprojekts für die vom Aussterben bedrohten Tiere.

Zwei Auerhähne kämpfen im Nationalpark Schwarzwald ums Revier. Dabei schlagen sie sich gegenseitig mit den Flügeln.
Zwei Auerhähne kämpfen im Nationalpark Schwarzwald ums Revier. Dabei schlagen sie sich gegenseitig mit den Flügeln.

Nationalpark Schwarzwald will Auerhühner schützen

Seit zwei Jahren betreut Forstwissenschaftler Raffael Kratzer vom Nationalpark den sogenannten "Notfallplan Auerhuhn". Die Tierart ist im gesamten Schwarzwald vom Aussterben bedroht. 2022 gab es im Nationalpark nur noch 17 balzende Auerhähne. Inzwischen hat sich der Bestand stabilisiert. 2024 waren es 28 balzende Auerhähne. Damit sei die Tierart zwar immer noch gefährdet, so Raffael Kratzer, aber immerhin: Das Schutzprojekt zeigt Wirkung. Und das Monitoring mit den Kameras sei ein wichtiger Bestandteil davon.

Wildtierkameras helfen beim Tierschutz

Die Kameras, die das Verhalten der Tiere filmen, geben Raffael Kratzer wichtige Hinweise darauf, wie er die störungsempfindlichen Auerhühner schützen kann. So habe man lange Zeit gedacht, dass Auerhähne nur bis in den frühen Vormittag balzen. Filme haben aber gezeigt: Die Tiere balzen zum Teil bis zum Mittag. Als Folge sind im Nationalpark Wege, die nah an den Balzplätzen vorbei führen, für längere Zeit gesperrt worden als vorher. Und auch die Brutplätze werden streng geschützt.

Ein Auerhahn balzt mit aufgestelltem Stoß und erhobenem Kopf im Nationalpark Schwarzwald, um Hennen anzulocken.
Ein Auerhahn balzt im Nationalpark Schwarzwald. Da die Tiere dort geschützt werden, hat sich ihr Bestand in den vergangenen zwei Jahren stabilisiert. Das Bild hat eine Wildtierkamera im Nationalpark aufgezeichnet.

Kameras im Nationalpark überwachen auch Rotwild

Insgesamt gibt es im Nationalpark Schwarzwald laut Raffael Kratzer rund 100 Kameras, die Tag und Nacht auslösen, wenn sich in ihrer Nähe etwas bewegt. Neben Auerwild hat der Herr der Kameras auch Bilder mit einem durchziehenden Wolfsrüden, einem Luchs mit seinem Riss und jeder Menge Rotwild - also Hirsche und Hirschkühe. Die Daten zum Rotwildbestand seien für den Nationalpark besonders interessant. Und auch für Jäger und Privatwaldbesitzer.

Rotwildbestand im Nationalpark Schwarzwald stabil

Denn im Kerngebiet des Nationalparks Schwarzwald, den es seit zehn Jahren gibt, werden Hirsche und Hirschkühe nicht gejagt. Man gönnt ihnen Ruhe, damit sie und andere Tierarten wie das Auerwild ungestört leben, sich ernähren und fortpflanzen können. Gejagt wird nur an den Außengrenzen des Nationalparks.

Anrainer befürchten immer wieder, dass das Rotwild aus dem Nationalpark überhand nehmen könnte. Weil die Tiere beim Herumstreifen teils auch außerhalb des Nationalparks unterwegs sind, könnten sie in Privatwäldern Bäume anknabbern und sie damit für den Holzeinschlag unbrauchbar machen.

Ein Hirsch streift im Nationalpark Schwarzwald durch Heidelbeersträucher.
Ein Hirsch streift im Nationalpark Schwarzwald durch Heidelbeersträucher.

Doch Raffael Kratzers Daten zeigen: Das Rotwild hat sich im Nationalpark Schwarzwald nicht wesentlich vermehrt. Es gibt etwa 200 Hirsche und Hirschkühe. Im Park verursachen die Tiere auch kaum Schäden an Bäumen. Das passiere in der Regel nur, wenn sie zu wenig offene Flächen zum Äsen haben - oder wenn sie beim Äsen gestört werden und sich ins Dickicht zurückziehen. Vor Hunger seien sie dann gezwungen, Bäume anzuknabbern.

Frank Schröder: "Rotwild kein Grund zur Sorge"

Der Jäger Frank Schröder ist Vorsitzender der Rotwildhegegemeinschaft Murg-Rheinvorland und sieht das ähnlich: Es gebe zwar rund um den Nationalpark einige Regionen, in denen Rotwild Bäume schädige - doch es gebe keinen Beleg dafür, dass diese Schäden entstehen, weil im Nationalpark weniger gejagt werde. Teilweise gebe man den Tieren einfach nicht genug Äsungsfläche.

Ein Hirsch hat sich nachts im Nationalpark Schwarzwald im Matschboden gesuhlt und röhrt jetzt in eine an einem Baum befestigte Wildtierkamera.
Ein Hirsch hat sich nachts im Nationalpark Schwarzwald im Matschboden gesuhlt und röhrt jetzt in eine an einem Baum befestigte Wildtierkamera.

Rotwild wichtig für die Auerhühner

Im Nationalpark sieht Raffael Kratzer die Hirsche und Hirschkühe nicht nur gerne - er braucht sie auch. Sie haben eine wichtige Funktion im Ökosystem. Weil sie sich zu 50 Prozent von Heidelbeersträuchern ernähren, halten sie die Vegetation flach, sagt der Forstwissenschaftler. Das wiederum schafft gute Lebensbedingungen für die gefährdeten Auerhähne und -hennen. Denn die mögen keine hohen Büsche. Und wo heute noch eine Hirschsuhle ist, entsteht morgen vielleicht ein schöner, offener Platz im Wald, auf dem ein Auerhahn im Frühjahr balzen kann.

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