Das Weststadtchörle in Karlsruhe will auch Menschen, die ohne Angehörige sterben, einen würdevollen Abschied bieten.  (Foto: SWR, SWR/ Laura Bisch)

Weststadtchörle Karlsruhe

Die letzte Ehre für Menschen ohne Angehörige

Stand
AUTOR/IN
Laura Bisch
Laura Bisch, Reporterin und Redakteurin im SWR Studio Karlsruhe (Foto: SWR, SWR)

Es gibt Menschen, die sterben alleine - ganz ohne Angehörige, die eine Trauerfeier organisieren. Das Karlsruher Weststadtchörle will ihnen einen würdevollen Abschied bieten.

Sie sollen nicht sang- und klanglos von dieser Welt verabschiedet werden. Das ist das Motto des Karlsruher Weststadtchörles. Darum singt der ehrenamtliche Chor bei Trauerfeiern von Menschen, die keine Angehörigen haben.

Die Verstorbenen bekommen auf dem Hauptfriedhof in Karlsruhe einmal pro Monat eine Sammeltrauerfeier ohne viele persönliche Worte. Denn über die Menschen ist meist nicht mehr bekannt als ihr Name und ihr Geburtsdatum. Manchmal ist nicht mal klar, wann sie genau gestorben sind. Nur wann man sie gefunden hat.

Fernsehbeitrag des SWR Inspiration fürs Weststadtchörle in Karlsruhe

Die Idee, in Karlsruhe einen Chor zu gründen, der bei Trauerfeiern von Menschen ohne Angehörige singt, kam Chef-Organisator Andreas Rüdiger eines Abends vor dem Fernseher. Damals sieht er einen Beitrag der SWR Landesschau über ein Chorprojekt in Stuttgart und ist sofort begeistert. "Das hat mich sofort angesprochen, diese Idee, dass da Menschen singen für andere Menschen, die verstorben sind und die anscheinend gar niemanden haben", erzählt er heute, mehr als sechs Jahre später.

Das Weststadtchörle in Karlsruhe erweist Menschen ohne Angehörige die letzte Ehre. (Foto: SWR, SWR/ Laura Bisch)
Der Fahrradkorb ist gepackt: Eva und Andreas Rüdiger bereiten sich auf ihren Einsatz in der Kapelle vor.

Dabei, betont Rüdiger, sei das Singen auf Trauerfeiern keinesfalls nur traurig und düster. Ganz im Gegenteil: Die Stimmung im Chor sei sehr fröhlich. Und auch die Lieder seien abwechslungsreich und hoffnungsvoll. Von Gospel bis hin zu afrikanischen Liedern ist alles dabei.

Ehrenamtlicher Trostgesang

Und noch etwas verbindet die Chormitglieder: Der Wunsch, Menschen auf ihrem letzten Weg beizustehen. Rüdiger erklärt, alle von ihnen stünden hinter dieser Idee. Viele hätten sich den Chor genau aus diesem Grund ausgesucht und sich bewusst gegen einen Auftrittschor entschieden. Eine von ihnen ist Ute Gilliard. Sie sing seit März im Weststadtchörle. Für Ute Gilliard ist klar: Das Ehrenamt ist eine gute Tat.

Es erfüllt einen ein klein wenig, dass man wenigstens die Verstorbenen etwas begleiten konnte. Es ist schon traurig, dass es Menschen gibt, die gar niemanden haben.

Chormitglied Ute Gilliard ist dankbar, dass sie mit dem Weststadtchörle in Karlsruhe Verstorbenen ohne Angehörigen nach ihrem Tod noch einen würdevollen Abschied bereiten kann. (Foto: SWR, SWR/ Laura Bisch)
Chormitglied Ute Gilliard ist dankbar, dass sie mit dem Weststadtchörle in Karlsruhe einsamen Menschen nach ihrem Tod noch einen würdevollen Abschied bereiten kann.

