Sexuelle Nötigung in der Schule (Symbolbild) (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Arno Burgi)

Konsequenzen noch nicht vom Tisch

Nach Strafbefehl: Waldorfschule Schwäbisch Hall um Veränderung bemüht

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Jan Arnecke
Jan Arnecke (Foto: SWR)

Nach dem Strafbefehl gegen eine Lehrerin hat die Waldorfschule in Hall einen Transformationsprozess gestartet. Konsequenzen bis hin zur Schließung der Schule drohen aber weiterhin.

Die Kritik an der Freien Waldorfschule Schwäbisch Hall reißt nicht ab, nachdem eine Lehrerin eine Geldstrafe zahlen muss, weil sie einen Schüler geohrfeigt hatte. Daraufhin hatte sich auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen (LAG) eingeschaltet und klare Forderungen gestellt. Sollten diese nicht zeitnah erfüllt werden, drohe im schlimmsten Fall die Schulschließung, so Birke Bähr aus der Geschäftsführung der LAG im SWR.

Eine Ohrfeige, ein Strafbefehl und viel Kritik

Nach der Verurteilung eines Lehrers wegen zweifachen Kindesmissbrauchs 2021 wurde die Diskussion über die Waldorfschule Schwäbisch Hall jetzt neu entfacht. Der Vorfall um die Lehrerin mit der Ohrfeige ereignete sich bereits im Oktober 2023, wurde aber erst mit dem Strafbefehl im Februar bekannt. Forderungen nach Entlassung und Aufarbeitung wurden laut, ebenso wurde der Schule Vertuschung vorgeworfen.

Seither gingen bei der LAG zahlreiche Anrufe und Fragen aus allen Bereichen der Waldorfschulen ein. Natürlich, so Birke Bähr, schade das auch dem allgemeinen Ruf der insgesamt 57 Waldorfschulen in Baden-Württemberg. Der gute Ruf allein ist aber nicht der Hauptgrund für das jetzt vehemente Eingreifen der LAG, bestätigt auch Geschäftsführer Christoph Sander im Gespräch mit dem SWR.

Forderungen der LAG an die Schule

Die LAG der Waldorfschulen im Land steht den einzelnen Schulen nur beratend zur Seite und kann selbst keine Schulschließung erwirken. Sollten die Forderungen allerdings nicht erfüllt werden, so erklärt es Birke Bähr, werde man den Entzug des Namensrechtes beantragen und sich auch an das Schulamt wenden. Denn es gehe nicht darum, das Problem einfach nur loszuwerden. Könnten die Probleme an der Schule nicht behoben werden, müsse man auf die Schulschließung hinwirken, um weitere Vorkommnisse zu vermeiden.

Die LAG fordert zum einen, den Vorstand nachzubesetzen, nachdem zuletzt nach und nach fast alle Vorstände zurückgetreten waren. Der Vorstand besteht im Normalfall aus drei Elternteilen und drei Lehrkräften, die gemeinsam die Schule leiten. Aktuell sind von ihnen noch zwei Elternvertreter übrig. Einer ist Oliver Blind-Galties. Auch er sagt, dass es tiefgreifende strukturelle Probleme gebe - LAG und Eugen Schlosser, der Ende 2023 eingesetzte Geschäftsführer der Schule, bestätigen das. Als Elternteil will Blind-Galties mitwirken, die Schule wieder zu einem sicheren Ort für seine, aber auch andere Kinder zu machen. Die ersten Entwicklungen nach den LAG-Forderungen stimmen auch ihn positiv, dass man dieses Ziel gemeinsam erreichen könne.

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Schutzkonzept wird von allen Lehrkräften unterzeichnet

Eine weitere Forderung der LAG: Alle Beschäftigten der Schwäbisch Haller Waldorfschule müssen das Kinderschutzkonzept unterzeichnen, das nach einem Missbrauchsfall im Jahre 2019 aufgesetzt wurde. Es richtet sich nach zeitgemäßen Standards im Umgang mit Schutzbefohlenen, wurde jedoch bis zuletzt eben nicht von allen an der Schule unterzeichnet.

Auf Nachdruck der LAG, so Eugen Schlosser, hätten inzwischen bis auf eine Person alle dieses Konzept unterzeichnet. Bei der fehlenden Person sei das aber lediglich organisatorischen Gründen geschuldet. Das sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, der alle Verantwortlichen erst einmal zuversichtlich stimmt, die Forderungen erfüllen und das Ziel der sicheren Schule erreichen zu können.

"Tiefgreifende strukturelle Probleme" - Entlassungen im Raum

Weitere Forderungen zielen auf strukturelle Probleme ab. Es gebe an der Waldorfschule in Hall ein Entscheidungsvakuum, so formuliert es Christoph Sander im SWR. Die Gestaltungsspielräume hätten in der Hand einer Gruppe gelegen, die Verantwortungen aber bei anderen. Dies müsse sich ändern, müsse zusammengefasst werden. Ein erster Schritt sei die Ernennung Eugen Schlossers zum Geschäftsführer gewesen.

Diese "alten Strukturen" anzupacken, so Birke Bähr, sei aber nicht ohne arbeitsrechtliche Folgen, sprich Entlassungen, zu bewerkstelligen. Genauso sei das auch bei der Durchsetzung des Schutzkonzeptes gewesen, gibt auch Eugen Schlosser zu. Ob auch die verurteilte Lehrerin gehen musste, dazu konnte Schlosser aus personenschutzrechtlichen Gründen keine konkrete Aussage treffen.

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Wie geht es nun weiter an der Schule in Schwäbisch Hall?

Auch wenn erste Schritte gemacht sind, es soll sich noch mehr bewegen. Der Namensentzug, der über die genannten Umwege bis zur Schließung des Schulstandorts führen könnte, sei nach wie vor eine "reale Bedrohung", heißt es aus der Geschäftsführung der LAG. Am 9. April soll die nächste Mitgliederversammlung stattfinden. Auch wenn bis dahin kaum alle Forderungen nach Veränderung vollumfänglich erfüllt sein würden: Manches brauche seine Zeit.

Dennoch soll dann der Vorstand nachbesetzt und entschieden werden, wer welche Verantwortung und Entscheidungsgewalt hat. Außerdem kommt noch eine neue Forderung hinzu: Bei der Mitgliederversammlung müsse als Bindeglied zwischen LAG und Schule eine "Kompetenzgruppe" gebildet werden, die die Entscheidungsorgane der Schule berät und unterstützt. Und zwar so lange, wie es die LAG für erforderlich halte. Diese müsse außerdem in alle Entscheidungen mit einbezogen werden. In diesem Zuge soll es auch wöchentliche Videokonferenzen zwischen dieser Kompetenzgruppe und der LAG geben, in der die LAG über die neuesten Entwicklungen und Entscheidungen an der Schule informiert werden soll.

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