Deutschland redet am 1. Juni über Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt. Eine andere Änderung kommt leiser daher und ist nicht auf drei Monate begrenzt: Ukraine-Geflüchtete in Deutschland können nun Hartz IV-Leistungen beziehen. Und bekommen damit deutlich mehr auf das Konto als Frauen und Männer, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Die Bundesregierung rechnet mit 200.000 zusätzlichen "Bedarfsgemeinschaften", wie der Fachbegriff lautet, und Mehrausgaben von 3,4 Milliarden Euro.
Nach meinem Eindruck hängt die Bundesregierung diesen mutigen Schritt – sozialpolitisch ebenfalls eine Zeitenwende! – nicht an die große Glocke. Vielleicht will sie eine Debatte kleinhalten, die schon begonnen hat: Die bisherige SPD-Bundestagsabgeordnete und neue Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, fordert Hartz IV-Leistungen und -Rechte für alle Asylbewerbende in Deutschland. Damit knüpft sie an eine lange Tradition der deutschen Sozialdemokratie an: Unterschiede zwischen Angehörigen einer gesellschaftlichen Gruppe werden mit Geld aus der Staatskasse eingeebnet.
Ich hoffe, dass sich die Gewerkschaftsvorsitzende nicht durchsetzt. Das Asylbewerberleistungsgesetz macht Betroffenen ein Leben in Deutschland auskömmlich, aber nicht finanziell attraktiv. Der Anspruch auf Hartz IV für alle Asylsuchende würde sich weltweit rasch herumsprechen und zur Flucht aus wirtschaftlichen Motiven ermuntern. Die Ukraine-Geflüchteten haben – noch – einen Vertrauensbonus bei den meisten Deutschen. Hartz IV-Bezieher aus anderen Fluchtländern nach meinem Dafürhalten nicht.