Die alte und die neu überarbeite Design-Version von Jim Knopf. (Foto: Thienemann Verlag)

Stereotypische Darstellung angepasst

Stuttgarter Verlag streicht N-Wort aus "Jim Knopf"-Büchern

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Deborah Kölz
Porträt Reporterin Deborah Kölz (Foto: SWR)

Ab Samstag gibt es eine neue Version der "Jim Knopf"-Kinderbücher. Der Verlag hat in der Neuauflage das sogenannte N-Wort gestrichen und das Design angepasst.

In der kolorierten Neuauflage der beiden "Jim Knopf"-Bücher verzichten die in Stuttgart ansässigen Thienemann Verlage künftig auf das als rassistisch geltende N-Wort. Kinder, die die Bücher jetzt lesen, sollen diese sprachlichen Elemente nicht mehr in ihren Alltagswortschatz übernehmen, heißt es vom Verlag. Die Textänderungen seien eng mit den Erben von "Jim Knopf"-Autor Michael Ende abgestimmt worden.

Neben der Streichung des N-Worts wurden auch einige stereotypische Beschreibungen reduziert. Die Gleichsetzung von schwarzer und schmutziger Haut, die Michael Ende als eines der Stilmittel einsetzt, könnte heute beispielsweise als diskriminierend wahrgenommen werden, teilte der Verlag am Donnerstag mit. Dabei sei Michael Ende immer weltoffen und für die Kinder gewesen.

"Jim Knopf"-Buch war Gegenbild zu Nazi-Ideologie

Der Autor hatte "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" Anfang der 1960er-Jahre geschrieben. In dem Kinderbuch habe er ein "Gegenbild zur nationalsozialistischen Ideologie gezeichnet, mit der er in seiner Jugend selbst konfrontiert war. Ende tat dies auf spannende und humorvolle Weise in einer Sprache und Bildern, die auch für Kinder verständlich sind", so der Verlag. Das sei es schade, dass wegen des N-Worts immer wieder Rassismus-Vorwürfe gegen das Buch kamen, sagte Bärbel Dorweiler. Die Chefin der Thienemann Verlage sagte dem SWR, das werde der Geschichte nicht gerecht. "Das hat der Freude am Lesen und der Vermittlung des Buches mittlerweile im Wege gestanden."

Weder das Buch noch Michael Ende, sein Autor, sind jemals rassistisch gewesen.

Beide "Jim Knopf"-Bücher würden davon handeln, dass unterschiedlichste Menschen (oder im Buch auch Kreaturen wie ein Halbdrache) Freunde werden können und man sich vor Unbekanntem oder Andersartigkeit nicht fürchten muss. Zudem wurde das N-Wort im Buch nur von dem Charakter Herrn Ärmel verwendet, "um auf die fehlende Weltoffenheit dieses typischen Untertans hinzuweisen", wie der Verlag berichtet. Mit den Änderungen sind sich Erben und Verlag sicher, im Sinne des 1995 in Filderstadt (Kreis Esslingen) verstorbenen Autors zu handeln.

Ein Jim Knopf Buch mit den Original-Bildern - jetzt aber bunt eingefärbt.  (Foto: dpa Bildfunk, Marijan Murat)
Seit 2015 bringt der Verlag auch eine kolorierte Version von "Jim Knopf" heraus.

Design geändert: Keine dicken Lippen und keine Pfeife

Auch das Aussehen von Jim Knopf wurde in den bunt gedruckten Ausgaben leicht angepasst: Das Gesicht ist zum Beispiel nicht mehr mit früher klischeehaften dicken, rosa Lippen dargestellt. Aber auch die Tabakpfeife hat der in der Geschichte 14-jährige Buchheld nicht mehr im Mund. Das Ursprungsdesign von Illustrator F. J. Tripp mit den oval-liegenden Köpfen ist aber geblieben.

Bücher mit den Original-Schwarz-Weiß-Zeichnungen verkauft der Verlag aber auch weiterhin. Darin befindet sich in Zukunft ein einordnendes Nachwort. In der Fersehserie "Jim Knopf", die ab 1999 auf dem Kinderkanal KI.KA lief, war der Charakter bereits ähnlich wie in der neuen Buchauflage dargestellt - ohne stereotypische Darstellungsmerkmale, die früher für Schwarze Menschen in Zeichnungen verwendet wurden.

Literatur Michael Ende: "Jim Knopf" und "Die unendliche Geschichte"

Jim Knopf,  Lukas, der Lokomotivführer und Momo: Diese und viele andere bekannte Figuren stammen aus der Feder des Schriftstellers Michael Ende. Im Gespräch mit den Schriftstellern Ulrike Draesner und John von Düffel reisen wir nach Phantásien und Lummerland.

Kritik von der AfD-Fraktion

Der kulturpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Rainer Balzer, kritisierte das Vorgehen des Verlags. Die Tilgung des N-Wortes sei ein "seltener Akt von Kulturbarbarei gegen einen Autor, der sich nicht mehr wehren könne" - so sein Vorwurf an den Verlag. Außerdem nannte er die Entscheidung der Thienemann Verlage "literarische Leichenfledderei", berichtet die Katholische Nachrichtenagentur (KNA).

Den Vorwurf der Kulturbarberei weisen die Thienemann Verlage mit Sitz in Stuttgart dagegen entschieden zurück: Alle Änderungen seien eng mit den Nachlassverwaltern des Autors und Illustrators abgestimmt worden - sonst hätte man sie gar nicht umsetzen können, so Verlagschefin Bärbel Dorweiler.

Ich kann jedem AfD-ler nur empfehlen, "Jim Knopf" zu lesen - egal in welcher Fassung. Da werden sie sehr, sehr viel draus lernen.

Inwieweit Kinder und Jugendliche Bücher mit dem sogenannten N-Wort darin lesen sollten, wurde im vergangenen Jahr auch kontrovers bei der neuen Abiturs-Pflichtlektüre für Baden-Württemberg diskutiert.

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