Zwei Millionen Euro Fördergeld

Heidelberg: Preisgekrönte Astrophysikerin über Schwarze Löcher, Star Trek und fremde Galaxien

Stand

Physikerin Astrid Eichhorn gehört zur internationalen Forscherelite, wenn es um Schwarze Löcher geht. Die Expertin der Uni Heidelberg hat zwei Millionen Euro Fördergeld bekommen.

Für ihre Forschung zu Themen wie Schwarze Löcher, Elementarteilchen oder Dunkle Materie hat die Heidelberger Professorin für Theoretische Physik Astrid Eichhorn zwei Millionen Euro Fördergeld vom Europäischen Forschungsrat bekommen. Die 40-Jährige will mit ihrem Team damit die Quantennatur der Schwerkraft erforschen, teilte die Uni Heidelberg mit. Aber die preisgekrönte Wissenschaftlerin hat auch zu ganz anderen Themen etwas zu sagen. SWR Aktuell hat mit ihr über Schwarze Löcher, Star Trek, Außerirdische und Frauen in einem männerdominierten Wissensgebiet gesprochen.

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Astrid EichhornAstrid Eichhorn: Prof für theoretische Physik Uni Heidelberg
00:38 Min

SWR Aktuell: Sie haben in diesem Jahr zwei Millionen Euro Fördermittel für den Zeitraum von fünf Jahren vom Europäischen Forschungsrat erhalten. Warum soll sich die Gesellschaft die Erforschung Schwarzer Löcher leisten?

Eichhorn: Ich glaube, da gibt es zwei wichtige Antworten: Die eine ist, dass die Neugier, wie unsere Welt funktioniert, etwas ist, was uns als Menschen ausmacht. Es ist einfach unsere Natur, verstehen zu wollen. Die zweite Antwort ist praktischer: Ganz viele technologische Anwendungen sind aus Grundlagenforschung entwickelt worden.

SWR Aktuell: Was zum Beispiel?

Eichhorn: Ein Beispiel ist die allgemeine Relativitätstheorie, wo man erst mal denkt, das hat nichts mit dem Alltag zu tun. Aber tatsächlich würde das GPS-System nicht funktionieren, wenn wir die allgemeine Relativitätstheorie nicht hätten. Weil ganz kleine Effekte von Raumkrümmung tatsächlich eine Rolle spielen, wenn wir uns von unseren Handys durch die Gegend navigieren lassen.

SWR Aktuell: Ihr Spezialgebiet sind Schwarze Löcher. Wann haben Sie angefangen, über sie nachzudenken?

Eichhorn: Erst im Studium. Für Physik habe ich mich ab der Oberstufe in der Schule interessiert. Damals gab es die Bilder vom Hubble-Weltraumteleskop. Großartige bunte Bilder von Galaxien, die ganz weit weg sind. Dieser immense Kosmos - das hat mich irgendwie gepackt. Und auf der anderen Seite hat mich fasziniert, dass diese großartigen Gebilde, die man sieht, erklärbar sind aus der Wechselwirkung von allerkleinsten Elementarteilchen. Dieses Zusammenspiel von dem ganz Großen und dem ganz Kleinen hat mich neugierig gemacht. Schwarze Löcher kamen dann später.

SWR Aktuell: Und wofür wird die Erforschung Schwarzer Löcher irgendwann gut sein?

Eichhorn: Da würde ich sagen: Ich habe keine Ahnung. Aber das bedeutet nicht, dass es nicht in 50 oder 100 Jahren jemanden geben wird, der dann eine Idee hat. Dann wird es plötzlich ganz zentral.

Diese Möglichkeit für ganz neue Ideen und Technologien verbauen wir uns, wenn wir keine Grundlagenforschung mehr machen.

SWR Aktuell: Wie ist es für Sie, wenn Sie Sternschnuppen oder Bilder ferner Galaxien sehen? Einfach nur schön oder fragen Sie sich auch: Kann das alles Zufall sein?"

Eichhorn: Ich persönlich bin nicht religiös, aber solche Bilder lösen - glaube ich - bei allen eine gewisse Ehrfurcht vor der Natur aus. Dieses Staunen vor dem großen Kosmos und wie klein wir darin sind. Wenn ich solche Bilder sehe, gibt es bei mir zwei verschiedene Blickwinkel. Einmal: "Wow, das sieht toll aus." Und dann bin ich erfüllt von Ehrfurcht. Und zum anderen ist da der wissenschaftliche Blickwinkel, bei dem ich mich frage: "Warum sieht es so aus? Ist diese Struktur irgendwie interessant? Kann ich die mit meiner Forschung verknüpfen?"

SWR Aktuell: Glauben Sie, dass wir alleine sind im Kosmos?

Eichhorn: Das ist eine super spannende Frage, ob es woanders noch Leben gibt. Es ist auch eine Frage, bei der sich gerade viel entwickelt, weil wir seit einigen Jahrzehnten ja tatsächlich Planeten um andere Sterne beobachten können. Und die Beobachtung wird sich sehr schnell weiterentwickeln. Man kann mittlerweile sogar versuchen zu verstehen, ob diese anderen Planeten eine Atmosphäre haben und wenn ja, welche Gase es darin gibt.

SWR Aktuell: Ist es denn eine gute Idee, nach außerirdischem Leben zu suchen? Oder ist es vielleicht besser, nicht auf sich aufmerksam zu machen?

