Yaser und Omar Alabsi (Foto: SWR)

Serie: "Eine neue Heimat im Südwesten" - Teil 2

Aus dem Foltergefängnis nach Herbolzheim

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AUTOR/IN
Paula Kersten

Yaser Alabsi und Sohn Omar haben sich in Deutschland ein neues Leben aufgebaut. Nachdem Yaser in Syrien zwölf Jahre inhaftiert war, arbeitet er nun in Herbolzheim in der Pflege.

Yaser Alabsi streicht dem Pflegepatienten Walter Sillmann mit einem feuchten Waschlappen über das Gesicht. Alabsi hat graue Haare, genauso wie Sillmann, und Falten um die braunen Augen. Der 61-Jährige arbeitet seit knapp drei Jahren als Pflegehilfskraft. Er liebt seinen Job, erzählt er mit sanfter Stimme: "Mein Herz ist mit ihm, mit allen!" Die Patientinnen und Patienten schätzen sie ihn sehr, genauso wie das Personal. Für seine Fürsorge genauso wie für seinen Humor.

Schwere Zeit im Gefängnis

Seine schwere Vergangenheit sieht man Yaser Alabsi nicht an. Er saß in Syrien zwölf Jahre im Gefängnis, weil er Gesetze der Regierung Assads kritisiert hatte – damals regierte noch Hafiz al-Assad, der Vater des heutigen Diktators. Er sei jung gewesen und habe vom Leben noch nicht viel verstanden, erzählt Yaser. Einen triftigen Grund für die Verhaftung habe es nicht gegeben. Als er eingesperrt wurde, war er gerade mal 17 Jahre alt. Als knapp 30-Jähriger kam er wieder frei.

Yaser und Omar Alabsi (Foto: SWR)
Yaser Alabsi begleitet den Pflegepatienten Walter Sillmann auf den Markt in Herbolzheim.

Die ersten Jahre im Gefängnis waren die schlimmsten, erzählt Yaser Alabsi. Er wurde zunächst in das berüchtigte Militärgefängnis von Tadmor gebracht. Schläge standen dort auf der Tagesordnung: vor dem Duschen, vor dem Essen. Jeden Tag drei bis sieben Mal, mitunter stundenlang. An manchen Tagen wurden bis zu hundert willkürlich ausgewählte Mithäftlinge hingerichtet, erhängt. Es hätte jeden treffen können – Yaser Alabsi hat überlebt. Neben der Ungewissheit war Hunger ein ständiger Begleiter. Manchmal wurde ein einzelnes Ei unter mehreren Häftlingen aufgeteilt, erzählt Alabsi. Wasser habe es kaum gegeben. Sieben Jahre lang war Yaser Alabsi in Tadmor inhaftiert. 2015 haben Kämpfer des sogenannten Islamischen Staats das Gefängnis in die Luft gesprengt.

"Es gab viele Probleme im Gefängnis. Aber ich denke an das, was gut ist!"

Yaser Alabsi wurde nach Sednaya verlegt. Dort waren die Haftbedingungen damals besser, so Alabsi. Es gab Bücher, Brot und weniger Schläge. Die Häftlinge haben aus Brot und Asche Schachfiguren geformt und damit Partie um Partie gespielt.

Yaser und Omar Alabsi (Foto: SWR)
Yaser Alabsi und sein Sohn Omar spielen öfters zusammen Schach - auch wenn Yaser kaum zu schlagen ist, wie sein Sohn berichtet.

An das denken, was gut ist

Wenn Yaser Alabsi von seinen Jahren im Gefängnis erzählt, spricht er kaum über die Schläge und den Hunger. Er spricht über das, was ihm durch diese Zeit geholfen hat: die Mithäftlinge. "Wir waren wie eine Familie", so Alabsi, "Wenn es ein Problem gibt und mehrere Menschen zusammen da durchmüssen, dann vergisst man irgendwann das Problem. Jeder hat jedem geholfen." Im Gefängnis saßen hochgebildete Menschen: Lehrer, Professoren, intellektuelle Kritiker des Regimes. Er habe in Gesprächen mit ihnen in der Haft viel gelernt, erzählt Alabsi. Dennoch haben die Jahre im Gefängnis seine eigentlichen Lebenspläne zunichte gemacht. In Herbolzheim hat er sich zusammen mit seiner Familie ein neues Leben aufgebaut.

Yaser und Omar Alabsi (Foto: SWR)
Integrationsmanager Christoph Götz vom DRK Kreisverband Emmendingen und Omar Alabsi kennen sich schon lange. Er und sein Team haben Omar bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützt.

Ausbildungsplatz gesucht

Yasers Sohn Omar Alabsi konnte seinen Traum verwirklichen. Der Weg dahin war alles andere als leicht. Omar hat lange in einem Warenhaus gearbeitet, weil er keinen Ausbildungsplatz gefunden hat. Nach mehr als 20 Bewerbungen hat es dann endlich geklappt. Schon in Syrien wollte er gerne in der IT-Branche arbeiten - diesen August hat er eine Ausbildung in der IT-Systemintegration in Kenzingen begonnen.

Als Omar Alabsi 2018 nach Deutschland gekommen ist, ging es ihm zunächst nicht gut. Es hätte lange gedauert bis zum Beginn der Deutschkurse, die ersten sechs Monate habe er nur zuhause verbracht, erzählt er. Heute ist das anders. So wie auch sein Vater mag er seine Arbeit sehr. Nur mehr Kontakt zu Deutschen würde er sich manchmal wünschen. "Ich kann ja nicht einfach zu den Leuten hingehen und fragen, ob sie mit mir befreundet sein wollen. Das geht ja nicht!", so Omar Alabsi lachend. Aber durch die Ausbildung, so hofft er, wird er auch mehr Menschen kennen lernen.

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Warum eine Schultüte manchmal die Welt bedeuten kann, weiß Zeyneb Othman. Sie ist Flüchtlingssozialarbeiterin im Landkreis Emmendingen und hilft Geflüchteten in Südbaden.

SWR4 BW aus dem Studio Freiburg SWR4 BW Südbaden

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Paula Kersten