100. Geburtstag Vicco von Bülow

„Ein Klavier, ein Klavier“ – Loriot und die Musik

Stand
AUTOR/IN
Bernd Künzig
ONLINEFASSUNG
Teodora Mebus

In seinen Karikaturen hat er immer wieder Musikalisches gestreift, in Fernsehsketchen kommt es zu Begegnungen mit der Musik, und nicht zuletzt hat er die Berliner Philharmoniker dirigiert. Auch die von ihm so geliebten Möpse wurden nach Opernfiguren Richard Wagners benannt. Was sich liebt, das neckt sich. Zum 100. Geburtstag von Loriot am 12. November 2023 widmet sich Bernd Künzig einer nicht ganz ernst gemeinten Beziehung zur Musik.

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Mit Schellackplatten und Opern aufgewachsen

Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow: der Name verpflichtet. Zur Musik. Die Großmutter spielte dem sechsjährigen auf dem Klavier Mozart und Bach vor, aber auch schon mal einen Puccini. Das erschließt die Welt der Oper. Tolle Tenorstimmen werden über das väterliche Grammophon kennengelernt. Mit zwölf besucht er erstmals Bizets „Carmen“. Wagner sollte später kommen – auf dem grünen Hügel in Bayreuth. Die Pausengespräche beeindrucken nachhaltig und verstärken die Auseinandersetzung mit den Tiefen der Musik.

„Siegfried ist ausverkauft, Donnerstag ist Martha“

Tiefe Missverständnisse um das angebliche Verhältnis des Bayreuther Komponisten zu seinem Mäzen, dem bayerischen König Ludwig II., führen beim Jungfilmer Loriot zu grundlegenden Recherchen und einer längst überfälligen Revision dieser Beziehung. Sie ist so historisch gar nicht belegt ist, obwohl sie auch durch den italienischen Meisterregisseur Luchino Visconti in seinem „Ludwig“-Film befestigt werden sollte. 

Der Weg des Jungfilmers Loriot führt zwangsläufig zur Oper. Mitte der 1980er Jahre beauftragt ihn die Stuttgarter Staatsoper mit der Inszenierung einer Oper seiner Wahl. Nur äußere Umstände verhinderten damals ein Werk des Bayreuther Meisters.

Der Regieeinstand erfolgt in Stuttgart also mit Friedrich von Flotows unsterblichem Meisterwerk „Martha“. Eine Aufführung, die in ihrem fröhlich-heiteren Realismus gründlich Schluss macht mit dem neusachlichen Stil der entrümpelten Bühne Wieland Wagners im Haus des sogenannten Winter-Bayreuth.

Loriots „Freischütz“-Inszenierung

Mit ähnlicher Radikalität erneuert Loriot das Regietheater mit seinem Konzept zur Inszenierung von Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ bei den Ludwigsburger Festspielen 1988. Eine Regie endlich vom Kopf auf die Füße gestellt. „Man benötigt einen Wasserfall“, so der Regisseur, „vier Feuerräder, zwölf galoppierende Pferde, lebende Hirsche und Hunde, eine Eule, mehrere Raben, einen rasenden Eber, ein wildes Geisterheer, diverse entwurzelte Bäume, Platzregen und … eine unschuldige Verlobte… Aber eben daran scheitert jede Inszenierung. Man ist verärgert und Max, ihr Verlobter, auch. Schade…“

Bei Loriots „Freischütz“-Inszenierung dagegen gab es keinen Ärger. Er hat alles bekommen. Prägnanz, Präzision, Punktlandung. Das sind die Kennzeichen von Loriots Regiestil. Die drei unverwechselbaren Ps, mit denen es dieser große Neudenker des Musiktheaters leistet, die Essenz von Richard Wagners dreizehnstündiger Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ in wenigen Sekunden zu benennen. In Bayreuth wird Derartiges bis heute schmerzlich vermisst.

Am Pult der Berliner Philharmoniker

Am 6. Oktober 1979 erfüllt sich endlich die unvergleichliche musikalische Karriere des Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow. Loriot tritt als Dirigent in die Fußstapfen seines nicht mit ihm verwandten Namensvetters Hans von Bülow am Pult der Berliner Philharmoniker. Als Klaviertransporteur im Kampf mit einem brummenden Insekt leitet er eine bis heute unvergessene Wiedergabe des Orchesters der „Coriolan“-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven - Sie erinnern sich: dem Geliebten der Susi.

Unvergessen sind seine Worte zum hundertjährigen Jubiläum der Berliner Philharmoniker 1982. In ihnen erfüllt sich ein großes Künstlerleben und das eines Musikdenkers ersten Ranges.

Wir blicken zurück auf 100 Jahre Orchestergeschichte. Musik, so meine ich. Oder wie es Thomas Mann einmal formuliert hat: '100 Jahre sind eine lange Zeit'. Oder Adorno 30 Jahre später: 'Ja ja, die Musik'. Kürzer, präziser ist das nie gesagt worden.

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