Aus dem Sockel eines Schaltschranks ragen Glasfaserkabel heraus. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Jan Woitas)

BW liegt im Bundesvergleich zurück

Glasfaser kommt in BW langsam voran: Woran es beim Ausbau hapert

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Matthias Breitinger
Matthias Breitinger (Foto: SWR, Simon Ukena)

Baden-Württemberg liegt beim Glasfaserausbau deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Aber auch innerhalb des Landes sind die Unterschiede groß. Das hat auch mit den TV-Kabelnetzen zu tun.

Superschnelles Internet über Glasfaser? In Forst oder Kraichtal ist das quasi Standard - in den beiden Kommunen im Landkreis Karlsruhe liegt die Abdeckung mit Glasfaseranschlüssen bis ins Haus mit mindestens einem Gigabit pro Sekunde bei nahezu 100 Prozent. Anderswo im Landkreis sieht es dagegen ganz anders aus: In Ettlingen etwa haben nur rund neun Prozent der Haushalte einen solchen Glasfaseranschluss. 

Ähnlich zersplittert sieht es in ganz Baden-Württemberg aus. Selbst zwischen größeren Städten sind die Unterschiede groß. In Ulm liegt die Glasfaserquote bei 4,5 Prozent, in Stuttgart und Mannheim bei 23 Prozent, Freiburg kommt auf 30,5 Prozent, Heidelberg dagegen auf 89 Prozent. Das zeigen die Zahlen des sogenannten Gigabit-Grundbuchs der Bundesnetzagentur mit dem Stand von Mitte 2023. Für ganz Baden-Württemberg liegt die Quote der Glasfaseranschlüsse bis ins Haus - im Fachjargon kurz als FTTB/H bezeichnet - bei gut 18 Prozent, klar unter dem Bundesdurchschnitt von 28 Prozent.

Die Karte zeigt den Anteil der Glasfaseranschlüsse bis zum Haus in den einzelnen Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg, Stand Juni 2023. (Foto: SWR)
Anteil der Glasfaseranschlüsse bis zum Haus in den Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg

Ausbau liegt in privater Hand

Die gewaltigen Unterschiede innerhalb Baden-Württembergs haben vor allem zwei Gründe. Zum einen sind für den Ausbau der digitalen Infrastruktur die privaten Telekommunikationsunternehmen verantwortlich, nicht die Politik. Die Unternehmen entscheiden nach wirtschaftlichen Kriterien, welche Gebiete sie mit Glasfaser ausbauen - also dort, wo sich die damit verbundenen Kosten für sie anhand der zu erwartenden Einnahmen rechnen.  

"Da 80 Prozent der Kosten des Glasfaserausbaus beim Tiefbau liegen, sind geologisch herausfordernde Regionen - wie etwa der Schwarzwald - schwieriger eigenwirtschaftlich erschließbar", sagt Oliver Ulke vom Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO). Dünn besiedelte Regionen, in denen die Häuser weit auseinander liegen, erfordern beim Glasfaserausbau mehr Tiefbau, was die Kosten treibt. Dadurch sind die Großstädte und Ballungszentren für die Anbieter in aller Regel deutlich attraktiver.

"Aufgrund der vielfältigen Landschaftsstruktur im Land finden sich für den privatwirtschaftlichen Eigenausbau unattraktive Flächen in jedem Landkreis in Baden-Württemberg", erklärt das baden-württembergische Innenministerium, das auch für die Digitalisierung im Land zuständig ist, gegenüber dem SWR. Nur bei einer Unterversorgung dort, wo ein Privatunternehmen eigenwirtschaftlich kein Glasfaser legen will, ist im Prinzip eine staatliche Förderung möglich.

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Damit sich ein Ausbau für das Unternehmen lohnt, muss ausreichend Interesse in der Bevölkerung an einem Glasfaseranschluss bestehen. Die notwendigen Anschlussquoten werden aber oftmals nicht erreicht. "Der Grund ist häufig, dass Hauseigentümern Kosten für das Verlegen des Anschlusses entstehen. Gerade Menschen, die wenig im Internet unterwegs sind, haben dann kein Interesse", sagte Daniel Karrais, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, dem SWR. Die alten DSL-Anschlüsse über Kupferleitungen seien aber nicht zukunftsfähig. "Darum fordern wir schon seit Jahren eine Glasfaserprämie für Haushalte, die sich einen FTTB/H-Anschluss legen lassen. Dadurch würde man den eigenwirtschaftlichen Ausbau massiv unterstützen."

Vor einigen Jahren hatte die Landesregierung ein Pilotprojekt für Gutscheine an Endkunden angestoßen, um die Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen zu steigern, aber letztlich nicht weiterverfolgt. Stattdessen unterstützt das Land den Glasfaserausbau durch direkte Fördermittel - und das nicht zu knapp. Laut Innenministerium wurden seit 2016 mehr als 3.500 Förderprojekte bewilligt, dafür wurden vom Land und Bund zusammen insgesamt rund sechs Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. "Mit diesen Mitteln konnten bisher mehr als 400.000 Teilnehmeranschlüsse ermöglicht werden", so das Ministerium. Baden-Württemberg zähle beim geförderten Breitbandausbau zu den Spitzenreitern in Deutschland.

