Ein Juchtenkäfer klettert einen moosbewachsenen Baum hoch. (Archivbild)

Tiere wurden umgesiedelt

Artenvielfalt und Stuttgart 21: Wie geht es Zauneidechse und Juchtenkäfer?

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Barbara Siebert
Thomas Fritzmann
Thomas Fritzmann

Alles super beim Artenschutz zu Stuttgart 21? Laut der Deutschen Bahn funktionieren die Konzepte fantastisch. Der BUND hingegen meldet Zweifel an.

Das Bahnprojekt Stuttgart 21 bleibt umstritten. Auch weil Zehntausende - teilweise vom Aussterben bedrohte - Tiere ihren Lebensraum verloren haben. Darunter auch das Insekt, das wie kein anderes für den Stuttgart-21-Protest steht: der Juchtenkäfer. Einige der Tiere wurden umgesiedelt. Wie geht es ihnen heute?

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Für die Eidechsen: Bahn baut größtes Terrarium Deutschlands

In Neuhausen auf den Fildern (Kreis Esslingen) baute die Deutsche Bahn (DB) für die Umsiedlungen das größte Terrarium der Bundesrepublik. Hunderte Eidechsen wurden um den Stuttgarter Bahnhof gesammelt, in das Terrarium gebracht und dieses hermetisch abgeriegelt, damit sie sich nicht mit den lokalen Eidechsenarten vermischen. Kostenpunkt pro Eidechse laut DB: zwischen 2.000 und 4.000 Euro.

Ein abgeriegeltes, umzäuntes Gelände mit viel Wiese. Hier sollen etliche Echsen, die bei Stuttgart 21-Bauarbeiten ihren Wohnraum verloren haben, Zuflucht gefunden haben.
"Wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, können die - inzwischen Enkel und Urenkel der Eidechsen - wieder an die Gleise in Ober- und Untertürkheim ziehen", erklärt Bahn-Projektingenieur Christoph Barleben.

Während der SWR-Dreharbeiten auf dem Gelände waren keine Eidechsen zu sehen, was allerdings mit dem schlechten Wetter zusammenhängen könnte. "Den Eidechsen geht es hier aber wunderbar", versicherte Bahn-Ingenieur Christoph Barleben. "Es werden regelmäßig Untersuchungen durchgeführt um sicherzustellen, dass die Population hier gut leben kann."

Bahn investiert 400.000 Euro für den Juchtenkäfer

Was zunächst nach einer engagierten Investition für den Artenerhalt klingt, folgt letztendlich nur geltendem Recht. Ein EU-Beschluss verpflichtete die DB, Lebensraum für den streng geschützten Käfer zu schaffen, nachdem sie für die Stuttgart-21-Baumaßnahmen sechs Bäume fällte, die Lebensraum von Juchtenkäfern waren.

Ein großer alter Baum im Schönbuch. In ihm sollen Juchtenkäfer Zuflucht finden.
Unter anderem in diesem Baum lebt der Juchtenkäfer. "Die leben in den abgestorbenen Ästen solcher großer, alter Bäume", erklärt Försterin Kathrin Klein.

Um das Gelände für den Juchtenkäfer attraktiv zu gestalten, wurden zwölf Bäume so freigestellt, dass sie eine bessere Sonneneinstrahlung erhalten. Zwölf weitere Bäume wurden mit künstlichen Löchern versehen, die sich zu Höhlen entwickeln sollen. Verantwortlich für die Pflege des Areals ist der Forstbetrieb Böblingen - im Auftrag der DB.

Juchtenkäfer seien noch keine gesichtet worden, doch dafür, dass sich der Käfer hier niedergelassen hat, gebe es Nachweise. Beispielsweise könne dies an Ausscheidungen erkannt werden.

Schönbuch-Försterin Kathrin Klein
Kathrin Klein kennt den Forstbezirk Schönbuch wie kaum eine andere.

Der Juchtenkäfer ist eine sogenannte Schirmart. Was es mit dieser Bezeichnung auf sich hat, erklärt Klein: "Juchtenkäfer stellen einen hohen Anspruch an ihren Lebensraum", sagte die Försterin. "Wenn sie überleben, können wir dadurch auch das Überleben vieler anderer Arten - wie Fledermäuse und andere seltene Käfer - garantieren."

Zweifel an Artenschutz: BUND kritisiert Intransparenz der Bahn

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigte sich wenig begeistert von den Bemühungen der Bahn. Wolf-Dietrich Paul vom BUND Stuttgart ist nach wie vor empört darüber, dass vor 14 Jahren die Bauarbeiten quer durch den Stuttgarter Schlossgarten begannen.

Am 1. Oktober 2010 wurden die ersten Bäume im Mittleren Schlossgarten unter großem Protest gefällt. Der Vortag, an dem die Polizei gewaltsam gegen Demonstrierende vorging, ging als "Schwarzer Donnerstag" in die Stuttgarter Stadtgeschichte ein.

"So etwas ist natürlich völlig daneben, dass solche Planungen an den alten Bäumen nicht vorbeigehen. Ebenso wie um Gebäude geplant wird, muss auch um Bäume geplant werden", sagt Paul. Paul sei Teil der Naturschutzbehörde gewesen - habe, nachdem er sich gegen Stuttgart 21 stellte, jedoch seine Position verloren.

Ob die Umsiedlung der Zauneidechse funktioniert hat, wissen wir bis heute nicht. Es liegen uns kaum Informationen vor.

Die Informationen, die das Eisenbahnbundesamt dem BUND zur Verfügung stellt, seien spärlich. Und auch Entscheidungen, die für den Artenschutz getroffen wurden, kritisierte Paul deutlich. "Es wäre beispielsweise viel sinnvoller gewesen, die Zauneidechse dort zu schützen, wo sie vermehrt vorkommt", so Paul.

Dass der Juchtenkäfer im Schönbuch an einem Ort geschützt wird, an dem er sowieso vorkommt, begrüßt er zwar, dennoch äußert er Zweifel. "Ob das mit den künstlichen Löchern so gut funktioniert, das wissen wir nicht - das wird die Zeit zeigen."

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