Seit 35 Jahren feiert die Stadt Schwäbisch Gmünd die europäische Kirchenmusik mit einem eigenen Festival. Die Stauferstadt ist in der Kirchenmusikszene bekannt für das internationale Flair, das jeden Sommer für knapp drei Wochen durch die mittelalterlichen Gassen weht. Neben exzellenter Musik will die Stadt auch die Bürgerinnen und Bürger in das Festival miteinbeziehen.
In Schwäbisch Gmünd erklingt seit 35 Jahren europäische Kirchenmusik
Ein italienischer Tanz, gespielt vom griechischen Ensemble „Ex Silentio“, in der romanischen Johanniskirche. Die Kirche ist das Wahrzeichen der Stadt, ebenso wie das Einhorn, dass das Stadtwappen schmückt. Was passt da besser als „Das Wunderbare“ – ein Motto, das die ganze Stadt atmet.
Klaus Stemmler ist Intendant des Festivals Europäische Kirchenmusik. „Das Wunderbare“ erlebe er seit seiner Kindheit in der geistlichen Musik, sagt er: „Ich bin in der Domsingschule aufgewachsen, und da haben wir sehr viel wunderbare Musik gemacht von der Renaissance bis zur zeitgenössischen Chormusik.“
„Das Thema haben wir bewusst emotional angelegt“, erklärt der Festivalleiter, „Wir wollten natürlich auch einerseits die ganzen Probleme und Herausforderungen, Krisen, mit denen wir kämpfen müssen, nicht wegwischen. Aber wir wollten mit dem Thema zeigen, dass das Menschsein eben auch noch andere Facetten hat als Krisenmanagement.“
Konzert von Figure Humaine und Ex Silentio zum Nachhören
Musikalische Spitzenklasse nicht nur in der Großstadt
Musikalische Spitzenklasse gibt es nicht nur in der Großstadt, das machen Festivals wie dieses Jahr für Jahr mit viel Herzblut und organisatorischem Einsatz immer wieder deutlich. Die Räume spielen eine große Rolle, aber eben auch die internationalen Künstlerinnen und Künstler, die Klaus Stemmler gemeinsam mit seinem Team in die Ostalb holt.
Das Programm liest sich in jedem Jahr wie ein „Who is Who“ der wirklich großen Konzertbühnen – in diesem Jahr versprühen Namen wie Voces8, New York Polyphony oder Daniel Hope musikalisches Großstadtflair.
Zwar sei die Kirchenmusik das Kernrepertoire des Festivals, so Stemmler, aber man verstehe das Festival als „Musik in Kirchen“: „Vieles an Repertoire, an Ideen, an Projekten ist möglich in den Kirchen. Natürlich nicht alles. Wir nehmen Rücksicht auf die Befindlichkeiten, auf den Raum, auf die Aura, auf die Gemeinden.“
An allen historischen Kirchen wehen die Fahnen des Festivals
Und das merkt man bei einem Besuch in der alten Stauferstadt: Überall in der Innenstadt, an den historischen Kirchengebäuden, wehen die blauen Fahnen des Festivals. Kaum eine Kirche wird nicht bespielt. In sieben sakralen Orten finden jedes Jahr Konzerte statt. Für Klaus Stemmler spielen diese Orte aus 800 Jahren Geschichte die eigentliche Hauptrolle.

Bei der Festivalgestaltung gebe es dabei immer wieder Grenzen, die man mit Projekten austesten müsse, so der Intendant: „Manchmal merkt man dann im Laufe eines Abends, da haben wir jetzt vielleicht eine Grenze überschritten.“
Dennoch glaubt Stemmler, dass die Räume, die in Schwäbisch Gmünd existieren, Kirchen unterschiedlicher Stile und Größen aus dem 13. bis ins 20. Jahrhundert, eine Rolle spielen für die besondere Atmosphäre des Festials: „Die üben ihre Kraft aus auf die Ensembles, die sich darauf einlassen, auf das Publikum, das über die Schwelle kommt, und die eben auch für uns als Veranstalter dann wertvoll sind und extrem wichtig.“
Prestigeträchtige Auszeichnung für Organist Ludger Lohmann
Schwäbisch Gmünd ist in Fachkreisen längst ein bekanntes Pflaster, auch durch zwei Wettbewerbe während des Festivals: das ist einmal der Kompositionswettbewerb für Zeitgenössische Geistliche Musik und der Wettbewerb für Orgelimprovisation.
Daneben wird jedes Jahr der Preis der Europäischen Kirchenmusik verliehen, eine Auszeichnung, auf die die internationale Fachpresse wartet. Und da ist es wieder, das „Who is Who“: ausgezeichnet wurden in den letzten 25 Jahren unter anderem Krzysztof Penderecki, Eric Ericson, John Rutter, in diesem Jahr der Organist Ludger Lohmann.
Organist aus Lindau Ludger Lohmann erhält Preis der Europäischen Kirchenmusik
Die Stadt Schwäbisch Gmünd ehrt am Freitag Ludger Lohmann aus Lindau mit dem Preis der Europäischen Kirchenmusik. Er gilt als einer der bekanntesten Organisten weltweit.
Die Verleihung ist immer mit einem Preisträgerkonzert verbunden – höchste musikalische Qualität, auf die Klaus Stemmler achtet. Doch das ist nicht die einzige Aufgabe des Festivals, findet er: „Eine Rolle spielt darüber hinaus auch die kirchenmusikalische Praxis und die vielen Ensembles, die wir hier haben: Chöre, Künstler, die Musikschule, die wir auch im Festival integrieren, Schulen, Schüler, Ehrenamtliche.“
Damit habe das Festival auch eine Bodenhaftung in der Stadt, sagt der Intendant. Es werde auch von den Bürgerinnen und Bürgern, die mit Kirchenmusik vielleicht nicht so viel anfangen können, respektiert.
