Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, nimmt an einer Pressekonferenz teil. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Zeitungsartikel zur Polizei-Affäre

Innenministerium nimmt Vorwurf der Falschberichterstattung zurück

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Tim Kukral
Tim Kukral ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg". (Foto: SWR, Patricia Neligan)
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Frieder Kümmerer
Frieder Kümmerer (Foto: privat)

Das Innenministerium hatte eine Zeitung der "wiederholt falschen Berichterstattung" bezichtigt. Jetzt rudert es zurück. Die Opposition sieht einen "Angriff auf die Pressefreiheit".

Es ist eine ungewöhnliche Mail, die am Mittwoch, den 26. Juli, in den Politik-Redaktionen baden-württembergischer Medien einging: eine Pressemitteilung des Innenministeriums "in eigener Sache", wie es darin heißt. Überschrift: "Richtigstellung Berichterstattung Stuttgarter Nachrichten und Zeitung". Weiter heißt es in der Mitteilung vom Ministerium: "Nach wiederholt falscher Berichterstattung von Franz Feyder in den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung sehen wir uns gezwungen, diese öffentlich richtigzustellen."

Eine Woche später sieht sich das von Thomas Strobl (CDU) geführte Innenministerium gezwungen, diese "Richtigstellung" wiederum zu korrigieren: "Das Ministerium hat nicht beabsichtigt, den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung eine unwahre Berichterstattung vorzuwerfen", heißt es in einer erneuten Pressemitteilung des Ministeriums vom Mittwoch, den 2. August: "Ein grundsätzlicher Angriff auf Stuttgarter Nachrichten und Stuttgarter Zeitung oder eine Infragestellung von Herrn Feyders journalistischer Arbeit war mit der Pressemitteilung (aus der Vorwoche, Anm. d. Red.) nicht bezweckt. Soweit ein abweichender Eindruck entstanden sein sollte, bedauern wir dies."

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Wie konnte es so weit kommen?

Der Reihe nach: Am 24.7.2023 hatten Stuttgarter Nachrichten (StN) und Stuttgarter Zeitung (StZ) einen Artikel veröffentlicht. Unter der Überschrift "Brisanter Besuch eines Amtschefs im Fall R." geht es darin um Jörg Krauss, der bei der Landespolizei als Leiter einer Stabsstelle für moderne Werte- und Führungskultur vorgesehen ist - und um Andreas R., den nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs freigestellten Inspekteur der Polizei.

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Der Artikel zitiert indirekt aus einer WhatsApp-Nachricht von Andreas R. an einen mit ihm befreundeten Spitzenpolizisten: "Ihm schreibt R., er habe von Landeskriminaldirektor Klaus Ziwey erfahren, dass sich Krauss für ihn bei Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz eingesetzt habe", so die beiden Zeitungen. Zu diesem Satz schrieb das Innenministerium in seiner Pressemitteilung zwei Tage später fett und unterstrichen: "Dies ist falsch." Das Ministerium zitiert in seiner Pressemitteilung einen weiteren Satz aus dem StZ/StN-Artikel und schreibt mit Blick darauf wieder fett und unterstrichen: "Auch das ist schlichtweg falsch und entbehrt jedweder Grundlage."

Innenministerium rudert zurück

Deutliche Worte - die das Innenministerium nun knapp eine Woche später relativiert hat. Denn - so heißt es in der Pressemitteilung vom 2. August: "Der Inhalt der Kurznachricht ist dem Ministerium nicht bekannt." Es ist also durchaus möglich, dass Andreas R. davon ausgegangen war, Krauss habe sich gegenüber Hinz für ihn eingesetzt - und dass er diese Annahme einem befreundeten Spitzenpolizisten mittels einer Kurznachricht mitteilte, deren Inhalt dem StZ/StN-Journalisten Feyder offenbar bekannt ist.

"Anliegen des Ministeriums war es, mit der Pressemitteilung einem Eindruck entgegenzutreten, dass sich Herr Krauss in einem Gespräch mit Frau Dr. Hinz für Herrn R. eingesetzt habe", so das Innenministerium weiter. Soll heißen: Auch wenn Andreas R. offenbar dachte, Krauss habe sich bei der Landespolizeipräsidentin für ihn eingesetzt - das sei nie geschehen, sagt das Ministerium.

Kritik an Strobl hält an

Für Innenminister Thomas Strobl ist die Angelegenheit heikel. Seit Ende 2021, dem Beginn der Affäre um Andreas R., den ranghöchsten Polizisten im Land, steht Strobl in der Kritik. Zeitweise ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen ihn, weil er den Inhalt des Faxes eines Anwalts von Andreas R. an einen Journalisten durchgestochen hatte. Dieser Journalist war Franz Feyder von den Stuttgarter Nachrichten - eben der Journalist, gegen den Strobls Ministerium nun so schwere Vorwürfe erhoben hatte. Auch gegen Feyder wurde damals ermittelt. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen beide ein, Strobl musste eine Geldauflage in Höhe von 15.000 Euro bezahlen.

