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Die Ausstellung „Sinti und Roma – Kunst im Kontext"

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AUTOR/IN
Martina Senghas
Martina Senghas

Im Heidelberger Rathausfoyer ist am 5. Dezember eine Ausstellung eröffnet worden, die Kunst von Sinti und Roma zeigt. Sie ist im Rahmen eines Kunstförderprogramms für Angehörige der Minderheit entstanden. Die Schau zeigt Kunstwerke im Kontext von Herkunft und gleichzeitig gute zeitgenössische Kunst. Es ist ein Spannungsfeld, das nicht aufzulösen ist, aber funktioniert.

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Viel Wut in den Werken der Ukrainerin Natalie Tomenko

Es ist ungefähr ein Jahr her, dass zwei Künstlerinnen und ein Künstler, die der Minderheit der Sinti und Roma angehören, die dreimonatige Residenz im Rhein-Neckar-Raum verbracht haben. Nun sind sie zurück in Heidelberg, mit Werken im Gepäck, die in und nach dieser Zeit entstanden sind. Und mit Gedanken darüber, was der Aufenthalt für sie gebracht hat.

Die Ukrainerin Natalie Tomenko erinnert sich: „Ich war im Stress und in den ersten Werken, die hier entstanden sind, ist viel Wut drin.“ „When the darkness came“, hat die knapp Dreißigjährige ihre nicht allzu großen quadratischen Bilder genannt, die wie Luftaufnahmen aussehen. Man glaubt, in den reliefartigen Strukturen der dick aufgetragenen Farbe schwarz versengte Landschaften zu erkennen. Mit roten Glut- und Blutspuren.

Impression der Ausstellung „Sinti und Roma – Kunst im Kontext"
Natalie Tomenko: „When the darkness came“ in der Heidelberger Ausstellung „Sinti und Roma – Kunst im Kontext"

Flammenruß steht Opfer des Holocaust

Der zweite Künstler ist der 1948 geborene Alfred Ulrich. Seine Werke wirken sehr ruhig. Zumindest auf den ersten Blick. Da ist beispielsweise eine Reihe kleinformatiger Tafeln, die aussehen, als wären sie mit Gardinenspitzen bespannt. Und auf den weißen Mustern liegt eine Art Asche.

Seine Familie hatte einen festen Wohnsitz, es waren Geschäftsreisende, die unter anderem Spitzenvorhänge verkauft haben, in ländlichen Gegenden, erzählt der österreichische Künstler. Ein Großteil dieser Familie ist zum Opfer des Holocaust geworden. „Diese Arbeit mit dem Flammruß, das sind sozusagen die Partikel meiner Verwandten, die da umgekommen sind in Litzmannstadt oder Lodz“, erklärt Alfred Ulrich.

Impression der Ausstellung „Sinti und Roma – Kunst im Kontext“
Alfred Ulrich vor seinem Kunstwerk in der Ausstellung „Sinti und Roma – Kunst im Kontext“

Die dritte Künstlerin, die an diesem Projekt teilgenommen hat und nicht mehr angereist ist, ist die Französin Valery Leray. Sie ist mit dokumentarische Fotografien vertreten, die harmlos erscheinende Orte zeigen, an denen einst Lager standen.

Verfolgte Roma blieben oft unter sich und trauten niemandem

Drei Sinti-und-Roma-Künstler. Die sich während ihrer Residenz in Mannheim und Heidelberg begegnet sind und die viel darüber nachgedacht haben, ob sie überhaupt so bezeichnet werden wollen.

In den ersten 20 Jahren seines Schaffens hätte er das überhaupt nicht gewollt, meint Alfred Ulrich: „Ich bin eigentlich von zuhause davongelaufen, diese traumatische Situation meiner Familie – das konnte ich nicht verarbeiten als Jugendlicher.“ Schließlich aber sei er eingeholt worden von seiner Geschichte und möchte jetzt, dass sie gehört wird.

Und Natali Tomenko fügt hinzu: „Weil Roma seit Jahrhunderten verfolgt werden, haben sie Mechanismen entwickelt, unter sich zu bleiben und niemandem zu trauen. Denn wenn sie jemandem getraut haben, wurden sie umgebracht. Da war immer die Angst: wenn wir sichtbar werden, dann werden wir zur Zielscheibe.“

Die Ausstellung ist ein Schritt aus der Unsichtbarkeit heraus

Sich mit seiner Kunst offen in den Kontext der eigenen Herkunft zu stellen, erfordert also durchaus Mut. Denn „Nicht auffallen wollen“, das ist noch immer ein weit verbreiteter Reflex von Sinti und Roma, wenn sie sich in der Mehrheitsgesellschaft bewegen.

Die Ausstellung ist ein Schritt aus der Unsichtbarkeit heraus. Und sie zeigt gleichzeitig gute zeitgenössische Kunst. Es ist ein Spannungsfeld, aus dem die Schau nicht herauskommt, aber es funktioniert. Etwas nachdenklich stimmt allerdings der Ausstellungsort im Heidelberger Rathausfoyer, in dem viel Unruhe herrscht. Aber letztendlich ist es verzeihlich, weil die Kunst von Sinti und Roma so mitten im städtischen Leben gelandet ist.

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