Blockflötenquintett Seldom Sene in Schwäbisch Gmünd
Junge Menschen werden in die Festivalgestaltung miteinbezogen
Und das fängt schon beim Personal an. Ein Konzept des Festivals ist, junge Menschen miteinzubeziehen. Um die Neugier an klassischer Musik zu wecken, Vorurteile abzubauen, besonders gegenüber der Kirchenmusik.
Seit Bestehen des Festivals 1989 setzt man deswegen im Festivalteam auf Schülerinnen und Studenten der Region, vorzugsweise auf solche, die sonst mit klassischer Musik nicht in Berührung kommen. Sie sitzen an der Kasse, stehen am Einlass, betreuen die Künstler, sind gewissermaßen auch das Gesicht des Festivals.
Was oft als Nebenjob im Sommer beginnt, wird nach ein paar Konzerten zur Leidenschaft: Denn ein Platz im Konzert gibt’s dann immer dazu. Es ist die Musik, die sie in den Bann zieht, sicherlich, aber auch die familiäre Atmosphäre der Stadt und des Teams, erzählt Caroline Burkhardt, die hier jobbt. Der Blick hinter die Kulissen mache besonders Spaß, nicht zuletzt, da sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin arbeitet.

„Was ich auch immer schade finde: Kirchenmusik wird manchmal so verurteilt, also so, dass es bloß irgendwie Chorgesang ist von irgendeinem Knabenchor oder so“, findet Caroline Burkhardt, „aber es ist eigentlich so viel mehr. Es ist so vielseitig und es ist auch was für Leute, die nicht so gläubig sind oder die da gar keinen großen Bezug dazu haben.“
Ein Festival von der Stadt für die Stadt
Mit einer weiteren Besonderheit hebt sich das Festival von vielen seiner Art ab: Der Träger ist die Stadt Schwäbisch Gmünd, nicht etwa die Kirche oder ein privater Verein. Die Stadt hat es 1989 ins Leben gerufen, auch weil man stolz ist auf das historische Stadtbild und es mit Musik füllen wollte.
Bis heute liegt das Festival Europäische Kirchenmusik in städtischer Hand, wird vom Kulturbüro geleitet. Und das zeigt auch das Logo des Festivals: Ein Stern, der seine Strahlen in alle Himmelsrichtungen verteilt und Geistliches mit Weltlichem verbindet.
Mehr zum Festival
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SWR2 Mittagskonzert vom 26.7.2023
Liedbearbeitungen für Chor und Klavier aus der französischen und deutschen Romantik
Werke vonFanny Hensel,Felix Mendelssohn Bartholdy, Clara Schumann, Robert Schumann, Charles Gounod, Pauline Viardot, Gabriel Fauré, Lili BoulangerundHugo Wolf
Katharina Schlenker (Klavier)
Kammerchor Figure Humaine
Leitung: Dennis Rouger
(Konzert vom 23. Juli 2023 in St. Franziskus)
Troubadour-Gesänge, Tänze, Hymnen und Lieder des Mittelalters aus Katalonien, Zypern und aus dem Nahen Osten vonJaufre Rudel, Comtessa de Dia,aus demLibre Vermell, demCodex Torinound ausSephardim- und Sufi-Traditionen
Ex Silentio:
Theodora Baka, Fanie Antonelou (Gesang)
Vasilis Zigeridis (Kanun)
Thimios Atzakas (Oud)
Nikos Varelas (Percussion)
Flöten & Leitung: Dimitris Kountouras
(Konzert vom 20. Juli 2023 in der Johanniskirche)
SWR2 Mittagskonzert vom 1.8.2023
"Come follow me" - Verführung in die wunderbare Welt des Kanons
Blockflötenquintett Seldom sene
Thomas Ravenscroft:
"Come, follow me", Kanon für 5 Stimmen
Francisco Guerrero der Ältere:
"Ave virgo sanctissima", Motette
Tomás Luis de Victoria:
"Gaude Maria Virgo", Motette
Antonio Vivaldi:
Konzert für 4 Violinen, Streicher und Basso continuo h-Moll op. 3 Nr. 10 RV 580, bearbeitet für 5 Blockflöten
John Baldwin:
"In nomine à 4"
Adrian Willaert:
"In Assumptione Beatae Mariae Virginis"
Francesco Soriano:
Kanon Nr. 91 über "Ave maris stella"
Gionpietro Del Buono:
Obligo Nr. 77 über "Ave maris stella"
Hermann Robert Frenzel:
"Sollt ich meinem Gott nicht singen", bearbeitet für 5 Blockflöten
Max Reger:
"Wer nur den lieben Gott lässt walten", bearbeitet für 5 Blockflöten
Ruggiero Giovannelli:
"Ut re mi fa sol la" für 5 Instrumente
Johann Sebastian Bach:
„Verschiedene Canones über die ersten acht Fundamental-Noten vorheriger Arie“ aus den "Goldberg-Variationen" BWV 1087 Nr. 12, 6, 10, 11, 14
(Konzert vom 26. Juli 2023 in der Johanniskirche)
Arcangelo Corelli:
Concerto grosso g-Moll op. 6 Nr. 8
The English Concert
Georg Philipp Telemann:
Ouvertüre D-Dur TWV 55:D18
Altberg Ensemble
Leitung: Peter van Heyghen
Johann Wenzel Kalliwoda:
Sinfonie Nr. 1 f-Moll op. 7
Hofkapelle Stuttgart
Leitung: Frieder Bernius