Über 40 Jahre leitete der gelernte Maschinenbauschlosser Gerhard Sturm als geschäftsführender Gesellschafter die Geschicke der ebm-papst Gruppe - und damit mal mehr, mal weniger indirekt auch die Entwicklung von Mulfingen (Hohenlohekreis). Am Dienstag wird der Unternehmensgründer 90 Jahre alt. Ein Weltmarktführer made in Hohenlohe mit mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz und von einst 35 Beschäftigten auf heute über 14.000 Mitarbeitende gewachsen - doch damit soll noch lange nicht Schluss sein. Das zeigt auch das neueste Projekt made by ebm-papst, die Eröffnung des Technikums am Standort Mulfingen.
Es sind nicht nur die vier Jahrzehnte in der Geschäftsführung des Motoren- und Ventilatorenherstellers, es sind auch über 35 Jahre im Gemeinderat und 25 Jahre im Kreistag, mit denen Gerhard Sturm seine Spuren in Mulfingen und im Hohenlohekreis hinterlassen hat. Einer, der die Entstehung dieser Spuren aus nächster Nähe erlebt hat, ist Hermann Limbacher. Er war über 30 Jahre lang Bürgermeister von Mulfingen, hat mit Sturm Tennis gespielt, ist mit ihm zu den Kreistagssitzungen gefahren - oder hat sich genauer gesagt - fahren lassen, denn auch im Auto übernahm Gerhard Sturm gerne das Steuer, erinnert sich Limbacher.
Ohne ebm-papst, da ist er sich sicher, wäre Mulfingen nicht dasselbe.
Hohenlohe - Heimat des ebm-papst-Gründers
Gerhard Sturm selbst gibt den Medien keine Interviews mehr. Im Oktober hat er sich anlässlich des nahenden Geburtstags noch einmal ausführlich geäußert, auch zu seiner Heimatverbundenheit. Hohenlohe als sein Geburtsort habe sein Weltbild und seinen Werdegang geprägt. Nur durch die "hart arbeitenden Menschen hier", die Arbeitsmoral und die Verlässlichkeit konnte sich ebm-papst so gut entwickeln, bekräftigt Sturm.
Ohne ebm-papst keine Schule in Mulfingen
Von dieser Arbeitsmoral sollte aber auch etwas zurückkommen. Gerhard Sturm engagierte sich stark in der Kommunalpolitik. Der ehemalige Bürgermeister Limbacher lobt vor allem den wirtschaftlichen Weitblick, den Sturm mit einbrachte.
Ein Projekt: die Entwicklung der Gemeinschaftsschule in Mulfingen. Damit die Schule überhaupt möglich war, musste sie drei Jahre durch die Gemeinde vorfinanziert werden. Das ging nur, weil ebm-papst in die Bresche sprang und die Kosten übernahm, erinnert sich Limbacher.
Die Förderung war natürlich nicht ganz uneigennützig: Das wachsende Unternehmen brauchte gut ausgebildete Arbeitskräfte, daher war die Verbindung mit der Schule sehr eng. Und auch Familien konnte man mit einer Schule besser dazu bewegen, ins Jagsttal zu ziehen, sagt Sturm. Das Konzept hat sich bewährt, ist sich Limbacher sicher.
Bei der Schule in Mulfingen blieb es aber nicht: Zusammen mit Reinhold Würth förderte Gerhard Sturm die Hochschule in Künzelsau, war zusammen mit Dieter Schwarz im Beirat der Fachhochschule in Heilbronn. Allen zusammen war es ein großes Anliegen, die nächste Generation Akademikerinnen und Akademiker - in dem Fall vor allem Ingenieure und Ingenieurinnen - in der Region auszubilden, sagt Sturm.
Sportvereine gefördert, Gesangsverein gegründet
Nicht nur die Schule wurde gefördert: Als leidenschaftlicher Fußball- und Tennisspieler setzte sich Sturm für die Sportanlagen ein, der Bau der Sporthalle Mulfingen wäre sonst wohl gar nicht möglich gewesen. Das ein oder andere Gespräch über Lokalpolitik wurde beim Tennismatch geführt. Über 30 Jahre spielte Gerhard Sturm Tennis, auch zusammen mit Hermann Limbacher. Durchaus erfolgreich, sagt dieser. Erst jenseits der 60 musste Sturm das Tennisspiel aufgeben.
Auch im von Sturm mitbegründeten Gesangsverein war er über 30 Jahre aktiv. Gut funktioniert habe auch, dass der Arzt im Ort später auch der Betriebsarzt bei ebm-papst war, so war die medizinische Versorgung gesichert, erzählt Limbacher.
