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Problemfach Mathe – Wie Schule für Zahlen und Logik begeistern könnte

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Katja Hanke
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Schlecht in Mathe – oft liegt das an schlechtem Unterricht, nicht an mangelndem Talent. Gute Mathe-Didaktik setzt auf Verstehen statt auswendig lernen und begeistert für das Fach.

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Wohl kaum ein anderes Schulfach polarisiert so sehr wie Mathematik. In der PISA-Studie von 2018 zeigten 20 Prozent der 15-Jährigen in Deutschland Mathekenntnisse auf Grundschulniveau und damit zu wenig, um eine Berufsausbildung erfolgreich zu beenden. Doch es gibt verschiedene Ansätze, wie der Mathematik-Unterricht verständlicher und interessanter werden kann.

Notwendiges Mathematik-Vorwissen für Kinder vor der ersten Klasse

Um in der Schule in Mathematik erfolgreich zu sein, ist es wichtig, dass Kinder bereits Vorwissen in die erste Klasse mitbringen. Sie sollten bis zehn zählen können und verstehen, dass Zahlen für Mengen stehen und dass man Mengen zerteilen kann. Doch dieses Vorwissen bringen nicht alle Kinder mit.

Ohne mathematisches Grundwissen verlieren Kinder schnell den Anschluss, denn in keinem anderen Fach baut das Wissen so stark aufeinander auf wie in der Mathematik (Foto: IMAGO, IMAGO / Westend61)
Ohne mathematisches Grundwissen verlieren Kinder schnell den Anschluss, denn in keinem anderen Fach baut das Wissen so stark aufeinander auf wie in der Mathematik

Im Gegensatz zu anderen Ländern schafften deutsche Schulen es nicht, die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen auszugleichen, so Susanne Prediger, Professorin für Mathematikdidaktik an der Technischen Universität Dortmund. Und schon in der ersten oder zweiten Klasse bestimmte Dinge nicht zu verstehen, ist gerade in Mathematik verhängnisvoll. Denn in keinem anderen Fach baut das Wissen so stark aufeinander auf.

Mathematikunterricht als Problem

Manchmal sei auch der Unterricht Teil des Problems, so Susanne Prediger. Und zwar ein Unterricht, der gar nicht darauf ausgelegt ist, dass Schülerinnen und Schüler etwas verstehen, sondern wo es nur darum geht, dass man etwas rechnet. Eine andere weit verbreitete Kritik lautet: Der Unterricht sei nicht lebensnah genug.

Edmund Weitz ist Professor für Mathematik und Informatik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Mathematik in der Schule – das seien vor allem Zahlen, Formeln und Prüfungsdruck, sagt er. Dabei sei Mathematik etwas Kreatives und Schönes. Das habe er selbst erst nach der Schule entdeckt. Weitz hat einige Mathe-Fachbücher geschrieben. In "Pi und die Primzahlen" von 2021 teilt er seine Freude am Suchen und Entdecken in der Mathematik mit einem breiteren Publikum.

Studierende haben oft Angst und Abneigung gegen Mathematik

Seine Begeisterung für das Fach wolle Edmund Weitz auch an seine Studierenden der Informatik weitergeben, sagt er. Gar nicht so einfach, denn seine Studierenden kommen mit einer Mischung aus Angst und Abneigung gegen die Mathematik ins Studium und brächten kaum Grundlagen aus der Schule mit, so der Professor für Mathematik und Informatik.

Oft reicht das Vorwissen von Studierenden nicht für ein Wirtschafts- oder MINT-Studium aus, doch auch in anderen Fächern wie Psychologie, Sportwissenschaft oder Grundschullehramt müssen Studierende Mathe-Kurse belegen und Prüfungen bestehen – und scheitern oft daran. (Foto: IMAGO, IMAGO / JOKER)
Oft reicht das Vorwissen von Studierenden nicht für ein Wirtschafts- oder MINT-Studium aus, doch auch in anderen Fächern wie Psychologie, Sportwissenschaft oder Grundschullehramt müssen Studierende Mathe-Kurse belegen und Prüfungen bestehen – und scheitern oft daran.

