Sie treten an, um anderen zu helfen, doch in letzter Zeit brauchen sie offenbar selbst immer öfter Hilfe - Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren. Ob in den Einrichtungen oder den begleitenden Seminaren, "wir nehmen verstärkt soziale Ängste, Phobien und depressive Verstimmungen wahr, die bei den jungen Leuten einfach überhandgenommen haben", schildert Corinna Mühlhausen die Situation. Sie leitet die Koordination der FSJ- und BFDler beim Wohlfahrtswerk Baden-Württemberg.
Träger: Psychische Belastung hat sich verdoppelt
Die Zahlen von psychisch belasteten Freiwilligen, so spiegelten es die Träger, hätten sich im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie in etwa verdoppelt, sagt Mühlhausen. Sie ist Mitglied im Landesarbeitskreis FSJ in Baden-Württemberg. Darin haben sich alle 39 Träger, die im Land Freiwilligendienste anbieten, zusammengeschlossen.
Einrichtungen überfordert
Die Betroffenen gut zu betreuen, sei für die Einrichtungen, bei denen sie arbeiten, schwierig. Gerade in der Pflege oder in den Kitas sei dies durch die angespannte Personalsituation nur schwer möglich, meint Mühlhausen.
In den begleitenden Seminaren versuchten die pädagogischen Mitarbeiter so gut es gehe, die Bedarfe der jungen Menschen herauszuhören. Allerdings seien dies ja keine Therapeuten, es gehe zum Beispiel eher darum, bei der Suche nach einem geeigneten Therapieplatz zu helfen.
Mögliche Gründe
"Die jungen Erwachsenen, die sich jetzt in den Freiwilligendiensten engagieren, haben drei für ihr Leben besonders prägende Jahre mit zahlreichen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie erlebt", so Mühlhausen. Studien bestätigten zum Beispiel die Zunahme von Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen im Zuge der Pandemie. Dazu komme die Sorge um die Folgen des Klimawandels für ihre und die nachfolgenden Generationen.
Frust auf beiden Seiten
In manchen Fällen führen die psychischen Belastungen auch zu Spannungen. Wenn beispielsweise eine Phobie bestimmte Aufgaben fast unmöglich macht. Die Folge sei Frust auf beiden Seiten, so Mühlhausen. Am Ende versuchten die Einrichtungen sich schon vorab im Bewerbungsverfahren nur die möglichst "problemfrei" erscheinenden Kandidatinnen und Kandidaten herauszupicken. Dies widerspreche aber dem Konzept und der Idee der Freiwilligendienste.
Das Wohlfahrtswerk fordert daher mehr Geld von der Politik für die Betreuung der Jugendlichen. Die im Bundeshaushalt beschlossene Kürzung von 78 Millionen Euro bei den Freiwilligendiensten sei in keiner Weise nachvollziehbar.