Richtstätte Allensbach: Kreisarchäologe Jürgen Hald und eine Mitarbeiterin beim Dokumentieren des Skelettes eines vermutlich gehängten Mannes.

Konstanzer Forscher präsentieren Zwischenergebnisse

Richtstätte bei Allensbach: Erste Skelette untersucht

Stand
Autor/in
Tina Löschner
SWR-Redakteurin Tina Löschner Autorin Bild

Die Entdeckung der historischen Richtstätte bei Allensbach (Kreis Konstanz) hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Jetzt haben die Forscher die ersten Skelette untersucht.

Nach der Entdeckung einer historischen Richtstätte bei Allensbach haben die Forscher erste Zwischenergebnisse ihrer Untersuchung vorgelegt. Bei Bauarbeiten an der Bundesstraße 33 bei Allensbach (Kreis Konstanz) war die frühneuzeitliche Richtstätte im Frühjahr 2020 entdeckt worden. Der Konstanzer Kreisarchäologe Jürgen Hald und sein Team fanden Überreste eines Galgens, menschliche Skelette und Knochenteile. Sie wurden ins Labor des Landesamts für Denkmalpflege in Konstanz gebracht, wo sie untersucht und analysiert wurden.

SWR-Reporterin Tina Löschner hat mit den Konstanzer Forschern über die ersten Zwischenergebnisse gesprochen:

Gehängt, geköpft, gerädert

Elf fast vollständige Skelette und einige Teilskelette hat der Anthropologe Michael Francken vom Landesamt für Denkmalpflege auf seinem Labortisch in Konstanz gehabt. Sie wurden wie Puzzleteile sortiert, gereinigt, vermessen, inspiziert, durchleuchtet und mit modernsten Methoden untersucht.

"Es waren vor allem Männer, aber auch Frauen, aus allen Schichten der Gesellschaft - insofern muss man sagen: Es hätte unter Umständen jeden erwischen können."

Der Anthropologe Michael Francken bei der Analyse der Skelettreste von in Allensbach hingerichteten Personen
Der Anthropologe Michael Francken bei der Analyse der Skelettreste im Labor

Die Skelette sind Überreste von Verurteilten. Die meisten wurden auf der Richtstätte bei Allensbach wohl gehängt, einige enthauptet, manche sogar gerädert. Letzteres zeigt sich eindrucksvoll an einem Skelett, bei dem Arme und Beine beim Auffinden in einem ungewöhnlichen Winkel waren, der Kopf, in dem noch ein Eisendorn steckte, zwischen den Beinen lag.

"Beim Rädern geht es darum, dem Verurteilten mit einem Wagenrad alle Knochen zu brechen. Dann wird sein zertrümmerter Körper in ein Rad geflochten oder daran festgebunden, danach wird er oft enthauptet und auf der Richtstätte ausgestellt."

Richtstätte Allensbach: Der Anthropologe Michael Francken bei der Analyse der Skelettreste von in Allensbach hingerichteten Personen.
Der Anthropologe Michael Francken bei der Sicherung der Skelettreste von in Allensbach hingerichteten Personen.

Angst vor Rückkehr der Toten

Besonders sei auch gewesen, dass auf Hals und Brust des Geräderten ein großer Ziegelstein gelegen habe, um ihn zu beschweren, ergänzt Kreisarchäologe Jürgen Hald. Dahinter habe die Angst vor der Rückkehr des Verstorbenen gesteckt, der Glaube an Wiedergänger war in der Frühen Neuzeit verbreitet.

Rädern sei eine Strafe für besonders schwere Delikte gewesen, wie beispielsweise Raubmord, so Hald. Die Strafe wurde bis ins 18. Jahrhundert oft verhängt und auch vollstreckt. Dennoch finden sich heute kaum Spuren, schon gar nicht in einer solch guten Qualität wie bei dem Skelett des Geräderten von Allensbach .

"Wir haben Glück, dass der Geräderte so gut erhalten ist - das ist wirklich selten."

Inzwischen ist sich der Anthropologe Francken sicher, dass es sich bei dem Geräderten um einen Mann im Alter zwischen 30 und 40 Jahren handelte, der etwas über 1,70 Meter groß war und kräftig. Ein Mann, der körperlich gearbeitet hat, gut ernährt war und vermutlich nicht zu den unteren Schichten gehörte.

Räuber, Diebe, Mörder - aber auch Unschuldige

Verurteilt wurden auf der Richtstätte bei Allensbach vom 16. bis 18. Jahrhundert Diebe, Räuber und Mörder - aber auch Menschen, die zu Unrecht verurteilt worden waren. Die historischen Quellen, die der Konstanzer Kreisarchivar Friedemann Scheck durchforstete, listen 40 Hinrichtungen auf. Einzelne Schicksale den untersuchten Skeletten zuordnen zu können - das ist die Hoffnung der Wissenschaftler.

Als ungelöstes Rätsel von Allensbach bezeichnet der Archäologe Hald die Brandgruben auf der Richtstätte. Darin befinden sich Brandreste und verkohlte menschliche Knochen. Noch sei unklar, ob das Überreste von Menschen seien, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Oder ob diese Menschen zuerst hingerichtet und dann verbrannt worden waren. Um das herauszufinden, werden weitere Untersuchungen gemacht.

Ausstellung spätestens 2026

Bis alle Funde der historischen Richtstätte bei Allensbach vollständig untersucht und analysiert sind, wird es noch Jahre dauern. Das Forscherteam hofft aber, spätestens 2026 eine Ausstellung mit den Ergebnissen im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz zeigen zu können. Auch wolle man in ein paar Jahren, zusammen mit der Gemeinde Allensbach, einen Erinnerungspunkt schaffen. An dem soll dann sachlich und mit Pietät über die Schicksale der Verurteilten informiert werden - schließlich seien darunter auch viele zu Unrecht Verurteilte gewesen - beispielsweise Frauen, die als Hexen verschrien waren.

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