Eichhorn: Ganz schwierige Frage. Wenn es Leben auf anderen Planeten gibt, dann ist das vermutlich ganz, ganz anders gestrickt als unseres. Persönlich wäre ich eher optimistisch und würde sagen, dass es sich immer lohnt, das Unbekannte zu erforschen. Soweit wir im Moment wissen, sind wir das einzige Leben im Universum. Wenn man dann bedenkt, wie groß und erstaunlich das Universum ist, dann ist es eigentlich schockierend, wie wenig wir das wertschätzen.

Stand jetzt gibt es keinen Planeten B, auf den wir einfach auswandern können. Das ist vielleicht eine Lehre, die wir aus Science-Fiction-Geschichten ziehen können: Es braucht gar nicht die Aliens, die kommen, um uns platt zu machen. Im Moment sind wir als Menschheit auf einem guten Weg, unseren Planeten ganz alleine platt zu machen.

SWR Aktuell: Können Sie mit Science-Fiction als renommierte Kosmologin etwas anfangen?

Eichhorn: Ich kann damit sehr viel anfangen und finde das sehr unterhaltsam. Besonders Star Trek-Folgen, in denen besonders viel Physik vorkommt. Meistens ist das, was da passiert, aus wissenschaftlicher Perspektive völliger Quatsch. Aber das macht für mich einen Teil der Unterhaltung aus. Objekte und Themen, mit denen ich mich im Forschungsalltag beschäftige, spielen dann plötzlich eine ganz andere Rolle. Genau deswegen macht Science-Fiction Spaß.

SWR Aktuell: Wenn Sie sich entscheiden müssen: Star Trek oder Star Wars?

Eichhorn: Auf alle Fälle Star Trek. Warum, kann ich gar nicht so genau sagen. Das finde ich einfach ein gelungenes Universum und unterhaltsame Geschichten.

SWR Aktuell: Frauen gehören in der Astrophysik immer noch zur Minderheit. Wie war es in der Schule und im Studium? Konnten Sie Ihr Interesse an Physik mit Ihren Freundinnen teilen?

Eichhorn: Es haben sich relativ wenig Mädchen für Physik entschieden. Ich war mit meinem Interesse für den Weltraum schon ein Sonderfall. Aber das hat nicht dazu geführt, dass ich sozial nicht eingebunden war, sondern es war einfach so: "Die Astrid interessiert sich ein bisschen für andere Sachen als die anderen". Als Frau im Studium habe ich mich manchmal schon gefragt: "Gehöre ich hier wirklich hin?" Es gab einzelne Sprüche oder Situationen, bei denen man als Frau schlucken musste. Dann habe ich mir immer gesagt: Okay, euch zeige ich es. Und es gab natürlich auch ganz, ganz viele, für die das kein Thema war, ob man jetzt Mann oder Frau war, der oder die Physik studiert.

SWR Aktuell: Seit 2023 sind Sie Professorin an der Uni Heidelberg. Was wollen Sie den Studierenden vermitteln?

Eichhorn: Ich versuche zu betonen, dass das, was wir brauchen, um in der Physik wirklich Fortschritte zu machen, nicht nur ein Typ von Mensch ist oder irgendwer mit einer bestimmten Herangehensweise. Wir brauchen verschiedene Perspektiven und Leute, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen und unterschiedlich denken. Deshalb ist es wichtig, dass wir verschiedenen Menschen Raum geben und das Gefühl, dass sie hier hingehören. Genau das versuche ich, meinen Studierenden zu vermitteln. Ich mache das durchaus auch ab und zu, indem ich ganz bewusst Geschichten von Frauen aufgreife, die sich besonders hart durchbeißen mussten.

 SWR Aktuell: Haben Sie dafür ein Beispiel?

Eichhorn: Zum Beispiel Amalie Emmy Noether. Das ist eine ganz berühmte Mathematikerin, auf deren Arbeit viel in der Theoretischen Physik aufbaut. Sie durfte am Anfang - 1903 an der Uni Göttingen (Anmerkung der Redaktion) - gar nicht regulär mit in den Hörsaal und saß ganz hinten. Die Geschichte erzähle ich gerne, weil ich glaube, das sind Geschichten, mit denen man Leuten Mut machen kann. Leuten, die sich vielleicht denken "Gehört man hier hin? Ich bin anders als die anderen". Man kann vermitteln: "Gerade weil du vielleicht ein bisschen anders bist, bist du die Person, die den großen Unterschied machen wird."

SWR Aktuell: Quanten, Schwarze Löcher, dunkle Materie - wie machen Sie sich davon den Kopf wieder frei?

Eichhorn: Also im Moment hauptsächlich dadurch, dass ich einen kleinen, zweieinhalbjährigen Sohn habe. Wenn mir der Kopf vor Problemen platzt und ich dann nach Hause gehe und mit ihm Duplo-Türme baue, dann stellt das ganz schnell alles andere in den Hintergrund. Das ist ein sehr guter Ausgleich und eine sehr gute Balance.

SWR Aktuell: Wenn es um Ihre Arbeit geht, wie reagieren Menschen, die Sie außerhalb Ihres Instituts treffen?

Eichhorn: Wenn man sagt "Theoretische Physik", dann gibt es direkt ein bisschen Distanz. Wenn man aber sagt: "Ich erforsche Schwarze Löcher“, dann gibt es eher Neugier.

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