Deutsche Bürokratie - das sieht in der Praxis so aus, dass man lange vor dem Bürgerbüro warten muss. Beispielsweise in Stuttgart. Viele Bürgerinnen und Bürger stehen hier zum Teil eineinhalb Stunden oder mehr an. Und das für Dinge, die eigentlich längst online gehen sollten. Etwa: Sich beim Umzug von einer Stadt in die andere ummelden, den Namen im Personalausweis ändern, ein Auto anmelden.
Dafür gibt es auch ein eigenes Gesetz: das Online-Zugangsgesetz. Es schreibt vor, dass 575 Leistungen bis Jahresende online zugänglich sein sollten. Fünf Jahre hatten Bund, Länder und Kommunen Zeit es umzusetzen. Doch jetzt wird klar: Daraus wird nichts.
BW hat zwar ein Online-Portal - doch kaum einer nutzt es
Eine Online-Plattform für die Rente, die Steuer oder die Passverlängerung gibt es in Deutschland nicht. In Baden-Württemberg arbeitet man auf Landesebene zumindest an etwas ähnlichem. Die Seite dafür heißt www.service-bw.de. Doch wer sich durch die landesweite Service-Seite klickt, stellt fest, dass viele Kommunen ihre Dienste dort gar nicht anbieten.
Thomas Bönig hat als Informatiker in verschiedenen Städten daran gearbeitet, die Verwaltung zu digitalisieren. Er sagt über das Online-Zugangsgesetz: "Es ist davon auszugehen, dass es in keiner Kommune wie Stuttgart oder München erreicht wird."
Statt 575 nur 35 Leistungen online - BW schafft auch das nicht
Statt 575 Leistungen haben sich Bund und Länder im Mai dieses Jahres daher auf 35 besonders wichtige Serviceleistungen geeinigt. Zumindest diese sollten bis Jahresende online zugänglich sein. Die Bundesländer haben sich die Arbeit untereinander aufgeteilt. Die Lösungen sollen sie für alle anderen Bundesländer anbieten. Doch wie das Innenministerium in Baden-Württemberg mitteilt, sind selbst diese 35 Leistungen aktuell noch nicht verfügbar. Wann das der Fall sein wird, ist nicht bekannt.
In der Warteschlange vor dem Bürgerbüro in Stuttgart sorgt so etwas für Unverständnis. Eva Benckieser möchte den Kinderreisepass ihrer Tochter verlängern:
"Wir haben Passfotos gemacht. Da fragt man sich, warum man die auf Papier bringen muss, damit sie nachher eingescannt werden."
Behörden fehlt Personal und Fachwissen
Ralf Daum, Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim, beschäftigt sich damit, warum die Digitalisierung in Deutschland zu scheitern droht. Für ihn kommen mehrere Gründe zusammen. Oft gebe es zu wenig Personal, zudem fehle das Fachwissen und nicht zuletzt würden die straffen, bürokratischen Strukturen in den Behörden die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern eher erschweren.
"Man trifft in den Behörden auf starre Strukturen. Sie sind hierarchisch und bürokratisch organisiert."
Den Bürgerinnen und Bürgern, die lange vor den Ämtern warten müssen, hilft das nicht weiter. Fest steht: Fünf Jahre haben für die Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes nicht ausgereicht.