Deutscher Historikertag 2023

Fragile Fakten – Wie Algorithmen unsern Blick auf Geschichte verändern

Stand
INTERVIEW
Wilm Hüffer

Es ist nicht neu, dass geschichtliche Fakten verändert, verfälscht, erfunden werden. Aber die Tools dafür sind heute ausgereifter denn je. Darin liegen viele Gefahren, sagt die Journalistin und Influencerin Leonie Schöler. Für Historikerinnen und Historiker steckten in den Sozialen Netzwerken aber auch Chancen für neue Formen der Geschichtsvermittlung.

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Nicht neu aber immer schwieriger: Die Unterscheidung von Fakt und Fake.

Gezielte Desinformation oder Deep Fakes: Was unsere Gegenwart betrifft, kennen wir inzwischen die Probleme, die mit der Digitalisierung oder den sozialen Netzwerken verbunden sind. Dass aber auch historisches Material davon nicht unberührt bleibt, rückt erst nach und nach in unser Bewusstsein.

Das ist nicht neu, sagt die Journalistin und Moderatorin Leonie Schöler, denke man nur an die gefälschten Hitlertagebücher. Aber inzwischen seien vielfältige digitale Tools hinzugekommen, mit denen sich die Möglichkeiten zur Veränderung, Verfälschung und Erfindung von historischen Fakten erweitert hat.

„Die Herausforderung besteht darin, welchen Medien können von wem klar eingeordnet werden“, meint Schöler, denn von künstlerischer Intelligenz erzeugte Bilder und Videos sind schwer als gefälscht zu identifizieren.

Mitmischen und auf den neuen Plattformen Geschichte(n) erzählen

Genau deshalb müsse sich die Geschichtswissenschaft auch in diese Felder hineinbegeben, so Schöler. Es gehe um Aufklärung, darum, im Strom der Unterhaltung Informationen zu vermitteln, Dinge einzuordnen, falsche Narrative aufzugreifen und gegenzusteuern. Aber auf neue und eben auch unterhaltsame Weise.

Auf Tiktok etwa fänden sich auch Beiträge von NS-Gedenkstätten, Stiftungen oder Zeitzeugen, die ihre Geschichten vom Überleben erzählen. Inzwischen sei das Spektrum dieser Art der Geschichtsvermittlung sehr breit und verbunden mit einem Demokratisierungsprozess, wie er seit den 1970ern durch Zeitzeugenberichte, private Aufzeichnungen und Oral History begann, sagt Schöler. Umso wichtiger ist es, dass Plattformen sich ihrer Verantwortung bewusst sind.

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