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Und die Kritik an Strobl hielt an. Seit September 2022 ermittelt im Landtag ein Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre. Der Ausschuss fokussierte sich in den vergangenen Monaten vor allem auf die Frage, wie ausgerechnet Andreas R. auf die Position des Inspekteurs der Polizei befördert werden konnte. Laut Zeugenaussagen im Untersuchungsausschuss galt Andreas R. als Wunschkandidat Strobls.

Welche Rolle spielt Jörg Krauss für das Innenministerium?

Am 18. Juli 2023 wagte Strobl eine Art Befreiungsschlag. Er verkündete der Presse: Er werde das Amt des Inspekteurs der Polizei abschaffen. Insgesamt wolle er die Führungsspitze der Landespolizei strukturell neu aufstellen. Und: Er werde eine "Stabsstelle für moderne Werte- und Führungskultur" im Innenministerium schaffen. Deren Leiter: Jörg Krauss, vor Kurzem pensionierter Ministerialdirektor im grün geführten Finanzministerium und langjähriger Polizeibeamter.

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Dass nun ausgerechnet Krauss durch die Berichterstattung der Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung mit dem Skandal-Polizisten Andreas R. in Verbindung gebracht wird und der Vorwurf im Raum steht, er habe sich für Andreas R. eingesetzt, bringt ihn und Strobl in eine schwierige Position.

Denn Grundvoraussetzung dafür, dass Krauss in seiner Funktion als Leiter der Stabsstelle für moderne Werte- und Führungskultur tatsächlich Erfolge verzeichnen kann, ist, dass er das Vertrauen der Polizeibeamten im Land genießt. Dafür sah das Ministerium in der Berichterstattung der Stuttgarter Nachrichten offenbar eine Gefahr; und sah sich dadurch laut eigener Aussage aus der ursprünglichen Pressemitteilung "gezwungen, diese öffentlich richtigzustellen" – wovon es nun wieder abrückt.

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Was sagen die Stuttgarter Nachrichten und die Stuttgarter Zeitung?

"Wir stehen zu unserer Berichterstattung", sagt der Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten, Christoph Reisinger, dem SWR: "Wir können sie auch komplett belegen." Die ursprüngliche Pressemitteilung des Innenministeriums habe die Zeitung "als massiven Einschüchterungsversuch empfunden", der darin formulierte Vorwurf der "wiederholt falschen Berichterstattung" gegen den StZ/StN-Mitarbeiter Feyder sei "nirgendwo belegt".

"Wir können unsere Berichterstattung komplett belegen."

Inzwischen habe man sich aber mit dem Ministerium außergerichtlich geeinigt. Ergebnis dieser Einigung ist offenbar die zweite Pressemitteilung des Innenministeriums, in der es Aussagen aus seiner ursprünglichen Mitteilung korrigiert.

In Folge der Gespräche mit dem Ministerium hat allerdings auch die Zeitung eine Korrektur vorgenommen. In einem zweiten Artikel Feyders, der die Reaktionen auf die erste Berichterstattung wiedergibt und der - wie auch schon der erste Artikel - sowohl auf den Seiten der Stuttgarter Zeitung als auch der Stuttgarter Nachrichten erschienen ist, stand ursprünglich: "…unsere Zeitung berichtete, dass Krauss sich für den wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe beurlaubten Polizeiinspekteurs bei Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz eingesetzt hat."

Doch dafür hat die Zeitung keine Belege - deshalb hat die Redaktion diesen Satz inzwischen korrigiert. Nun steht dort nur noch, dass Krauss sich für den Inspekteur der Polizei "eingesetzt haben soll" – ein Hinweis zu der Korrektur findet sich am Ende des Textes.

Was sagt die Opposition?

Die Opposition kritisiert Innenminister Strobl und die Kommunikation seines Ministeriums scharf. Die FDP sieht darin einen "Angriff auf die Pressefreiheit". Dieser sei allerdings "krachend gescheitert", so Nico Weinmann, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.

Ein Polizeiauto steht vor dem Landtag von Baden-Württemberg (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)
Die Polize-Affäre beschäftigt auch den Landtag von Baden-Württemberg. Ein Untersuchungsausschuss setzt sich mit dem Thema auseinander.

Der SPD-Abgeordnete Sascha Binder, Obmann im Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre, schreibt, es sei "ein Skandal, dass der Minister wiederholt die Fakten verdrehen lässt". Er sieht in der ursprünglichen Pressemitteilung des Innenministeriums einen Versuch Strobls, "ihm unliebsame Berichterstattung zu verhindern und Vertreter der Presse einzuschüchtern" - doch dieser sei "gründlich misslungen".

Der AfD-Abgeordnete Hans-Jürgen Goßner, ebenfalls Obmann im Untersuchungsausschuss, schreibt, das Innenministerium sei offensichtlich dabei ertappt worden, "wie es öffentlich falsche Anschuldigungen verbreitet". Sein Kommentar: "Das Innenministerium fährt mit vollem Tempo rückwärts aus der Sackgasse."

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