Seit nunmehr 60 Jahren "fliegt" er über die Straßen des heutigen vereinten Deutschlands. Der "Vogel", um den es geht, ist die Simson KR 51 "Schwalbe" - der Kult-Roller aus der ehemaligen DDR. In ganz Deutschland gibt es zahlreiche Fan-Clubs und Menschen, die helfen, wenn sich die Schwalbe mal "den Flügel geknickt" hat. Einer davon ist Steven Seinig aus Brackenheim-Dürrenzimmern (Kreis Heilbronn), 45 Jahre alt und ursprünglich aus dem Erzgebirge. Er repariert seit über 30 Jahren alte DDR-Mopeds und -Roller, baut sie wieder zusammen oder motzt sie auf.
Wie das Schrauben seine Leidenschaft wurde und was die alten Mopeds aus- und zum Kultobjekt macht, darüber hat SWR-Reporter Jan Arnecke mit ihm in seiner Werkstatt gesprochen.
Leidenschaft fürs Reparieren liegt in der Familie
Schon der Großvater hat alles repariert, was einen Motor hatte. Mit 12 oder 13 Jahren ist er dann das erste Mal "auf so einem Ding", also einer Schwalbe, gesessen, so Seinig. Er hat "Spaß gehabt" und ist dann "in das Thema reingewachsen", erzählt Seinig aus seiner Kindheit. Nach dem Fahren kam das Schrauben.
Mein Opa hatte auch so eine Werkstatt. Der hat dort Trabant, Wartburg [DDR-Automarke, Anm. d. Red.] und die Lkw für die Feuerwehr im Dorf geschraubt und damit bin ich eben groß geworden.
Und die Leidenschaft für das Schrauben hält bis heute an. Über 30 Jahre später ist das Hobby fast Nebenjob geworden. Dennoch macht es Steven Seinig auch heute noch mit Spaß und Leidenschaft: "Dieser fröhliche Gesichtsausdruck des Kunden, wenn sein Fahrzeug wieder funktioniert", freut er sich im Gespräch mit dem SWR.
Die Schwalbe: Schnell, zerlegbar und quasi ohne Grenzen modifizierbar
Die Leidenschaft steckt ihm also quasi im Blut. Die Gründe, warum aber Klein wie Groß, Jung wie Alt im wahrsten Sinne des Wortes auf die alten DDR-Maschinen abfahren, könnten unterschiedlicher nicht sein:
Nostalgie ist es für die einen, ein quasi "unkaputtbares" Fahrzeug für die anderen, da bis heute Ersatzteile produziert werden - ein Tuning-Objekt, bei dem den Gestaltungs- und Leistungswünschen des Kunden oder der Kundin quasi keine Grenzen gesetzt sind. Bis hin zu einem Roller, der 60 Stundenkilometer schafft und schon mit 15 Jahren gefahren werden darf, während alle anderen Roller für diese Altersklasse auf 45 Stundenkilometer beschränkt sind.
Kunden aus dem Umkreis und von weit her
Das macht die Schwalbe und ihre "Artgenossen" für die Kundinnen und Kunden von Steven Seinig besonders. Zu ihm kommen vor allem Menschen aus dem Umkreis von etwa 30 Kilometern um Dürrenzimmern, erzählt er. Doch der Kreis weitet sich, denn immer weniger Leute bieten Reparaturen oder Neuaufbauten an, wie er das macht.
So hat er beispielsweise zuletzt ein Moped für einen Kunden in der Schweiz neu aufgebaut. "Da ist eigentlich nur noch der Rahmen original", sagt er. Seinig arbeitet auch mit einer Pulverei und Lackiererei zusammen - das Fahrzeug sieht quasi nagelneu aus. Einen Motor hat er auch schon nach Sylt geschickt, ganz normal im Paket mit der Post. "Da muss man dann nur das Öl rauslassen", erklärt Seinig.