Porträt

Brasiliens Musiklegende Gilberto Gil: „Heute ist alles Weltmusik“

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AUTOR/IN
Philine Sauvageot

Gilberto Gil ist einer der größten Popstars Brasiliens und der Mitbegründer der Tropicalismo-Bewegung. Der mittlerweile 81-Jährige kann auf 60 Jahre Bühnenkarriere zurückschauen, mit einem kurzen Ausflug in die Politik. Auf dem Freiburger Zeltmusikfestival ZMF gibt er sich gelassen.

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Einer der größten Popstars Brasiliens

Natürlich hat eine lebende Legende wie Gilberto Gil nicht mehr als zehn Minuten fürs Interview, im lärmenden Backstage. Wie schaut einer der größten Popstars Brasiliens mit 81 Jahren zurück, auch auf seine Zeit als Kulturminister in der Mitte-Links-Regierung von Lula da Silva?

„Politik war nur ein Zufall. Musik ist ein ständiger Fluss. Ich wähle sie als Kommunikationsmittel, um meine poetische Vision der Dinge, der Liebe und des Friedens zu etablieren.“

Gilberto Gil: „Eu vim da Bahia“:

„Alles ist gleichzeitig gut und schlecht“

Fünf Jahre in der Politik – nicht mehr als ein störender Zwischenfall. Seine Musik sei nachhaltiger und vermittele sogar „gutes Benehmen“. Denn sie erzähle davon, wie man ein freundlicher Mensch sein könne. Von der Perfektion sei aber auch seine Heimat Brasilien heute noch weit entfernt. „Wir perfektionieren immer noch eine Gesellschaft, wir sind voller schlechter Dinge, wir machen viele Fehler“, sagt er.  

Die Liste ist lang: Armut, Korruption, eine polarisierte Gesellschaft – und noch dazu die weiterlaufende Abholzung des Amazonas-Regenwaldes. Der alte neue Präsident Lula ist für viele eine Enttäuschung. Gilberto Gil nimmt es gelassen.

„Alles geht gleichzeitig gut und schlecht. Es gibt nichts, was nur besser oder nur schlechter läuft. Jede Lösung ist bereits ein neues Problem. Ein neues Problem ist eine Chance für eine neue Lösung.“

Das große Vorbild heißt Bob Marley

Nichts liegt ihm ferner als Pessimismus. Gilberto Gil wirkt im Gespräch altersweise und fast gütig. Er ist einer, der an die Kraft der Musik glauben will, als Heilmittel für den Menschen. 

Da denkt man unweigerlich an sein größtes Idol, an Bob Marley, an dessen Banner „One Love“ über eine Welt im Frieden, alle eins miteinander. Wohl kein Künstler hat Gilberto Gil mit so vielen Referenzen in seiner Musik gewürdigt. 

Gilberto Gil – „Eleve-se Alto ao Céu“:

Begründer der „Tropicalismo“-Bewegung

Auch Gilberto Gil verband seine Musik mit sozialem Protest: In den 1960er Jahren begründete er die „Tropicalismo“-Bewegung mit, die den Bossa Nova mit internationaler Rock- und Popmusik vermischte.

Aber eben auch die Militärdiktatur Brasiliens kritisierte scharf. Dafür musste er zwei Monate im Gefängnis und zwei Jahre im Londoner Exil verbringen. 

Gilberto Gil – „Toda Menina Baiana“:

Was früher „Worldmusic“ genannt wurde, ist heute selbstverständlich

Später auf der Freiburger Bühne sieht man: Gilberto Gil umgibt sich mit auffällig vielen jungen Musikern. Welche Hoffnung verbindet er mit der neuen Generation? Die Antwort: Es ist vor allem dieses All-Stile-Mischende, das er selbst praktiziert hat. Früher noch als „Worldmusic“ kategorisiert, sei das heute selbstverständlich.

In der globalisierten Welt ist jede Musik „Weltmusik“. Und das verdanken wir auch Gilberto Gil. 

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Philine Sauvageot