Feministisches Magazin in der Krise

„Missy Magazine“-Herausgeberin: Sofort reagieren, sonst droht das finanzielle Aus

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AUTOR/IN
Pia Masurczak
ONLINEFASSUNG
Dominic Konrad

Die Meldung klang dramatisch: Ohne schnelle finanzielle Unterstützung stehe das feministische „Missy Magazine“ vor der Pleite. Trotz gelungener Rettung: Feminismus und und Popkultur haben es nicht leicht auf dem schwächelnden Zeitschriftenmarkt, auch wenn das Gespür für Trends und Ästhetik jenseits des Mainstreams stimmt.

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Große Probleme beim „Missy Magazine“

„Wenn wir jetzt nicht sofort reagieren“, sagt Sonja Eismann eindringlich, „dann können wir in den nächsten Wochen und Monaten unsere Rechnungen nicht bezahlen.“

Die Mitgründerin und Herausgeberin des „Missy Magazine“, zählt die vielen Probleme auf, mit denen sie derzeit zu kämpfen haben: gestiegene Papierpreise und Transportkosten, der Konkurs der Druckerei, personelle Veränderungen in der Redaktion und ein überfälliger Anstieg der Löhne und Honorare.

Keine einfachen Zeiten für ein zwar bekanntes und meinungsstarkes, aber gemessen am Verkauf nach wie vor kleines Magazin. Doch Eismann hat auch gleich eine positive Nachricht parat: Die Unterstützung aus den verschiedenen feministischen Medien und Kulturnetzwerken sei überwältigend gewesen:. „Da hatten wir dann wirklich innerhalb von gut 48 Stunden die 1.500 Abos zusammen.“

Beitrag von RBB Kultur über 15 Jahre „Missy Magazine“

Eine feministische Sicht auf die Popkultur

Genug, um vorerst die laufenden Kosten zu decken, auch, wenn nur ausgewählte Anzeigenkunden und kein großer Verlag zur Seite stehen. Umso wichtiger ist die Leser*innenschaft, betont Eismann: „Wir haben auch oft das Gefühl, dass wir das Heft mit ihnen gemeinsam machen. Weil wir ganz viel Input bekommen, Feedback, auch natürlich kritisches, Artikelvorschläge von Leuten, die vielleicht noch gar nicht so viel geschrieben haben.“

Dieser Gedanke hat die Entstehung des „Missy Magazine“ geprägt. Vor mittlerweile 15 Jahren stellten die Gründerinnen um Sonja Eismann fest: In klassischen Popkultur-Magazinen gab es vor allem männliche Autoren und die entsprechenden Perspektiven auf Musik, Filme und Kunst.

Also lieber selber machen war 2008 die Devise. „Do It Yourself“, wie das klassische Zine: Zeitschriften, die mit wenig Geld und Ressourcen Ende der 1970er-Jahre in der Punk-Szene entstanden und einen starken politischen Bezug hatten.

15 Jahre gutes Gespür für Themen und Persönlichkeiten

Seit Beginn finden sich fast ausschließlich Frauen, nicht-binäre oder trans-Personen auf den „Missy“-Covern. Dass die Redaktion dabei ein gutes Gespür für Themen und Personen hat, zeigen allein schon die ersten Cover aus den Jahren 2008 und 2009: Da finden sich zum Beispiel die Schauspielerinnen Janelle Monáe und Sandra Hüller, viele Jahre vor ihrem Riesenerfolg mit dem Film „Toni Erdmann“ .

Oder, ganz aktuell, Beiträge über eine feministische Dating-Agentur, Care-Arbeit und immer wieder auch Rassismus und Sexismus in der Popkultur. Und um den Bogen zurück zur Finanzierung zu spannen: Obwohl es Kosten sparen würde, kommt ein Rückzug ins rein Digitale laut Sonja Eismann vorerst nicht in Frage.

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Dr. Jürgen Althans, freier Unternehmensberater und Business Coach, Hamburg
Prof. Dr. Margreth Lünenborg, Medienwissenschaftlerin, FU Berlin
Prof. Dr. M. Bjørn von Rimscha, Medieonökonom, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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Keine einfache Position für politisch radikalen Pop-Feminismus

Anschlussfähig an den latent pop-feministischen Mainstream und gleichzeitig politisch radikal? Das bleibt keine einfache Position auf dem ohnehin stark unter Druck geratenen Zeitschriften-Markt.

Gerade, wenn die Redaktion ihre Unabhängigkeit von großen Verlagen oder Anzeigenkunden als ein Plus versteht, wie Sonja Eismann erklärt: „Das Gute ist“, so die Herausgeberin, „dass niemand wie das zum Beispiel bei Gruner+Jahr passiert ist, sagen kann: Ihr seid nicht mehr rentabel, tschüss, das war’s.“

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3.6.1971 "Wir haben abgetrieben" – Die Stern-Kampagne, initiiert von Alice Schwarzer

3.6.1971 | Es war eine der bekanntesten Titelgeschichten der Zeitschrift "Stern" und zugleich die Kampagne, mit der die Journalistin Alice Schwarzer als Kämpferin für Frauenrechte bundesweit bekannt wurde. Sie erschien am 6. Juni. 374 prominente Frauen erklären darin öffentlich, dass sie abgetrieben hätten und fordern die Abschaffung des Paragrafen 218. Zwei Monate zuvor hatte es schon eine ähnliche Kampagne in Frankreich gegeben, an der Alice Schwarzer ebenfalls beteiligt war. Bevor die Ausgabe des "Stern" erscheint, schaltet er Anzeigen in verschiedenen deutschen Tageszeitungen. Davon handelt der folgende Bericht vom 3. Juni im Süddeutschen Rundfunk. Alice Schwarzer wird dabei nicht erwähnt, man kennt sie noch kaum. Dafür die Schauspielerin Vera Tschechowa. Denn die Bild-Zeitung behauptet, Tschechowa habe nicht gewusst, was sie da unterschreibe. Also ruft der Reporter sie einfach an und fragt sie. Tschechowa erklärt, sie stehe zu ihrer Aussage.
Nachdem dieser Sachverhalt geklärt ist, geht die Sendung auf die juristischen Folgen dieser öffentlichen Selbstbezichtigung ein. Der ehemalige Bundesrichter Heinrich Jagusch erklärt, dass die Staatsanwaltschaft nach dieser Kampagne keineswegs zwangsläufig aktiv werden müsse.

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