Trauer um den Komponisten und Dirigenten

Warm, offen und neugierig: Zum Tod von Péter Eötvös

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Jörg Lengersdorf
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Dominic Konrad

Der ungarische Komponist und Dirigent Péter Eötvös ist tot. Er starb am 24. März 2024 im Alter von 80 Jahren in Budapest. Eötvös sprengte Grenzen, aber auf eine sanfte Weise. SWR Musikredakteurin Lydia Jeschke berichtet im Musikgespräch von ihren persönlichen Begegnungen mit dem Komponisten und seinem Schaffen.

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Das ist für mich immer eine Freude, mit jungen Musikern (...) zusammenzuarbeiten. Ich lerne wirklich sehr viel davon. Man hört nie auf mit dem Lernen, denn die jungen Leute haben eine andere Sicht.

Ein Komponist der Grenzüberschreitung

Nicht nur junge Musikerinnen und Musiker konnten von Péter Eötvös lernen, auch er lernte von ihnen. Auch Lydia Jeschke lernte den Komponisten und Dirigenten als einen sehr offenen Menschen kennen, der bereit war, umzudenken, erinnert sich die SWR Musikredakteurin. Eötvös sei für seine Studierenden fast wie so etwas wie eine Art Vaterfigur geworden.

Der ungarische Komponist und Dirigent wollte Grenzen aufheben: zwischen Neuer Musik und Musiktradition, zwischen sinfonischer Musik und Jazz. Auch geografisch überwand er Grenzen: Geboren in Transsilvanien, siedelte Eötvös' Familie in seiner Kindheit über nach Ungarn.

Peter Eötvös im Gespräch anlässlich der Donaueschinger Musiktage 2015

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Mit 14 Jahren nahm ihn Zoltán Kodály an der Musikakademie Budapest auf. Hier schloss er sich noch im Teenager-Alter der Avantgarde an. 1966 führte ihn ein Stipendium an die Kölner Musikhochschule, wo er im Ensemble von Karlheinz Stockhausen wirkte. 1979 folgte er dem Ruf von Pierre Boulez nach Paris, wo er die Leitung des Ensemble Intercontemporain übernahm.

Péter Eötvös dirigiert das erste Konzert des SWR Symphonieorchesters (2016)

Kein Revolutionär, sondern ein sanfter Vermittler

Sie habe Eötvös als sanften Vermittler erlebt, so Lydia Jeschke. Er habe immer wieder unter verschiedenen politischen Systemen gearbeitet,und sich mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten zurechtgefunden. 1991, direkt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, gründete der Komponist das Internationale Eötvös Institut für junge Komponistinnen und Dirigenten in Budapest.

Unvergessen sei auch Eötvös' Verbindung zu den Donaueschinger Musiktagen, die er erstmals 1978 als Dirigent besuchte. Hier war Eötvös regelmäßiger Gast. Seine Vermittlerqualitäten konnte er auch als Dirigent des ersten Konzertes des neu fusionierten SWR Symphonieorchesters am 22. September 2016 in der Stuttgarter Liederhalle unter Beweis stellen. Er wird fehlen, urteilt Lydia Jeschke.

Peter Eötvös dirigiert die Uraufführung von Helmut Lachenmanns „My Melodies“ (2018)

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