Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer kritisiert, dass Deutschland mit seinen Leistungen ukrainische Geflüchtete anziehe. Sogar aus anderen EU-Ländern kämen zurzeit Geflüchtete nach Deutschland, obwohl sie dort sicher gewesen wären, sagte er in der Sendung Maybrit Illner im ZDF. Das würden die Passkontrollen bei Menschen aus der Ukraine bestätigen, so Palmer.
Menschen bekommen in Deutschland hohe Sozialleistungen
In diesem Punkt widerspricht der Tübinger Landrat dem Oberbürgermeister: Niemand würde Pässe kontrollieren. Es gebe also keine Zahlen dazu, wie viele ukrainische Geflüchtete aus anderen EU-Ländern nach Deutschland kämen. Dennoch stimmt Walter Palmer teilweise zu: Nach Deutschland kämen nicht nur Geflüchtete direkt aus der Ukraine. Diese Menschen würden mit Sekundärmigration die Unterkünfte füllen. Grund für die Anziehung - auch Pull-Faktor genannt - seien die hohen Sozialleistungen.
Landrat Walter warnt vor Winter
Im Winter könnte diese Situation besonders eng werden, warnt Walter. Wenn es in der Ukraine kälter wird und die Menschen wegen der zerstörten Infrastruktur durch den russischen Angriffskrieg kaum mehr heizen können, würden noch mehr Menschen aus dem Land flüchten. Deswegen müsse Deutschland etwas gegen die Sekundärmigration tun.
Wenige ukrainische Geflüchtete aus anderen EU-Ländern
Die Geschäftsführerin des Reutlinger Integrationszentrums Dialog e.V., Galina Lerner, hat einige wenige Ukrainer kennengelernt, die aus anderen EU-Ländern, beispielsweise aus Italien, Rumänien oder Polen nach Deutschland gekommen sind. Sie schätzt den Anteil im einstelligen Prozentbereich. Sie sagt, dass die ukrainischen Geflüchteten aus anderen EU-Ländern nicht wegen des Geldes gekommen seien. Sie würden nicht das Bessere vom Guten suchen, sondern nur eine Möglichkeit, wie sie ihre Familie durchbringen können.
Leistungen sorgen für "soziale Hängematte"
Ukrainische Geflüchtete bekommen in Deutschland Hartz IV. Das ist mehr als andere Geflüchtete, die Leistungen nach dem Asylleistungsgesetzbuch bekommen. So würden sie angezogen und in eine "soziale Hängematte" gelegt, kritisiert Landrat Walter. Auch Palmer bemängelte diese Ungleichbehandlung bei der Sendung Maybrit Illner.
Palmer fordert: Nothilfe statt Integration
Ein weiterer Vorschlag Palmers: Nothilfe statt Integration. Anstatt viel Geld in Sprachkurse, Kita- oder Schulplätze für ukrainische Geflüchtete zu stecken, könne man sie unter sich in ihren Unterkünften lassen. Schließlich würden sie ohnehin schnellstmöglich zurück in die Ukraine wollen. Diesen Vorschlag findet die Integrationshelferin Galina Lerner falsch. Mit Deutschkenntnissen könnten ukrainische Geflüchtete innerhalb weniger Monate einfache Arbeiten übernehmen und würden so dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Niemand weiß, wie lange der Krieg in der Ukraine noch dauern wird
Der Krieg in der Ukraine dauert inzwischen fast neun Monate. Niemand wisse, wie lange der Krieg noch dauere, so Galine Lerner. Deswegen sei Integration auch die bessere Lösung als reine Nothilfe. Die Kreise Tuttlingen, Rottweil, Sigmaringen und Zollernalb ebenso wie die Städte Reutlingen und auch Tübingen haben dem SWR gesagt: Sie verfolgen weiterhin das Ziel, ukrainische Geflüchtete zu integrieren.