Campino kauft sich eine Lederhose und auf der Bühne treffen Alphörner auf Gitarrenriffs. Das ist in der Tat eine „kulturelle Zumutung“. Unter diesem Motto sind die Toten Hosen mit den Well-Brüdern und Gerhard Polt derzeit auf Tournee. Beim Freiburger Zeltmusikfestival (ZMF) feiern sie mit 2000 begeisterten Fans einen ausgelassenen Abend mit weitem Horizont.
Chemie zwischen Anarchobläsern und Punkrockern stimmt
Ein hübsches Begrüßungslied dichten die Well-Brüder Stofferl, Karl und Michael gerne ihrem jeweiligen Konzertort und schnell wird im voll besetzten Freiburger Zirkuszelt deutlich: die Chemie stimmt zwischen Bühne und Publikum. Und vor allem stimmt auch die Chemie auf der Bühne zwischen den virtuosen Anarchobläsern „aus dem Biermoos“ und den Punkrockern aus Düsseldorf, schon rein optisch.
Grenzüberschreitung ist Programm
Hosen-Gitarrist Kuddel in den Krachledernen, Campino an der Trompete. Gitarrist Breiti mit Ukulele. Ist das nun schon ungebührliche Aneignung oder die im Tourmotto erwähnte „kulturelle Zumutung“? Die Hosen entschuldigen sich schonmal prophylaktisch.
Gerhard Polt spielt gekonnt mit den Grenzen des Common Sense
Eine echte Provokation sind die Düsseldorfer in Lederhosen natürlich nur für die ganz hartgesottenen, aber keine Frage, dass die Einladung zum Spiel mit Traditionen und Klischees auch von Gerhard Polt dankbar angenommen wird: Satire an den Grenzen des Common Sense - ob in der Rolle als indischer Pfarrer, Tiroler Tourismusmanager oder einfach als bajuwarischer Polterer
Statement gegen zu engen Begriff von Kultur und Identität
Der 81-jährige Polt sitzt im Hintergrund, wenn die Musiker vorne ihre Gaudi haben. Ihr gemeinsamer Auftritt ist ein Statement für künstlerische Freiheit und gegen einen zu eng geführten Begriff von Kultur und Identität.
Freundschaft seit gemeinsamen Protesten 1986 in Wackersdorf
Dass die Well-Brüder und die Toten Hosen nun schon mindestens zum sechsten Mal miteinander auf Tour gehen, ist dem Protest gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf zu verdanken. Am Rande eines großen Festivals haben sich die Gruppen dort 1986 kennen und sehr schätzen gelernt. Sie sind Punks im Geiste, vereint im Kampf gegen Spießertum und Establishment, sagt auch Michael Well.
Punker machen Stubnmusik mit Zither und Hackbrett
Mit Stubnmusik konnte man alle Konflikte aus dem Weg räumen, meinen die Well-Brüder, die es wissen müssen: Zu Hause waren sie 15 Geschwister. Und so machen die Musiker das Freiburger Zirkuszelt zu ihrer „guten Stube“. Irgendwann sieht man die Punker an Zither und Hackbrett, die Well-Brüder fungieren dagegen als Bläser-Sektion bei deren bekannten rockigen Nummern: „Liebeslied“, „Laune der Natur“, der Hit „Wannsee“ wird schnell zu „Titisee“ umgedichtet.
Ausgelassenen Abend mit viel Mitsingpotential
Und auch wenn Campino der ein oder andere Texthänger unterläuft, und eingefleischte Hosen-Fans vielleicht ein paar Songs vermissen, erlebt das Publikum doch einen ungemein sympathischen, ausgelassenen Abend mit viel Mitsingpotential, Platz für Party und einem weiten Horizont.
Campino und die Toten Hosen
Gespräch Campino – Hope Street. Wie ich einmal englischer Meister wurde
Campino, Sänger der Punkband Die Toten Hosen ist glühender Fan des FC Liverpool. In seinem Buch geht es aber um mehr als Fußball. Der Sänger geht der Geschichte seiner deutsch-englischen Familie nach. Im Lesenswert Gespräch erklärt er außerdem was es mit seiner Vorliebe für Kräutertees mit wohlklingenden Namen auf sich hat.
Theresa Hübner im Gespräch mit Campino.
Piper Verlag, 368 Seiten, 22 Euro.
EAN 978-3-492-07050-8
Gespräch „Unzerstörbare Loyalität“ – Gitarrist Michael Breitkopf über 40 Jahre Tote Hosen
Im Mai 2022 feiern „Die Toten Hosen“ ihr 40-jähriges Bestehen. Die Punkrocker aus Düsseldorf sind nicht nur eine der erfolgreichsten deutschen Bands überhaupt, sondern haben sich auch immer politisch und gesellschaftlich engagiert, zum Beispiel für Oxfam, Pro Asyl und gegen Rechtsextremismus. In der langen Geschichte der Toten Hosen gab es nur sehr wenige Besetzungswechsel. Gitarrist Michael „Breiti“ Breitkopf erklärt das damit, dass sich die Band aus Freundschaft und Musikbegeisterung heraus gegründet habe und nicht mit dem Willen, erfolgreich zu werden.
Porträt zum 40. Geburtstag der Band Die Toten Hosen – Von Punk zu Pop
Als wüste Düsseldorfer Punkband mit bunten Klamotten aus der Altkleidersammlung haben die Toten Hosen angefangen, eher schlecht als recht Musik zu machen. Heute kennt fast jeder ihre hymnischen Lieder. Wenn sie jetzt auf Jubiläumstour gehen, füllen sie ganze Stadien: Die Toten Hosen sind ein Phänomen in der deutschen Popgeschichte. Von Bernd Lechler. (SWR 2022) | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/die-toten-hosen | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: wissen@swr2.de | Folgt uns auf Twitter: @swr2wissen
Festival So nachhaltig ist DAS FEST in Karlsruhe
DAS FEST in Karlsruhe (20. - 23.7.) versucht schon seit vielen Jahren an vielen kleinen und großen Stellschrauben zu drehen, um nachhaltiger und umweltschonender zu werden. Dazu gehören die Anreise der rund 250.000 Besucher*innen genauso wie regionale Essenszulieferung, Pfandsysteme und Geschirr aus kompostierbaren Materialien oder Solarlampen für die nächtliche Wegebeleuchtung.