Die Altstadt von Meersburg wird von der Morgensonne angestrahlt: Am Bodenseeufer ist der Wohnraum knapp. Insbesondere gegen Zweitwohnsitze will die Stadtverwaltung jetzt vorgehen.

Ermittler sollen helfen

Zweitwohnsitzbetrug am Bodensee? Wie ein Bürgermeister gegen Steuerbetrüger vorgeht

Stand
Autor/in
Hannes Köhle
Hannes Köhle ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".

Gibt es in Meersburg am Bodensee mehr verwaiste Immobilien als es angemeldete Zweitwohnsitze gibt? Der Bürgermeister hat einen Verdacht und will nach Steuerbetrügern suchen.

Sie liegt mitten in der Altstadt, thront über dem Bodensee und ist kaum zu übersehen: Die mittelalterliche Burg Meersburg. Das Postkartenmotiv lockt jedes Jahr tausende Touristinnen und Touristen in den Ferienort. Eher versteckt und unscheinbar liegt dagegen das Bürgerbüro am Rand der kleinen Altstadt. Dort steht der Schreibtisch schon bereit, an dem ab Januar 2024 ein Ermittlungsdienst sitzen wird. Dieser soll nach Betrügern suchen, die ihre Zweitwohnung nicht angemeldet haben.

Der Gemeinderat hat diesen Ermittlungsdienst vor einem Jahr beschlossen. Denn: Die Stadt Meersburg (Bodenseekreis) hat den Verdacht, dass es in der Kommune mehr verwaiste Wohnungen und Häuser gibt als angemeldete Wohnsitze.

Bürgermeister Robert Scherer (parteilos) hofft, dass mit dem Ermittler diese Wohnungen gefunden werden. Dabei setzt er auch auf Mitteilungen aus der Bevölkerung. "Plakativ gesprochen, leben wir von Hinweisen, wie oft der Rollladen oben ist", so der 56-Jährige, "oder man geht hin und befragt Eigentümer und die Nachbarschaft".

Stadt entgehen Einnahmen

Thomas Haller vom Verband "Haus & Grund Baden" findet den Ermittlungsdienst übertrieben. "Ich denke man muss da den Fokus nicht unbedingt aufs Melderecht legen". Steuerbetrüger gebe es in jedem Lebensbereich. Laut Verwaltung sind in Meersburg rund ein Fünftel der Wohnungen Zweitwohnsitze.

Werden die Wohnungen nicht angemeldet, fehlen der Stadt Einnahmen. "Es gibt Menschen, die eine Wohnung in einem wunderschönen Ort haben, aber nicht ihren Anteil dazu beitragen möchten. Das kann eigentlich nicht sein", sagt Bürgermeister Scherer.

Kampf gegen knappen Wohnraum am Bodenseeufer

Die Zweitwohnungssteuer ist eine weitere Einnahmequelle für Städte und Gemeinden. Durch diese Steuer bekommen Kommunen - wie Meersburg - Geld von den Besitzerinnen und Besitzern der Zweitwohnungen, das sie zum Beispiel für die Infrastruktur im Ort verwenden. Weil es viele Ferien- und Zweitwohnungen gibt, bleibt kaum noch bezahlbarer Wohnraum für Menschen, die dort leben möchten. Fast alle Orte am Seeufer berichten von einem angespannten Wohnungsmarkt.

Viele Kommunen reagieren nun und erhöhen diese Steuer. Sie hoffen, dass dadurch Zweitwohnsitze unattraktiver werden. So steigt die Zweitwohnsitzsteuer beispielsweise in Uhldingen-Mühlhofen und Langenargen (beide Bodenseekreis) ab dem nächsten Jahr auf 28 Prozent. In Konstanz liegt sie bereits bei 35 Prozent der Jahresmiete ohne Nebenkosten. Die bayerische Gemeinde Nonnenhorn (Kreis Lindau) ist noch einen Schritt weiter und hat vor vier Jahren Zweitwohnsitze sogar verboten.

Soziales Miteinander in Meersburg in Gefahr?

In Meersburg zeigt Robert Scherer, welche Auswirkungen Zweitwohnungen auf das Stadtbild haben. "Die Rollladenstadt", wie er es nennt. Er schaut auf ein Haus, bei denen Rollläden monatelang geschlossen seien - laut ihm sind in dem Haus viele Zweitwohnsitze. "Das ist bezahlbarer Wohnraum. Der fehlt uns und das tut natürlich schon weh", so der Bürgermeister.

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Wenn beispielsweise keine jungen Familien mehr Wohnraum finden, habe das Folgen für das soziale Zusammenleben im Ort. "Umso mehr wegziehen, umso mehr leiden auch die ehrenamtlichen Vereine", so Scherer. Irgendwann seien die Orte dann nur noch schöne Kulisse - ohne Leben.

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