Seit August leiten Ulrike und Christoph Brandner die Jugendherberge Tübingen. Dass sie mit Anfang 50 beruflich nochmal komplett neu durchstarten, war und ist für die beiden selbst wohl die größte Überraschung. "Der Jugendherbergsverband hatte die Stelle ausgeschrieben und wir haben uns einfach beworben", erzählt Ulrike Brandner lachend. Schon längere Zeit hatte sie mit ihrem Mann Christoph darüber nachgedacht, ein gemeinsames Projekt in Angriff zu nehmen - zum Beispiel die Leitung eines Feriendorfes.

Die Brandners scheuen lange den großen Schritt. "Solange die Kinder noch klein waren, wäre das auch nicht gegangen. Außerdem leben wir gern in Pliezhausen, wir fühlen uns sehr wohl dort und wollten auch nicht wegziehen."
Raus aus den alten Jobs - rein ins Abenteuer
Beide arbeiteten in sicheren Jobs. Ulrike Brandner leitete ein Kinderhaus in Reutlingen, Christoph Brandner arbeitete bei Bosch. "Finanziell konnten wir uns nie beklagen", sagen sie. Doch dann waren die eigenen drei Kinder groß. Die berufliche Unzufriedenheit wuchs.
Bis zur Rente wollte ich nicht bleiben. Ich war nicht mehr richtig glücklich.
Und dann - eine ganze Weile später - die Zusage des Jugendherbergsverbands: Die Brandners können die Tübinger Jugendherberge übernehmen. Wollen sie noch? "So richtig mussten wir dann eigentlich gar nicht mehr überlegen", erzählt Ulrike Brandner strahlend: "Wir haben unsere Entscheidung seitdem keinen Tag bereut."
Jugendherberge Tübingen: Kaffee mit Neckarblick
Das Haus mit den 200 Betten liegt genau am Neckar. Dort, auf der Terrasse mit Wasserblick, starten die Brandners ihre Arbeitstage. "Morgens schnell eine Tasse Kaffee und einmal durchsprechen, was am Tag alles so ansteht", und dann geht es los, erzählen sie.

Es steht immer eine Menge an. Während sich Ulrike Brandner morgens erst einmal um den Papierkram kümmert, hilft ihr Mann beim Frühstücksservice mit. Parallel wird schon für den Mittag vorgekocht. Frisch - nach Möglichkeit. Und auf den Zimmern ist immer irgendetwas kaputt. Hier hat ein Waschbecken einen Sprung, dort ist ein Bett aus der Verankerung gerissen. Langweilig wird es in der Jugendherberge nicht.
Handwerkliches Geschick hilft im neuen Job
"Zum Glück kann ich so etwas alles selbst reparieren", sagt Chistoph Brandner, während er das defekte Waschbecken austauscht. "Wenn wir für jede Kleinigkeit einen Handwerker holen müssten, wären wir verloren." Manchmal kommt Sohn Phillip zum Helfen vorbei: "Wenn es sein muss, packt die ganze Familie mit an."

Ganz unterschiedliche Gäste im Haus
Ulrike Brandner hat unterdessen einen Deal mit einem Blasorchester ausgehandelt. "Die kommen im Juni und mieten die ganze Herberge!" Da wird es sehr laut und lustig im Haus, erzählt die 50-Jährige. Die Bläser-Truppe kommt zum zweiten Mal.
Ganz anders, als die Schachmeisterschaft in der Jugendherberge ausgetragen wurde. "Da war es muxmäuschenstill im ganzen Haus. Da sind selbst wir über die Flure geschlichen", erzählt sie.
Manchmal sehe ich meinen Mann den ganzen Tag nicht. Das Haus ist einfach zu groß. Aber deshalb funktioniert es auch so gut zwischen uns.
Deshalb so glücklich mit Entscheidung
Zum Mittagessen treffen sich die Brandners dann wieder im trubeligen Speisesaal - meist zusammen mit allen Mitarbeitenden. "Manchmal sehe ich meinen Mann den ganzen Tag nicht. Das Haus ist einfach zu groß. Aber deshalb funktioniert es auch so gut zwischen uns." Ulrike Brandners Lachen ist ansteckend.
Ob sie zufrieden sind mit ihrem Neustart? "Ich würde keinen Tag tauschen wollen", seufzt Christoph Brandner. "Ich sage immer: Hier jetzt 15 Jahre Urlaub machen und dann in Rente gehen." Und seine Frau nickt: "Wir sind einfach ein tolles Team. Zusammen schaffen wir alles."