Der deutsche Freejazz-Pionier, Saxophonist und Klarinettist Peter Brötzmann ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Peter Brötzmann war so etwas wie der Inbegriff des deutschen Free Jazz – Vaterfigur, Kombattant und Fackelträger. Wie kaum ein anderer verkörperte er mit seiner Intensität und Authentizität den Anspruch, als eigenständige europäische Stimme wahrgenommen zu werden.
Brötzmann war die Antithese zu allem Etablierten
Schon früh entsagte der 1941 in Remscheid geborene Saxophonist Peter Brötzmann der Imitation amerikanischer Vorbilder, begriff sich aber auch in der Antithese zu allem Etablierten als ein Musiker in der Tradition des Jazz. Bei allem, was er tat, sagte und spielte, ging es ihm um ein Streben nach Authentizität.
Album „Machine Gun“ – radikale Emanzipation des europäischen Free Jazz
Bereits 1961 begann Peter Brötzmann in Wuppertal mit dem Bassisten Peter Kowald zusammenzuarbeiten. Er zählte zu den Gründungsmitgliedern des „Globe Unity Orchestra“ und spielte im Jahr 1968, im Jahr des Höhepunktes der europäischen Studentenrevolte, ein Album ein, das zu den radikalsten Manifesten der Emanzipation des europäischen Free Jazz zählt: „Machine Gun“, eine rund dreißigminütige Kollektivimprovisation mit dem Peter Brötzmann Oktett.
1968 – Jahr der großen Orchester und Kollektive
Das Jahr 1968 hat Peter Brötzmann rückblickend als „das Jahr der großen Orchester“ beschrieben, ein Jahr, so Brötzmann, „in dem wir uns unter Freunden trafen, um wie die Verrückten zu spielen.“ Damals kam vieles zusammen: das Aufbegehren gegen etablierte Strukturen in Kunst und Gesellschaft, der Kampf gegen die Arroganz der Macht und die Befreiung von den konventionellen Schemata der Jazzimprovisation.
Bewegung um das Plattenlabel „Free Music Production“
Peter Brötzmann, geboren 1941 in Remscheid, beheimatet in Wuppertal, bildete gemeinsam mit dem Bassisten Peter Kowald und dem Pianisten Alexander von Schlippenbach die Avantgarde einer Bewegung, die sich um das Plattenlabel „Free Music Production“ zusammenschloss und bereits früh europäische Netzwerke aufbaute. Zu den wichtigsten Ensembles, die Ende der sechziger Jahre entstanden, zählte das Trio von Peter Brötzmann mit dem belgischen Pianisten Fred Van Hove und dem holländischen Schlagzeuger Han Bennink.
Das Peter Brötzmann Quartet 1995 auf dem Jazzfest Berlin:
Peter Brötzmann war auch Assistent des Fluxus-Künstlers Nam June Paik
Peter Brötzmann, der Musiker, ist auch als Maler, Grafiker und Objektkünstler hervorgetreten. Bereits während seines Studiums an der Wuppertaler Werkkunstschule wurde er Assistent des Fluxus-Künstlers Nam June Paik. Fluxus, das Konzept eines fließenden Überganges von Kunst und Leben, hat Peter Brötzmann ebenso nachhaltig beeindruckt und geprägt wie die Kunst der großen Balladen-Interpreten des Jazz, wie Coleman Hawkins, Ben Webster oder Billie Holiday. In den siebziger Jahren spielte Peter Brötzmann im Trio mit den beiden Südafrikanern Harry Miller und Louis Moholo. Später entstanden Bands mit Hamid Drake, William Parker and Toshinori Kondo wie auch „Last Exit“ mit Bill Laswell, Sonny Sharrock und Shannon Jackson.
Peter Brötzmann über Avantgarde, Solospiel und Musikaufnahmen:
Brennende Intensität und physische Qualität des Spiels
Peter Brötzmann hat seine Musik in ganz unterschiedlichen Kontexten entfaltet und dabei stets eine brennende Intensität, eine physische Qualität des Spiels und eine im Jazz fundierte rhythmische Bewegungsenergie eingebracht. In unterschiedlichen Teilen der Welt fand er Musiker, die willens waren, mit ihm gemeinsam eine Strecke des Weges zu gehen.
Peter Brötzmann auf Tonträgern, das ist nur die halbe Wahrheit.
Aus der Vielzahl von Begegnungen sind immer wieder „working groups“ entstanden: so „Full Blast“ mit Marino Pliakas und Michael Wertmüller und der transatlantische Brückenschlag mit dem „Chicago Tentet“, und so auch das Trio „Sonore“ mit den beiden Saxophonkollegen Ken Vandermark und Mats Gustafsson. Peter Brötzmann auf Tonträgern, das ist nur die halbe Wahrheit.
Zu seiner Musik gehörte der Live-Charakter, die Aura, die vorbehaltlose Verausgabung, das Brennen im Hier und Jetzt. Dass es das nicht mehr gibt, tut weh.