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Hinzu kommt: In Baden-Württemberg läuft ein Großteil der schnellen Internetverbindungen über die gut ausgebauten sogenannten Glasfaser-Koaxialnetze (HFC) - das sind die TV-Kabelnetze, die im Land von Vodafone betrieben werden und über die vielfach Datenraten von einem Gigabit pro Sekunden möglich sind. Rund zwei Drittel der Haushalte in Baden-Württemberg sind heute über HFC-Netze mit einem Gigabit-Anschluss versorgt. "In Gebieten, in denen bereits eine hohe HFC-Versorgung besteht, fällt die Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen tendenziell niedriger aus", so eine Ministeriumssprecherin. Und dort, wo bereits eine gute Versorgung über die HFC-Netze besteht, darf das Land wegen EU-Recht den Glasfaserausbau nicht fördern.

Die HFC-Technologie habe außerdem weiteres Potenzial, so das Ministerium: Künftig könnten hier maximale Download-Geschwindigkeiten von 10 Gigabit pro Sekunde und Upload-Geschwindigkeiten bis 6 Gigabit pro Sekunde erreicht werden. Daher setzt das Land für die flächendeckende Gigabit-Versorgung auf einen Mix aus Glasfaser und HFC-Netzen. 

Damit sind in Baden-Württemberg aktuell rund 72 Prozent der Haushalte mit gigabitfähiger Infrastruktur versorgt, wie das Dashboard des beim Innenministerium angesiedelten Kompetenzzentrums Breitband und Mobilfunk zeigt. Auf diese Zahl schaut die Landesregierung in erster Linie. Ein explizites Ziel beim Glasfaserausbau hat das Land nicht festgelegt, anders als der Bund. "Entscheidend ist, dass die Menschen und Unternehmen mit einem Gigabitanschluss versorgt sind - unabhängig von der Technologie", so das baden-württembergische Innenministerium.

Homeoffice und Cloud-Nutzung brauchen schnellen Upload 

Dem widerspricht FDP-Digitalexperte Karrais. "Anders als das Innenministerium behauptet, ist die Technologie sehr wohl entscheidend", sagte der Landtagsabgeordnete dem SWR. "Während sich Nutzer von TV-Kabelnetzen die verfügbare Bandbreite mit den Nachbarn teilen müssen, bekommt man bei echten Glasfaseranschlüssen auch das, was man bestellt hat." Derzeit könne man nur über einen Glasfaseranschluss Daten in Gigabit-Geschwindigkeit sowohl empfangen als auch senden. Gerade in Zeiten von zunehmendem Homeoffice und mehr Cloud-Anwendungen spielt die Upload-Geschwindigkeit eine immer wichtigere Rolle.  

Darauf weist auch Wolfgang Heer, Geschäftsführer beim Bundesverband Glasfaseranschluss (BUGLAS), hin. TV-Kabelnetze sind ein sogenanntes shared medium, das heißt, die an einem Übergabepunkt ankommende Leistung wird auf alle daran angeschlossenen Haushalte aufgeteilt. "Die Datenmengen steigen rasant an, die nachgefragten Bandbreiten verdoppeln sich etwa alle zwei Jahre. Daher werden die Möglichkeiten von shared-medium-Technologien schon in wenigen Jahren nicht mehr ausreichen", so Heer. "Eine Übertragungsleistung 'von bis zu einem Gigabit' allein ist nicht zukunftsträchtig. Für stabil hohe Bandbreiten und schnelle Reaktionszeiten ist die Glasfaserversorgung das Maß der Dinge."

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Karrais kritisiert, Innenminister Thomas Strobl (CDU) versuche sich die Gigabit-Versorgung in Baden-Württemberg "schön zu rechnen". Denn für die TV-Kabelnetze gebe es keine Fördergelder. "Trotzdem behauptet Strobl, dass durch seine segensreiche Tätigkeit die Zahl der gigabitfähigen Anschlüsse gestiegen sei", erklärt Karrais. "Die teils großen Unterschiede bei den FTTB/H-Quoten der einzelnen Kommunen im Land gilt es mit einer klugen Förderpolitik sowie einer entsprechenden Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger konsequent anzugehen." Der FDP-Politiker fordert das Innenministerium auf, "sich für bessere Rahmenbedingungen für den bisher nicht geförderten Ausbau einzusetzen".

Das Ministerium weist neben hohen Förderquoten darauf hin, dass das Land den eigenwirtschaftlichen Ausbau durch Informationsveranstaltungen unterstütze. Außerdem gebe es Initiativen, die helfen sollen, Ausbauhemmnisse abzubauen, etwa durch die Vereinfachung und Vereinheitlichung von Genehmigungsverfahren. Für den Austausch der am Ausbau beteiligten Akteure hat die grün-schwarze Landesregierung 2023 einen Runden Tisch ins Leben gerufen. Dessen Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben in BW noch viel zu tun. Vom Ziel der Bundesregierung, schon im kommenden Jahr jeden zweiten Haushalt mit Glasfaser zu versorgen, ist BW noch weit entfernt. Der Bund allerdings ebenso.

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