Pop-Ikone macht Musical

Herbert Grönemeyer komponiert fürs Theater – „Pferd frisst Hut“ in Basel

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Sandra Biegger
Sandra Biegger, Team SWR Kultur (Foto: SWR, Sandra Biegger)
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Dominic Konrad

Der Popmusiker Herbert Grönemeyer füllt seit Jahrzehnten große Arenen. Doch nach wie vor zieht es ihn immer wieder ans Theater, dieses Mal an die Oper Basel. Für das Stück „Pferd frisst Hut“ hat Grönemeyer die Musik geschrieben, Regie bei der musikalischen Komödie nach Eugène Labiches „Ein Florentiner Hut“ führt Herbert Fritsch.

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Ein bisschen Oper, Operette und Filmmusik

Der Bühnenvorhang ist noch unten – da wird klar: Den typischen Grönemeyer-Sound, oder das was man gemeinhin dafür hält, gibt es in „Pferd frisst Hut!“ zumindest nicht durchgängig zu hören. Dafür einen bunten Mischmasch aus Broadway, Disney, Rossini – ein bisschen Oper, ein bisschen Operette, ein bisschen Filmmusik – gespielt vom Sinfonieorchester Basel. Ohne Bass, ohne Schlagzeug.

„Pferd frisst Hut“ ist eine musikalische Verwechslungskomödie nach Eugène Labiches Boulevardstück „Ein Florentiner Hut“ aus dem Jahr 1851. Bearbeitet hat den Stoff Sabrina Zwach. 

Herbert Grönemeyer 2023, live in der Olympiahalle, München (Foto: IMAGO, IMAGO / Stefan M Prager)
Seine Karriere begann Herbert Grönemeyer am Schauspielhaus Bochum, dessen Musikalischer Leiter er mit gerade einmal 20 Jahren wurde. Nun kehrt der Musiker als Komponist ans Theater zurück

Die Handlung ist „Stulle“, findet Komponist Grönemeyer

Wie in „Figaros Hochzeit“ spielt die Handlung vor dem Hintergrund einer geplanten Eheschließung.

Das Pferd des jungen Privatiers Fadinard frisst kurz vor dessen Hochzeit mit Hélène den Florentinerhut einer Frau, die sich im Wald mit ihrem Liebhaber vergnügt. Beide fordern Ersatz von Fadinard. Eine rasante Jagd nach einem Ersatzhut beginnt, bei der Fardinand nicht nur eine ehemalige Geliebte, sondern auch die Familie seiner Zukünftigen im Nacken sitzt.

Szene aus "Pferd frisst Hut" am Theater Basel (Foto: Pressestelle, Theater Basel / Thomas Aurin)
Ausgerechnet am Tag seiner Hochzeit macht sich Fadinard auf den Weg, um einer Dame aus der Patsche zu helfen. Denn sein Pferd hat ihren Florentinerhut gefuttert. Fadinards Zukünftige Hélène ist verzweifelt.

Das Ganze ist eine ziemliche Klamotte, Herbert Grönemeyer selbst sagt, die Handlung sei „Stulle“. Am Anfang habe er sich auch gewundert, warum Regisseur Herbert Fritsch mit ihm ausgerechnet dieses Stück in Basel auf die Bühne bringen will. 

Es sei ein relativ wahnwitziger Mix aus seiner Musik und diesem Stück, den sie da zusammengeschustert haben, meint Grönemeyer selbst: „Wenn man Spaß hat im Theater und sich auch wirklich auf albernes Theater einlassen möchte, dann hat man einen schönen Abend. Das Risiko ist halt, wenn man das nicht möchte, dann sitzt man ein bisschen sprachlos da.“

„Pferd frisst Hut“ - Theater Basel (Foto: Pressestelle, Thomas Aurin)
Herbert Fritsch deutet den Vaudeville-Klassiker „Ein Florentiner Hut“ neu als Musical. So wundert es nicht, dass Szenen an Klassiker wie „Singing in the Rain“ erinnern.

Bei den Songs blitzt der Grönemeyer-Sound durch


Grönemeyer hat für „Pferd frisst Hut“ 16 Lieder komponiert und weitere Instrumentalstücke. Für die Proben war er mehrere Wochen lang in Basel. Bis zuletzt hätten Regisseur Herbert Fritsch und er gestrichen, gefeilt und angepasst, sagt der Musiker.

Die größte Herausforderung sei es gewesen, den richtigen Rhythmus zu finden zwischen der enorm schnellen Handlung und der Musik. Diese soll bewusst für Ruheinseln sorgen. 

Szene aus "Pferd frisst Hut" am Theater Basel (Foto: Pressestelle, Theater Basel / Thomas Aurin)
Kann es trotz der Irrungen und Wirrungen für Fadinard (Christopher Nell) und seine Braut (Cécilia Roumi) ein Happy End geben?

Auch die Texte stammen fast alle von Grönemeyer. Sie bringen die Dinge oft sehr deutlich auf den Punkt. Etwa wenn die verkaterte Braut Hélène singt: „Das Hirn verfilzt / ein wirrer Knoten / Der Magen glüht / Das Würgen kämpft“.  

Oder wenn es im Lied „Von der Ehe“ heißt: „Sie gehen jetzt in die Ehe / Sie gehen jetzt in ihr Ehebett / Es kocht die knisternde Nähe / Es knistert leise das Kochduett.“ 

In dem Stück singen Opernsängerinnen und Opernsänger neben Schauspielenden. Es gibt Momente, da blitzt auch ein bisschen der klassische Grönemeyer-Sound samt Text durch.

Szene aus "Pferd frisst Hut" am Theater Basel (Foto: Pressestelle, Theater Basel / Thomas Aurin)
Die Musik zur musikalischen Komödie, die nun in Basel uraufgeführt wird, schrieb Herbert Grönemeyer. Insgesamt 16 Songs und zusätzliche Instrumentalmusik steuerte er bei.

Man fragt sich, wer eigentlich Zielgruppe ist

„Pferd frisst Hut“ ist einerseits eine temporeiche Boulevardkomödie – und dank hervorragender Darsteller, einem sehr spielfreudigen Ensemble und guter Regie-Einfälle stellenweise auch wirklich urkomisch. Fans klassischer Musik kommen ebenfalls auf ihre Kosten – dafür sorgen  nicht zuletzt die Solisten, das brillante Sinfonieorchester und der herausragende Große Chor.

Die Handlung läuft sich allerdings recht schnell tot. Man fragt sich beim Zusehen, wer eigentlich Zielgruppe des Stückes sein soll: klassische Operngänger, Freunde leichter Unterhaltung oder doch Grönemeyer-Fans?Letztlich werden alle bedient, aber keiner wirklich umfassend.

Drei lange Stunden „Tür auf, Tür zu“-Handlung, inflationär gespickt mit oft zotigen und zopfigen Dialogen, die ein bisschen wie aus der Zeit gefallen wirken, stoßen denn auch beim Premierenpublikum nicht nur auf Begeisterung. Viele kehren nach der Pause nicht zurück. Die, die bleiben, bedanken sich bei den Machern mit kräftigem, aber nicht frenetischem Applaus.

Konzert Wohnzimmeratmosphäre zum Mitsingen: Herbert Grönemeyer in Mannheim

Herbert Grönemeyer hat im vergangenen Jahr seine „20 Jahre Mensch“ Tour wegen einer Corona-Erkrankung absagen müssen. Seit rund zwei Wochen ist er nun auf „Das ist los“-Tour und stellt sein neues gleichnamiges Album in den Mittelpunkt der knapp dreistündigen Konzerte.

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