Am Rande der Gesellschaft etwas zurückgeben

Das findet auch der katholische Pfarrer Erhard Bechtold. Er sieht das Weststadtchörle als eine enorme Bereicherung für die Trauerfeiern, durch die er unter anderem führt. Nach der Trauerfeier erzählt er: "Dieser Chor bringt eine Feierlichkeit rein - und das sind ja Menschen, die meistens nicht auf der Sonnenseite des Lebens gestanden haben. Dass die noch mal so gewürdigt werden, ist etwas Wunderbares."

Es gehe dabei um viele Menschen am Rande der Gesellschaft, führt Bechtold weiter aus. Die in die Mitte zu holen, auch bei der Trauerfeier, das sei ein christlicher Dienst der Nächstenliebe.

Pfarrer Erhard Bechtold lobt das Weststadtchörle in Karlsruhe. Der Chor will Verstorbenen ohne Angehörigen einen würdevollen Abschied bereiten.  (Foto: SWR, SWR/ Laura Bisch)
Der katholische Pfarrer Erhard Bechtold leitet die Trauerfeiern immer im Wechsel mit Kollegen der evangelischen Kirche.

Damit der Chor weiter für diese Menschen singen kann, braucht er Spenden. Die kommen unter anderem von der Stadt Karlsruhe. Für das kommende Jahr ist die Finanzierung aber noch nicht endgültig geklärt - und damit auch nicht, wie der Chorleiter weiter bezahlt werden soll.

Namensschilder für Verstorbene ohne Angehörige

Aber das Weststadtchörle lässt sich von den Herausforderungen nicht einschüchtern. Ganz im Gegenteil: Der Chor hat ein Ziel für die Zukunft. Vor der Urnenwand des Hauptfriedhofs erzählen Chor-Chef Rüdiger und seine Frau, der Chor wolle künftig dafür sorgen, dass die Verstorbenen ohne Angehörige auch ein Namensschild bekommen.

Eva Rüdiger ist es besonders wichtig, den Verstorbenen mit dem Weststadtchörle in Karlsruhe die letzte Ehre zu erweisen - mit allem, was dazu gehört. (Foto: SWR, SWR/ Laura Bisch)
Eva Rüdiger ist es besonders wichtig, den Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen - mit allem, was dazu gehört.

Denn bei Menschen ohne Angehörige ist es üblich, dass ihre Urnen mit denen von etwa fünf bis sieben weiteren in ein Fach kommen, auf dem lediglich das Wappen der Stadt Karlsruhe eingraviert ist. Das heißt: Der Name der Verstorbenen spielt zuletzt auf der Trauerfeier eine Rolle. Danach ist nicht ersichtlich, wessen Asche in welchem Fach aufbewahrt ist. Für Eva Rüdiger ist klar: Der Name ist das letzte, was von diesen Menschen bleibt.

Und ich glaube, darum geht es - nicht zu vergessen und diese Würde weiterzutragen.

Mehr zum Thema Friedhof

Karlsruhe

Arbeit nimmt zu Friedhofsgärtner aus Karlsruhe an Allerheiligen: Traumjob trotz Stress

An Allerheiligen gedenken viele Menschen auf den Friedhöfen ihrer verstorbenen Angehörigen. Friedhofsgärtner wie Fabrice Rausch aus Karlsruhe haben im Vorfeld alle Hände voll zu tun.

SWR4 BW aus dem Studio Karlsruhe SWR4 BW aus dem Studio Karlsruhe

Karlsruhe

Gesetz lässt das nicht zu Pfinztaler will seine Asche im eigenen Garten verstreuen lassen

Peter Hakenjos aus Pfinztal bei Karlsruhe will nach seinem Ableben, dass seine Asche in seinem eigenen Garten verstreut wird. Dafür kämpft er, denn bisher ist das gesetzlich nicht erlaubt.

SWR4 BW aus dem Studio Karlsruhe SWR4 BW aus dem Studio Karlsruhe