Für die beste Versorgung im Notfall hat das Innenministerium von Baden-Württemberg die Stationierung der Rettungshubschrauber auf den Prüfstand gestellt. Damit will man auf die abnehmende Zahl von Kliniken reagieren. Jetzt hat das Ministerium seine Entscheidungen veröffentlicht. Zwei Standorte sollen neu aufgebaut werden: In Lahr (Ortenaukreis) und im Bereich Ravenstein (Neckar-Odenwald-Kreis). Die Zahl der Luftrettungsstandorte im Land erhöht sich damit auf insgesamt zehn.
Veränderte Anforderungen an Notfallversorgung
Um auf veränderte Anforderungen an die Notfallversorgung und eine sich ausdünnende Kliniklandschaft zu reagieren, hatte das Ministerium ein Gutachten in Auftrag gegeben. Darin kamen Wissenschaftler des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement der Universität München zum Schluss, dass die Zahl der Rettungshubschrauber im Land von acht auf zehn erhöht werden sollte. Auch die Verlegung von Standorten war Teil der Empfehlungen, ebenso wie eine Ausdehnung der 24-Stunden-Bereitschaft auf zwei Standorte.
So sorgt der neue Standort im Bereich Ravenstein den Angaben zufolge für eine bessere Versorgung der Menschen im Stadt- und Landkreis Heilbronn und in den Landkreisen Neckar-Odenwald, Hohenlohe und Schwäbisch-Hall. Vom Standort in Lahr profitierten die Menschen im Ortenaukreis und im nördlichen Schwarzwald.
Die künftigen Luftrettungsstandorte seien insbesondere für die Notfallpatientinnen und -patienten in zahlreichen Orten wichtig, die tagsüber nicht innerhalb von 20 Minuten durch einen Rettungshubschrauber erreicht werden können, so Baden-Württembergs Staatssekretär Wilfried Klenk (CDU).
Zwei Rettungshubschrauber ziehen um
Der Rettungshubschrauber "Christoph 41" zieht von Leonberg (Landkreis Böblingen) an die BG Klinik in Tübingen um. "Christoph 45" wird von Friedrichshafen nach Deggenhausertal-Wittenhofen (Bodenseekreis) verlegt. Der Rettungshubschrauber "Christoph 43", der übergangsweise im Baden-Airpark stationiert war, kehrt zurück an das St. Vincentius Krankenhaus in Karlsruhe.
Landrat Lothar Wölfle (CDU) begrüßte die Verlegung innerhalb des Bodenseekreises: "Wir sind froh, dass das Land bei seiner Standortentscheidung die Besonderheiten des seenahen Bereiches gewürdigt hat." Industriedichte, Verkehrsaufkommen, Tourismus und besondere Einsatzlagen direkt am See, erforderten es, dass der Hubschrauber in greifbarer Nähe stationiert bleibe, teilte der Wölfle mit.
Südbaden weiter durch schweizerische Luftrettung mitversorgt
Die Standorte Freiburg, Mannheim und Ulm bleiben unverändert bestehen. In Ulm werden lediglich die Einsatzzeiten am frühen Morgen und in den Abendstunden erweitert. Eine angedachte Verlegung des Standorts in Freiburg war den Angaben nach nicht möglich, da kein für den Flugverkehr taugliches Grundstück gefunden worden sei, teilte das Ministerium mit. Es entstehe dadurch aber keine Lücke in der Versorgung. Der südbadische Raum wird demnach weiterhin rund um die Uhr durch die schweizerische Luftrettung mitversorgt.
Mit der Neustrukturierung und Erhöhung der Einsatzzeiten soll es möglich sein, tagsüber innerhalb von 20 Minuten und nachts in nicht mehr als 30 Minuten Verletzte per Hubschrauber zu erreichen. Zudem soll sichergestellt sein, dass zwischen Notruf und Klinikeinlieferung bei Diagnosen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall nicht mehr als eine Stunde vergeht. Die Empfehlungen hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement der Universität München erarbeitet.
Umzug stößt auf Gegenwind
Die Verlegung der Standorte sorgt für Diskussionen. In Wannweil (Kreis Reutlingen) gipfelte die Debatte darum letztlich in einem Bürgerentscheid. Nachdem der Gemeinderat den Hubschrauberstandort zunächst abgelehnt hatte, befürworteten 58 Prozent der Stimmberechtigten Anfang November die Stationierung des Rettungshubschraubers in der Gemeinde. Für die Entscheidung des Innenministeriums über einen Standort war das Ergebnis des Bürgerbegehrens aber nicht bindend.
An den bisherigen Hubschrauberstandorten Leonberg und Friedrichshafen bestimmt dagegen die Befürchtung einer schlechteren Versorgung das Stimmungsbild. Aus Sicht des Ministeriums zeigt der Widerstand gegen die Verlegung von Standorten, dass "die Komplexität der vorliegenden Struktur- und Bedarfsanalyse der Luftrettung in Baden-Württemberg verkannt" werde. Es gehe nicht um die Schließung einzelner "Versorgungslücken" auf Kosten der Bewohner anderer Regionen, sondern um die bessere Versorgung aller Menschen im Land, so eine Sprecherin.