Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Maria Stromberger aus Bregenz: Der "Engel von Auschwitz"

Stand
Autor/in
Isabel Heine
SWR-Redakteurin Isabel Heine Autorin Bild

KZ-Insassen bezeichneten sie als "Engel von Auschwitz". Die Bregenzer Krankenschwester Maria Stromberger gehörte einer Widerstandsgruppe im KZ an. Vor 80 Jahren wurde es befreit.

Ihre Rolle im Konzentrationslager Auschwitz war lange Zeit nicht erforscht und völlig unbekannt. Die Bregenzerin Maria Stromberger half als Krankenschwester im Lager wohl hunderten Menschen, viele überlebten dank ihrer Hilfe. Für die gläubige Katholikin war das ihre Menschenpflicht, wie sie später selbst sagte. Gewürdigt wurde die mutige Krankenschwester zeit ihres Lebens nicht. Im KZ Auschwitz wurden mehr als eine Million Menschen ermordet, vor allem Juden.

Der Vorarlberger Historiker Harald Walser hat sich ihrer Geschichte angenommen. Er veröffentlichte 2021 ein Buch über Maria Stromberger unter dem Titel "Ein Engel in der Hölle von Auschwitz". Die Biografie der Krankenschwester lässt den Historiker aus Altach in Vorarlberg nicht los. Vierzig Jahre lang beschäftigte er sich mit Maria Stromberger.

Dieser Mut, den die Frau gehabt hat. Diese Empathie, die sie ausgestrahlt hat. Das ist etwas, was faszinierend ist und auch uns heute Mut machen kann.

Freiwillig zum Dienst in Auschwitz gemeldet

Maria Stromberger wuchs in Kärnten auf und kam in den 1930er-Jahren nach Bregenz an den Bodensee. Hier machte sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester. Als sie von den Gräueltaten der SS im Osten hörte, meldete sie sich freiwillig zum Dienst im Konzentrationslager. Sie kam 1942 nach Auschwitz, wo sie als Krankenschwester für die SS-Männer eingesetzt war. Damals war sie 44 Jahre alt. Sie sah unvorstellbare Dinge, die für sie unerträglich waren, berichtet Harald Walser.

Das, was sie gesehen hat, hat sie im wahrsten Sinne des Wortes umgehauen. Sie hat gleich nach ihrer Ankunft gesehen, wie ein Häftling Selbstmord begangen hat, indem er in den elektrisch geladenen Zaun gesprungen ist. Gleichzeitig wurde er von einem Wachmann erschossen. Da ist sie in Ohnmacht gefallen.

Später schrieb sie an ihren Freund und Mitstreiter Edward Pyś aus Polen, der im KZ gefangen war.

Ich sehe die Feuerscheine der Scheiterhaufen! Ich verspüre den Geruch verbrannten Fleisches in der Nase! Ich sehe die Elendszüge der einrückenden Kommandos mit den Toten hinterher. Ich verspüre die würgende Angst, welche ich jeden Morgen um Euch gehabt habe, ehe ich Euch wieder gesund vor mir sah.

Portraitfoto Edward Pys
Edward Pyś gehörte der Widerstandsgruppe von Häftlingen im KZ Auschwitz an. Sie gewannen das Vertrauen von Maria Stromberger und rekrutierten sie als Helferin.

Hochriskanter Widerstand im KZ Auschwitz

Buchautor Harald Walser untersuchte den Nachlass von Maria Stromberger, darunter Briefe und Dokumente. Er fand heraus, dass sich Maria Stromberger der Widerstandsgruppe von Häftlingen im KZ Auschwitz angeschlossen hatte. Sie schmuggelte Waffen und Sprengstoff ins Lager, sie zwackte Medikamente und Nahrung für die Insassen ab und verteilte heimlich Botschaften zwischen den Gruppen im Lager. Für die Widerstandsgruppe im Lager war es am wichtigsten, die Öffentlichkeit über die Zustände in Auschwitz zu informieren. "Diese Informationen hat unter anderem auch Maria Stromberger aus dem Lager geschmuggelt und sie der Widerstandsgruppe in Krakau übergeben. Von dort ging das dann nach London und bis nach Washington", so der Historiker Harald Walser.