Viele Hochschulen haben für alle Studierenden mit unzureichenden Mathe-Kenntnissen spezielle Vorkurse eingerichtet. Doch oft reiche das nicht, sagt Edmund Weitz. In vier Wochen könne man eben nicht den gesamten Schulstoff wiederholen.

Weg vom "Mathe-ist-doof"-Image

Es geht auch darum, das Image von Mathe in der Gesellschaft zu verbessern, um mehr Heranwachsende für das Fach begeistern zu können. Doch oft sei es laut Professor Weitz noch so, dass es ein kulturelles, gesellschaftliches Phänomen gibt, in dem von vornherein allen implizit klargemacht wird, dass Mathe doof ist. Diese Denkweise hemme das Lernen.

Mathematik als Abenteuer für Kinder

Die Ungarin Marta Vitalis stellte sich schon früh die Frage: Wie sollte man Mathematik vermitteln, sodass es Kindern Spaß macht, ganz ohne Angst? Ihre Antwort: Verpackt in einer Abenteuergeschichte.

Das Spiel "Mathalaxie" verpackt Grundschul-Mathematik in eine Abenteuerreise in den Weltraum. Die Idee: Die Kinder wollen ein Alien besuchen. An zehn Stationen bereiten sie sich auf die abenteuerliche Reise vor und lösen jede Menge Aufgaben: Sie bauen einen Roboter und ein Raumschiff, berechnen Flugrouten, basteln, zeichnen, schrauben. Dass viele Aufgaben mit Mathematik zu tun haben, merken sie nicht. Das sei der große Unterschied zum Unterricht, sagt Marta Vitalis. Denn hier haben sie bei jeder Aufgabe ein klares Ziel vor Augen.

Aus der Forschung weiß man mittlerweile, dass gerade Kinder im angeleiteten Spiel genauso gut lernen wie im traditionellen Unterricht. Bei "Mathalaxie" arbeiten sie außerdem in Gruppen, sind emotional dabei und motiviert – auch das sind Faktoren, die dem Lernen guttun. Sie erleben eine rundum positive Mathe-Erfahrung. Momentan arbeiten Marta Vitalis und zwei Kollegen an "Mastory", einem Algebra-Kurs für die 8. und 9. Klasse an Highschools in den USA.

Matheunterricht auf Youtube

Kai Schmidt alias Lehrer Schmidt ist Mathematiklehrer für Grund-, Haupt- und Realschule und nimmt Videos für seine Schülerinnen und Schüler auf. Ergänzend zum Unterricht erklärt er ihnen noch einmal die Grundlagen. Das hilft auch anderen. Lehrer Schmidt hat mittlerweile über eine Million Abonnenten seines YouTube-Kanals "Lehrerschmidt". Die Videos von Lehrer Schmidt sehen immer gleich aus: ein kariertes Blatt Papier, anfangs leer, seine Stimme aus dem Off. Schmidt erklärt langsam, locker und empathisch, das zeigen auch die dankbaren Kommentare unter den Videos.

QuaMath soll ab 2023 Lehrerausbildung verbessern

Lehrkräfte, die Mathematik unterrichten, besser zu qualifizieren – das ist das Ziel des neuen Programms QuaMath. Es wurde vom Deutschen Zentrum für Lehrkräftebildung Mathematik, kurz DZLM in Kiel entwickelt und Ende 2021 von den Kultusministern beschlossen. Es soll den Mathematikunterricht entscheidend verändern: Die Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur auswendig lernen und bestimmten Rechenschemen folgen, sondern wirklich verstehen und mathematisch denken. QuaMath läuft über zehn Jahre und soll 10.000 Schulen und damit ein Drittel der allgemeinbildenden Schulen erreichen. Los geht es ab 2023.

"Mathe konnte ich einfach nicht" – Um den Mathe-Unterricht zu verbessern, muss das Fach auch in der Gesellschaft mehr begeistern. Ob einem Kind oder Jugendlichen Mathematik leicht fällt oder nicht – darüber entscheidet nicht allein die Begabung. Viel hängt davon ab, wie verständlich und interessant der Unterricht ist.

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