Sie sollen nicht sang- und klanglos von dieser Welt verabschiedet werden. Das ist das Motto des Karlsruher Weststadtchörles. Darum singt der ehrenamtliche Chor bei Trauerfeiern von Menschen, die keine Angehörigen haben.
Die Verstorbenen bekommen auf dem Hauptfriedhof in Karlsruhe einmal pro Monat eine Sammeltrauerfeier ohne viele persönliche Worte. Denn über die Menschen ist meist nicht mehr bekannt als ihr Name und ihr Geburtsdatum. Manchmal ist nicht mal klar, wann sie genau gestorben sind. Nur wann man sie gefunden hat.
Fernsehbeitrag des SWR Inspiration fürs Weststadtchörle in Karlsruhe
Die Idee, in Karlsruhe einen Chor zu gründen, der bei Trauerfeiern von Menschen ohne Angehörige singt, kam Chef-Organisator Andreas Rüdiger eines Abends vor dem Fernseher. Damals sieht er einen Beitrag der SWR Landesschau über ein Chorprojekt in Stuttgart und ist sofort begeistert. "Das hat mich sofort angesprochen, diese Idee, dass da Menschen singen für andere Menschen, die verstorben sind und die anscheinend gar niemanden haben", erzählt er heute, mehr als sechs Jahre später.
Dabei, betont Rüdiger, sei das Singen auf Trauerfeiern keinesfalls nur traurig und düster. Ganz im Gegenteil: Die Stimmung im Chor sei sehr fröhlich. Und auch die Lieder seien abwechslungsreich und hoffnungsvoll. Von Gospel bis hin zu afrikanischen Liedern ist alles dabei.
Ehrenamtlicher Trostgesang
Und noch etwas verbindet die Chormitglieder: Der Wunsch, Menschen auf ihrem letzten Weg beizustehen. Rüdiger erklärt, alle von ihnen stünden hinter dieser Idee. Viele hätten sich den Chor genau aus diesem Grund ausgesucht und sich bewusst gegen einen Auftrittschor entschieden. Eine von ihnen ist Ute Gilliard. Sie sing seit März im Weststadtchörle. Für Ute Gilliard ist klar: Das Ehrenamt ist eine gute Tat.
Am Rande der Gesellschaft etwas zurückgeben
Das findet auch der katholische Pfarrer Erhard Bechtold. Er sieht das Weststadtchörle als eine enorme Bereicherung für die Trauerfeiern, durch die er unter anderem führt. Nach der Trauerfeier erzählt er: "Dieser Chor bringt eine Feierlichkeit rein - und das sind ja Menschen, die meistens nicht auf der Sonnenseite des Lebens gestanden haben. Dass die noch mal so gewürdigt werden, ist etwas Wunderbares."
Es gehe dabei um viele Menschen am Rande der Gesellschaft, führt Bechtold weiter aus. Die in die Mitte zu holen, auch bei der Trauerfeier, das sei ein christlicher Dienst der Nächstenliebe.
Damit der Chor weiter für diese Menschen singen kann, braucht er Spenden. Die kommen unter anderem von der Stadt Karlsruhe. Für das kommende Jahr ist die Finanzierung aber noch nicht endgültig geklärt - und damit auch nicht, wie der Chorleiter weiter bezahlt werden soll.
Namensschilder für Verstorbene ohne Angehörige
Aber das Weststadtchörle lässt sich von den Herausforderungen nicht einschüchtern. Ganz im Gegenteil: Der Chor hat ein Ziel für die Zukunft. Vor der Urnenwand des Hauptfriedhofs erzählen Chor-Chef Rüdiger und seine Frau, der Chor wolle künftig dafür sorgen, dass die Verstorbenen ohne Angehörige auch ein Namensschild bekommen.
Denn bei Menschen ohne Angehörige ist es üblich, dass ihre Urnen mit denen von etwa fünf bis sieben weiteren in ein Fach kommen, auf dem lediglich das Wappen der Stadt Karlsruhe eingraviert ist. Das heißt: Der Name der Verstorbenen spielt zuletzt auf der Trauerfeier eine Rolle. Danach ist nicht ersichtlich, wessen Asche in welchem Fach aufbewahrt ist. Für Eva Rüdiger ist klar: Der Name ist das letzte, was von diesen Menschen bleibt.