Allergien keine saisonale Problematik mehr

Heidelberger Experte: "Pollen fliegen fast das ganze Jahr"

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Laufende Nasen und Niesreiz-Attacken: Die Pollen-Saison beginnt immer früher. Das macht sich auch in der Heidelberger Thorax-Klinik bemerkbar.

Früher standen die ersten Allergiepatienten irgendwann im Frühjahr bei ihrem Hausarzt auf der Matte. Aber diese Zeiten sind längst vorbei. Seit Jahren beginnt die Pollen-Saison immer früher. Woran das liegt, darüber hat SWR Aktuell mit dem Allergie-Experten Felix Herth von der Thorax-Klinik des Heidelberger Uniklinikums gesprochen.

SWR-Aktuell: Wann hatten Sie in diesem Jahr die ersten Allergie-Patienten?

Felix Herth: Die kamen relativ früh. Wenn Sie sich noch an vergangenes Weihnachten erinnern, da war alles grün, da hatten schon einige Bäume ausgeschlagen. Das heißt, wir hatten schon damals die typischen Beschwerden seitens unserer Patienten.

SWR-Aktuell: Wie sehen die Beschwerden dann aus?

Herth: Die Nase läuft und läuft und läuft, die Augen jucken so stark, dass man sie sich eigentlich rauskratzen möchte. Die Lunge macht sich bemerkbar mit Husten und Auswurf.

SWR-Aktuell: Welche Frühblüher machen den Allergikern besonders zu schaffen. Hat sich das verändert?

Herth: Es hat sich tatsächlich verändert, da wir eine sogenannte Ambrosia haben. Das ist eine Pflanze, die neben Beton aus den Fugen der Autobahn herauswächst und extrem allergen ist. Es ist also gar nicht mehr unbedingt die Birke oder die Hasel. Die Ambrosia macht sich bei uns breiter und breiter und breiter - und sie blüht eigentlich ständig. Damit hat man nicht mehr eine saisonale, sondern eine ganzjährige Problematik.

SWR-Aktuell: Wie erklären Sie sich das? Ist da der Klimawandel schuld?

Herth: Der Klimawandel hat sicher damit zu tun. Wir erleben das ja alle: Früher gab es eine Ernte, inzwischen gibt es bei uns drei Ernten. Und wenn ich jetzt z. B. auf irgendein Gras oder eine andere Pflanze reagiere, die mehrfach blüht, dann habe ich mehrfach Kontakt mit Allergenen.

SWR-Aktuell: Scheinbar ist es ja auch so, dass immer mehr allergene Pflanzen dazukommen. Stimmt das?

Herth: Es kommen immer mehr allergene Pflanzen dazu. Die Ambrosia wurde eingeführt, die gab es vor hundert Jahren wahrscheinlich in Deutschland noch gar nicht. Aber wir haben auch als Kleinstkind und Säugling immer weniger Kontakt mit Allergenen, weil immer um uns herum geputzt wird – das haben wir inzwischen nachgewiesen. Es gibt gute Daten, dass Kinder, die auf dem Schweizer Bergbauerndorf mit den Kühen aufwachsen, wesentlich weniger Allergene aufweisen, als ein deutsches Kind, das in einem hochgefönten und geputzten Kindergarten aufwächst. Es hat also viel damit zu tun, dass wir in frühester Jugend weniger Allergen-Kontakt haben und damit das Immunsystem nicht prägen können.

SWR-Aktuell: Wann sollte man denn Ihrer Meinung nach wirklich aktiv werden und ärztliche Hilfe suchen?

Herth: Wir wissen bei den Allergikern, dass da in der Regel ein sogenannter Etagenwechsel stattfindet. Wenn ihnen die Nase läuft und die Augen ein paar Tage brennen, dann kann man das mit lokalen Maßnahmen oder auch mit allgemeinen Maßnahmen behandeln. Wenn eine Frau z. B. lange Haare hat und sie den ganzen Tag draußen war, dann kann sie abends einmal ihre Haare abduschen. Ansonsten verteilen sich die Allergene, die in den Haaren drin sind, im Schlafzimmer. Aber spätestens, wenn Husten dazukommt, ist es für uns ein Zeichen, dass vielleicht ein allergisches Asthma vorliegen könnte. Das muss man behandeln – denn das wird nicht besser, sondern nur schlechter ohne Therapie.

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