Die BBC habe daraufhin berichtet. Aus Informationen von Maria Stromberger sei außerdem das erste Flugblatt über die Gräueltaten entstanden, das in Wien verteilt wurde. Maria Stromberger selbst blieb zeit ihres Lebens bescheiden und schrieb:

Was ich tat, war Menschenpflicht und leider nur ein Tropfen ins Meer.

Kriegsende: Stromberger wird mit Nationalsozialisten inhaftiert

Die Befreiung von Auschwitz und das Ende des Krieges erlebte Maria Stromberger aus der Ferne. Ein Arzt hatte ihr geholfen, das Lager zu verlassen, weil sie drohte aufzufliegen. Sie kehrte zurück nach Bregenz. Dort wurde sie inhaftiert und kam in ein Gefangenenlager für Nationalsozialisten. Erst durch die Hilfe ihrer Freunde und Mitstreiter aus der Zeit in Auschwitz wurde sie entlassen. Der damalige polnische Ministerpräsident setzte sich für ihre Freilassung ein.

In Österreich aber seien ihre Taten zu lange nicht anerkannt worden, so die traurige Erkenntnis von Harald Walser. Das sei eigentlich etwas, was die Vorarlberger mit großer Scham erfüllen müsse. "Man hat sie nicht nur nicht geehrt, man hat sie sogar eingesperrt."

Maria Stromberger, der "Engel von Auschwitz"

Die größte Anerkennung bekam Maria Stromberger von den ehemaligen KZ-Insassen. Harald Walser konnte noch mit ihnen über Maria Stromberger sprechen.

Was auffallend ist, dass sehr viele Häftlinge ähnliche Worte verwendet haben. Die einen haben gesagt, sie war wie eine Mutter zu uns. Die anderen haben gesagt, sie ist ein Engel, der Engel von Auschwitz.

Maria Stromberger 1954 im Garten.
Maria Stromberger zog sich nach 1945 zurück. Sie suchte Ruhe in der Natur. Eine der letzten Aufnahmen von ihr im Sommer 1954.

Maria Stromberger blieb ihr ganzes Leben mit den ehemaligen KZ-Insassen und Mitstreitern in Kontakt. Sie waren Freunde geworden. In Bregenz lebte sie zurückgezogen. Als Krankenschwester wollte sie nicht mehr arbeiten. Sie schrieb ihrem Freund Edward Pyś:

Meinen Reichtum an Liebe habe ich, so scheint mir, in Auschwitz verstreut. Meinen Zweck habe ich erfüllt, was soll ich noch mehr.

1957, im Alter von 59 Jahren, starb sie an einem Herzinfarkt in Bregenz. Ihr Grab gibt es nicht mehr. Heute trägt in ihrer Heimatstadt Bregenz ein schmaler Spazierweg am Krankenhaus ihren Namen.

Portrait des Buchautors und Historikers Harald Walser.
Der Historiker Harald Walser aus Altach in Vorarlberg ist fasziniert von dem Mut der Krankenschwester Maria Stromberger.
Konstanz

"Gegen Vergessen und Intoleranz" am Bodensee und in Oberschwaben Gebrandmarkt, gequält, getötet - wo Stolpersteine an Verfolgte des Nazi-Regimes erinnern

In Überlingen, Leutkirch, Konstanz und vielen anderen Orten am Bodensee und in Oberschwaben erinnern Stolpersteine daran, dass Menschen unter dem Nazi-Regime verfolgt worden sind.

Birnau, Überlingen

Mehr als 200 Zwangsarbeiter starben Gedenken an die Opfer der NS-Zeit in Birnau und Überlingen

Um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern, fand am Samstag eine Gedenkfeier auf dem KZ-Friedhof in Birnau statt. Auch im Goldbacher Stollen in Überlingen wurde eine Führung angeboten.

SWR Aktuell am Vormittag SWR Aktuell

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.