Eine Ukraine-Flagge neben einer EU-Flagge (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Landrat von Tübingen spricht von "sozialer Hängematte"

Boris Palmer kritisiert: Zu viel Geld für Geflüchtete aus der Ukraine

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Ingemar Koerner
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Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer beschwert sich: Deutschland ziehe zu viele ukrainische Geflüchtete an, weil sie hier viel Geld bekämen. Landrat Joachim Walter stimmt zu.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer kritisiert, dass Deutschland mit seinen Leistungen ukrainische Geflüchtete anziehe. Sogar aus anderen EU-Ländern kämen zurzeit Geflüchtete nach Deutschland, obwohl sie dort sicher gewesen wären, sagte er in der Sendung Maybrit Illner im ZDF. Das würden die Passkontrollen bei Menschen aus der Ukraine bestätigen, so Palmer.

Menschen bekommen in Deutschland hohe Sozialleistungen

In diesem Punkt widerspricht der Tübinger Landrat dem Oberbürgermeister: Niemand würde Pässe kontrollieren. Es gebe also keine Zahlen dazu, wie viele ukrainische Geflüchtete aus anderen EU-Ländern nach Deutschland kämen. Dennoch stimmt Walter Palmer teilweise zu: Nach Deutschland kämen nicht nur Geflüchtete direkt aus der Ukraine. Diese Menschen würden mit Sekundärmigration die Unterkünfte füllen. Grund für die Anziehung - auch Pull-Faktor genannt - seien die hohen Sozialleistungen.

Ukrainische Geflüchtete kommen nicht nur aus der Ukraine nach Deutschland - auch per "Sekundärmigration" aus anderen EU-Ländern.  (Foto: IMAGO, Mike Schmidt)
Ukrainische Geflüchtete kommen nicht nur aus der Ukraine nach Deutschland - auch per "Sekundärmigration" aus anderen EU-Ländern.

Landrat Walter warnt vor Winter

Im Winter könnte diese Situation besonders eng werden, warnt Walter. Wenn es in der Ukraine kälter wird und die Menschen wegen der zerstörten Infrastruktur durch den russischen Angriffskrieg kaum mehr heizen können, würden noch mehr Menschen aus dem Land flüchten. Deswegen müsse Deutschland etwas gegen die Sekundärmigration tun.

"Damit wir die, die direkt aus der Ukraine, aus diesem furchtbaren Krieg heraus zu uns flüchten, noch aufnehmen können und nicht im Winter noch Zelte aufbauen müssen. Das darf nicht passieren."

Wenige ukrainische Geflüchtete aus anderen EU-Ländern

Die Geschäftsführerin des Reutlinger Integrationszentrums Dialog e.V., Galina Lerner, hat einige wenige Ukrainer kennengelernt, die aus anderen EU-Ländern, beispielsweise aus Italien, Rumänien oder Polen nach Deutschland gekommen sind. Sie schätzt den Anteil im einstelligen Prozentbereich. Sie sagt, dass die ukrainischen Geflüchteten aus anderen EU-Ländern nicht wegen des Geldes gekommen seien. Sie würden nicht das Bessere vom Guten suchen, sondern nur eine Möglichkeit, wie sie ihre Familie durchbringen können.

"Es war einfach eine Verzweiflungstat, weil in den Ländern nichts mehr funktioniert hatte".

Leistungen sorgen für "soziale Hängematte"

Ukrainische Geflüchtete bekommen in Deutschland Hartz IV. Das ist mehr als andere Geflüchtete, die Leistungen nach dem Asylleistungsgesetzbuch bekommen. So würden sie angezogen und in eine "soziale Hängematte" gelegt, kritisiert Landrat Walter. Auch Palmer bemängelte diese Ungleichbehandlung bei der Sendung Maybrit Illner.

In den hohen Sozialleistungen für ukrainische Geflüchtete sehen Palmer und Walter starke Anziehungskräfte - sogenannte "Pull-Faktoren". Landrat Walter nett die Leistungen "soziale Hängematte". (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Marijan Murat)
In den hohen Sozialleistungen für ukrainische Geflüchtete sehen Palmer und Walter starke Anziehungskräfte - sogenannte "Pull-Faktoren".

Palmer fordert: Nothilfe statt Integration

Ein weiterer Vorschlag Palmers: Nothilfe statt Integration. Anstatt viel Geld in Sprachkurse, Kita- oder Schulplätze für ukrainische Geflüchtete zu stecken, könne man sie unter sich in ihren Unterkünften lassen. Schließlich würden sie ohnehin schnellstmöglich zurück in die Ukraine wollen. Diesen Vorschlag findet die Integrationshelferin Galina Lerner falsch. Mit Deutschkenntnissen könnten ukrainische Geflüchtete innerhalb weniger Monate einfache Arbeiten übernehmen und würden so dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Niemand weiß, wie lange der Krieg in der Ukraine noch dauern wird

Der Krieg in der Ukraine dauert inzwischen fast neun Monate. Niemand wisse, wie lange der Krieg noch dauere, so Galine Lerner. Deswegen sei Integration auch die bessere Lösung als reine Nothilfe. Die Kreise Tuttlingen, Rottweil, Sigmaringen und Zollernalb ebenso wie die Städte Reutlingen und auch Tübingen haben dem SWR gesagt: Sie verfolgen weiterhin das Ziel, ukrainische Geflüchtete zu integrieren.

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Wohnraum für Geflüchtete Horb baut Containerdorf für Menschen aus der Ukraine

In Horb (Kreis Freudenstadt) soll ein Containerdorf für geflüchtete Menschen aus der Ukraine entstehen. Ab kommendem Frühjahr sollen dort Geflüchtete untergebracht werden.

SWR4 BW aus dem Studio Tübingen SWR4 BW aus dem Studio Tübingen

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