Jahrzehntelange Arbeit im Gemeinderat
Im Gemeinderat war Gerhard Sturm immer einer der Meinungsführer, erinnert sich Limbacher. Politische Ambitionen habe er darüber hinaus aber nie gehabt. Die Firma war ihm immer wichtiger. Auch Parteipolitik spielte im Gemeinderat keine Rolle, darauf legte Sturm Wert, auch wenn er für die CDU im Kreistag saß.
Als die Gemeinde zum ersten Mal die Marke von 100.000 Mark an Gewerbesteuern erreichte, da habe man sich "gefreut wie die Schneekönige", erzählt Limbacher. Mitte der 1970er Jahre war es dann zum ersten Mal eine Million. Das war "wie Weihnachten und Ostern zusammen". Ohne ebm-papst wäre die wirtschaftliche Lage in Mulfingen "katastrophal" - so der langjährige Bürgermeister Limbacher.
Ohne diesen "Glücksfall" wäre Mulfingen wohl im Niemandsland verschwunden, denkt Limbacher. Ein Selbstläufer war das allerdings nicht: Damit das Unternehmen wachsen konnte, musste Mulfingen auch entsprechendes Bauland liefern.
Und auch andere Kommunen waren an ebm-papst interessiert: 1974 bot beispielsweise Bad Mergentheim (Main-Tauber-Kreis) einen Platz an, wo die Verwaltung von ebm-pabst hinziehen könnte. Später bot eine andere Gemeinde günstiges Baugelände an. Zum Glück habe das aber nicht geklappt, so Limbacher. Auch trotz aller internationaler Standorte war wichtig: Die Entwicklung - und damit die besonders hochwertigen Arbeitsplätze - sollten in Mulfingen bleiben.
Ein weiteres Erbe: Die Jagstmühle
Zu seiner Zeit war Sturm täglich im Werk unterwegs und blickte den Mitarbeitenden über die Schulter. Er war stets Techniker, Erfinder und Denker aus Leidenschaft. 2007 schied er dann aus dem operativen Geschäft aus und machte sich selbst ein Geschenk, ein Projekt für den "Unruhestand": die Jagstmühle im Mulfinger Teilort Heimhausen. Die Familie Sturm wollte damit ein Stück Hohenloher Kulturerbe für die Region bewahren. Ebenfalls ein Glücksfall für den Kreis, denn leider mussten viele Gaststätten im ländlichen Raum aus den unterschiedlichsten Gründen aufgeben, sagt Limbacher. Die Geschäftsführung der Jagstmühle hat mittlerweile Ralf Sturm übernommen.
Gerhard Sturms Tätigkeiten als Unternehmer, aber auch sein soziales Engagement, wurden mehrfach ausgezeichnet. Zum 25-jährigen Firmenjubiläum von ebm-papst gab es das Bundesverdienstkreuz. Desweiteren wurde er mit der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet und der Rudolf-Diesel-Medaille - der wohl höchsten Auszeichnung für Erfinderinnen und Erfinder.
Bekenntnis zum Standort
Nach wie vor ist ebm-papst in Familienbesitz. Und nach wie vor tut sich was Mulfingen: Der Bürgermeister war zum Amtsantritt der Jüngste in ganz Deutschland, jährlich finden die Kulturneschter in Mulfingen statt, wo Kunstwerke, altes Handwerk und viel Tradition zu sehen ist, und nicht zu vergessen, erst vor Kurzem wurde das neue Technikum von ebm-papst eingeweiht, ein 60 Millionen Euro schweres Bekenntnis zum Standort im Hohenlohekreis. Die Nachteile eines Standorts weitab von Autobahnen und großen Städten sind für Klaus Geißdörfer, der mittlerweile als CEO das Unternehmen leitet, durchaus ein Pluspunkt: So gebe es viel Raum für neue Ideen. Noch dazu gibt es mit Ziehl-Abegg einen Wettbewerber in direkter Nachbarschaft. Das belebe das Geschäft. Für Geißdörfer bietet Mulfingen damit nach wie vor ideale Standortbedingungen und das ist ganz im Sinne des "Coaches", wie sich Gerhard Sturm gerne selber bezeichnet hat. Ebm-papst war und ist sein Leben immer gewesen, hat der Techniker, Erfinder und Denker vor Jahren in einem SWR-Interview gesagt. Und so wie man Gerhard Sturm, den gebürtigen Künzelsau-Nagelsberger (Hohenlohekreis) kennt, ist das bis heute so geblieben.